Kapitel 18: Herzen auf dem Umschlag

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Ich muss den Scheiß da wieder rausbekommen, bevor Roxas ihn lesen kann. Nur wie? An den Schließfächern sind Zahlencodes - ich kann den unmöglich öffnen ... Halt ... Der Hausmeister ...
Ich laufe so schnell es geht vor die gesuchte Tür und klopfe. Als niemand etwas sagt, will ich sie einfach öffnen, doch ich stoße auf Gegenkraft und die Tür ist verschlossen. Super tolle Sache ... Mein neues Ziel ist das Sekretäriat, wo die schlecht gelaunte Dame am Computer sitzt. Ich gehe zum Thresen und nehme mir einen Zettel. Gerade, als ich mein Anliegen aufschreiben will, steht sie mit bösen Blick vor mir. "Nicht mal Hallo sagen kann die Jugend von heute!" Meine Wangen werden rot, weil ich mich irgendwie dafür schäme. Sie reißt mir den Zettel unter dem Kulli weg und wirft ihn gezielt in einen der Papierkörbe. "Hör auf, hier die Sachen voll zu malen! Was willst du denn?"
Wortlos drehe ich mich um. Blöde Schlampe - was soll ich jetzt machen? Wohl oder übel bleibt mir nichts anderes übrig ... als Roxas den Brief lesen zu lassen.

Ich warte bei Schluss vor den Fächern des Todes - so wie ich die getauft habe - und sehe Roxas mit Jay die Stufen herunter kommen. Jetzt kommt es. Schon die ganze Zeit leide ich unter dem starken Gefühl der Reue.
Es tur weh, es schleicht sich rein. Ich habe Angst, dass ich mir jetzt alles versaut haben könnte ... Vielleicht ist es Roxas egal, vielleicht weiß er gar nichts, vielleicht sagt er: "Sorry, aber ich fühle nicht so. Aber ist doch nicht schlimm" und am Ende ist es sehr wohl anders zwischen uns beiden. "Morgen ist Englisch."
"Ich gehe morgen eh nicht", erwidert Roxy Jaydens Worte und meint damit wohl Schule schwänzen. "Habe keine Lust, noch ne fünf zu kassieren."
"Du könntest auch einfach mal lernen."
"Verschwendete Lebenszeit", sagt er wieder und dreht die Zahlen am Spind ein. Der Brief fällt sofort raus und er bückt sich danach. Mir wird schlecht ... Ich schlucke gequält, doch der Ball in meinem Hals bleibt. "Wasn das?", grinst Jay und zieht Roxas den Brief aus der Hand. "Da sind ja Herzen drauf gemalt, hehe. Hast wohl 'be Verehrerin." Roxas winkt ab, er scheint nicht bester Laune zu sein.
Genau vor mir öffnet er den Brief. Ich will nicht hinsehen, mein Gott. Jetzt weiß er es ...
Roxy grinst kurz breit, als er den Zettel liest und steckt ihn zurück in den Brief, diesen zurück in das Schließfach. Er lacht mich sicher innerlich aus ... "Reza?"
Jetzt ... Oha. Jetzt! Jetzt sagt er es. "Ich fühle nicht so ... Tut mir Leid." Ich kann es schon hören.

"Heute wieder ein Eis?"
Verdutzt sehe ich ihn an. Hat er doch nichts bemerkt!? Tut er nur so? "Ä-ä.."
Ja ... Heute wieder ein Eis.

Den ganzen Tag mache ich mir Gedanken um diesen Brief, doch Roxas ist wie immer. Die ganzen nächsten Tage ist er wie immer. Langsam verliere ich doch den Gedanken daran, ob er mich erkannt haben könnte. Nie haben wir darüber geredet und auch sonst hat er mich wie immer behandelt. Wir waren zusammen mit Engel, der wirklich süßen Nachbarshündin Gassi und Roxas ist barfuß auf der Straße herumgelaufen, obwohl es wirklich heiß war. Ich musste immer lachen, wenn er den Hund "Flauschibauschi" gerufen hat. Wir haben abends zusammen gekuschelt, uns meine DVDs angesehen. Animes - er findet sie cool, die meisten zumindest. Wir aßen gemeinsam Mikados, er gehört einfach zu mir dazu. Er kam einfach in mein Leben und jetzt ist er da.
Es ist unvorstellbar ohne ihn ...
Ich habe ihm auf jeden Fall keinen neuen Brief mehr geschickt ... Einmal hat gereicht.

Es ist ein regnerischer Montagmorgen, was Roxas übrigens auch nicht vom Warten aufgehalten hat, als ich mein Fach müde öffne. Es fällt ein Brief heraus, auf dem ein Herz mehr drauf ist, als ich es gemalt habe. Drei, statt zwei. Meine Augen weiten sich und ich sehe mich vor dem Öffnen kurz um. Ich ziehe den Zettel heraus.

Liebster Reza,
hiermit antworte ich dir auf deinen Brief, den du mir im Fach hinterlassen hast. Wir machen sehr viel gemeinsam und auch, wenn in meiner Vergangenheit ein anderer Junge einmal diesen Platz hatte, fühle auch ich mich sehr an dich gebunden.
Du bist wirklich süß.
Dein Roxas

Mir fällt die Tasche aus der Hand und ich fange mitten im Flur mit Schreien an. Vor Freude! Ich kann es nicht halten! Es muss einfach raus. Ich stoße mich am Schließfach und einige Leute kommen um die Ecke gerannt - sehen mich panisch an. Doch ich? Ich brülle weiter vor mich hin und springe kurz auf und ab - Schulmädchen pur!
Peinlich, aber mir egal!
Er hat mich süß genannt!

Es dauert einige Minuten bis ich mich wieder beruhigen kann. Erst jetzt kommen die Gedanken ... Was ist, wenn er sich bloß einen Spaß daraus macht? Obwohl ... so ist er nicht. Nicht mein Roxy. Aber ... wie soll ich jetzt reagieren? Auch ganz normal, so wie er?
Das Gefühl, wenn der Stein vom Herzen fällt ... Das fühlt sich unbeschreiblich gut an, als wären alle Sorgen wie weg geblasen.

Im Raum der Schülerhilfe kann ich Roxas ja jetzt ohne weitere Probleme verliebt ansehen. Er weiß es ja sowieso - Jayden ist mir egal! Der weiß ja, dass wir beide ein bisschen anders sind. Genau wie er. Ich träume mich ehrlich gesagt schon in die Zukunft und muss an diese dummen Quizfragen denken, die ich gemacht habe. "Kannst du dir eine Beziehung mit ihm vorstellen?" Irgendwie sowas war es doch ...
Ja, auf jeden Fall.

Liebster Roxas,
ich habe mich sehr über deine Antwort gefreut. Wirklich sehr ... ♡
Ich liebe es, jeden Tag mit dir zu verbringen und an deiner Seite sein zu dürfen.
Dein Reza
Vier Herzen auf dem Umschlag.

Liebster Reza,
ich freue mich, dass es dich gefreut hat!
Ich bin auch glücklich, dass du immer bei mir bist. Ich habe in dir wirklich eine außergewöhnliche, tolle Person entdeckt ...
Heute Abend Kinoabend? Ich zahle, kleine Prinzessin!
Dein Roxas
Fünf Herzen auf dem Umschlag.

Liebster Roxas,
nenn mich nicht Prinzessin!
Du machst mich so verlegen ... ♡
Mit dir gehe ich in jeden Film!
Dein Reza.
Sechs Herzen auf dem Umschlag.

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