~Kapitel 34~

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Der Junge kam lässig mit den Händen in den Hosentaschen auf uns zu geschlendert und sah mich kurz an. Für eine Millisekunde leuchtete Erkennen in seinen Augen, aber vielleicht hatte ich mir das auch nur eingebildet.

„Ich möchte dir Tirara vorstellen! Du weißt schon, die Tochter von Barclay." Shane musterte mich mit einem Blick, den ich nicht deuten konnte. Würde er sagen, dass wir uns bereits kannten? Dann schließlich hielt er mir die Hand hin.

„Freut mich." Ja, mich auch. Absolut. Zögerlich ergriff ich seine Hand und schüttelte sie. Ich entzog mich schnell wieder seinem festen Griff und trat ein paar Schritte zurück. Zumindest unsere Väter sahen zufrieden aus.

„Gut, wir lassen euch dann jetzt in Ruhe. Shane? Zeigst du Tirara bitte, was sie tun kann?" Shane nickte. Mich sah er nicht eine Sekunde an. Dann drehte er ab und mit einem letzten verunsicherten Blick folgte ich ihm. Ich musste fast rennen, um ihn einzuholen. Shane war es sichtlich egal, ob ich mitkam. Als ich jedoch wieder neben ihm war, sah er flüchtig zu mir rüber.

„So sieht man sich also wieder, Prinzessin." Das war's? Nichts weiter?

„Ich habe dir schon gesagt, du sollst mich so nicht nennen!"

„Tirara findest du also besser?"

„Tia. Alle nennen mich so."

„Tja, dann bin ich der Erste, der es anders macht. Ich mache hier sowieso nur, was mein Vater mir gesagt hat. Sonst krieg' ich Ärger." Damit drehte er seinen Blick wieder auf den Weg vor sich. Ich zwang mich es ihm gleichzutun. Trotzdem erwischte ich mich selbst dabei, wie ich ihn hin und wieder ansah. Ob es viele Jugendliche in unserem Alter hier gab? Wohl eher nicht. War er der einzige?

Tatsächlich sollte ich aber gleich darauf feststellen, dass er es nicht war. Als ich nämlich in die Lagerhalle trat, stockte mir der Atem. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit hier drauf? Dort stand ein Junge mit hellbraunen Haaren und Kopfhörern, die er sich um den Hals gehängt hatte. Ich brauchte keine Sekunde, um ihn zu erkennen. Als er dann auch noch in meine Richtung blickte, war ich mir zu einhundert Prozent sicher. Das war der Junge von meiner Party! Der, mit dem ich gestritten hatte. Anders als Shane versteckte er aber seine Überraschung aber gar nicht erst.

„Du! Du bist doch die von der Party, oder?" Was machte er denn hier?

„Das könnte ich dich auch fragen." Er ging gar nicht erst auf mich ein. Stattdessen wandte er sich an Shane, der mich schweigend beobachtet hatte.

„Hey Shane, ist das die, mit der du zusammengestoßen bist?" Shane nickte langsam und drehte mir dann den Rücken zu. Ich kniff verärgert die Augen zusammen. Was stimmte denn mit dem nicht? Der braunhaarige Junge schien nicht überrascht von Shanes Reaktion. Er grinste mich schief an.

„Oliver. Du hältst deinen Eindruck von unserem ersten Treffen. Wenigstens warst du nicht nur so kratzbürstig zu mir, Tiger." Jessica warf mir einen fragenden Blick zu. Ich zuckte nur mit den Schultern. Wie sollte man einen solchen Zufall auch erklären?

Ich wollte zu gern wissen, wie es für ihn überhaupt möglich gewesen war auf meiner Party zu erscheinen. Wie es ihm möglich gewesen war Area 51 zu verlassen. Vielleicht war das unsere Chance. Dann schielte ich zu Louie und August, die eine Kiste zu einigen LKWs schleppten. Sie waren abgelenkt und hatten sich einigermaßen mit ihrem Schicksal abgefunden. Was, wenn ich ihnen umsonst Hoffnungen machen würde? Ich sah noch einmal zu Oliver, der wohl eine Reaktion erwartete. Widerwillig biss ich mir auf die Lippe und schluckte meine Neugier herunter.

„Du hast mich provoziert. Selbst schuld, wenn du dann angemeckert wirst." Ich erinnerte mich an den eigentlichen Grund warum ich hier war. Ob ich wollte oder nicht, wenn ich Schwierigkeiten machen würde, würde das nur für noch mehr Aufregung sorgen. Und das würde mehr Aufmerksamkeit von meinem Vater bedeuten, mit dem ich gerade nicht sprechen wollte. Ich sah Oliver erwartungsvoll an.

„Was soll ich tun?"

„Willst du nicht lieber erstmal erklären, was du hier tust?" Genervt verdrehte ich die Augen.

„Nein, will ich nicht. Ist ne lange Geschichte und geht dich genau genommen nichts an." Wenn ich ihn nicht ausfragen konnte, sollte er auch nichts über mich erfahren. Jessica legte Oliver eine Hand auf den Arm.

„Ich könnte dir erzählen, was wir hier machen." Sie säuselte und ihre Stimme klang wie Honig. Mir wurde fast schlecht. Hoffentlich würde ich niemals so flirten. Ich fing den finsteren Blick von Louie, der Jessica anstarrte. Ganz klar eifersüchtig. Er war wohl noch nicht bereit sie aufzugeben. Noch mehr Drama konnte ich allerdings absolut nicht gebrauchen. Am besten hielt ich mich da raus.

„Was. Soll. Ich. Tun." Ich wiederholte die Worte ganz langsam und sah Oliver dabei eindringlich an. Und offenbar hatte sogar er jetzt gecheckt, dass ich kein Gespräch wollte. Er kratzte sich irritiert am Kopf.

„Äh... diese Kisten müssen in die LKWs. Und dann werden sie von den..." Oliver deutete auf die Stapel, welche teilweise bis zur Decke gingen. Das würde zwar ein Knochenjob werden, was definitiv nicht mein Fachgebiet war, aber er würde immerhin nicht sonderlich kompliziert werden. Vielleicht konnte ich dann dabei auch ein wenig abschalten. Aber offensichtlich wollte Oliver vorher noch zu einer ganzen Geschichte ausholen.

„Danke. Man sieht sich."

Ich drehte ab, bevor er weitere Fragen stellen konnte und wandte mich den Stapeln zu.

Area 51 - Don't trust anybody! Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt