9 ~ Feuer

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Meine Augen weiteten sich fassungslos und ich glaubte, mich verhört zu haben. Was war passiert? War er wirklich von einer Sekunde auf die andere wieder zum Eisklotz mutiert? Verwirrt blinzelte ich, bis ich endlich meine Stimme wiederfand. 

»Okay, ich schlage vor, ich stelle dir jetzt die Fragen, du antwortest etwas halbwegs Sinnvolles und wir sind in einer halben Stunde damit fertig. Dann gehe ich nach Hause und wir müssen nie wieder miteinander reden, wenn du das nicht willst.«

Er richtete sich auf. Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen und funkelten mich zornig an. Ein Todesblick, der mich erschauern ließ. Ich verstand die Welt nicht mehr.

»Nein, das ist mir alles zu blöd. Dieses ganze Interview war eine total bescheuerte Idee und du, du langweilst mich, Miss Perfect. Also verschwinde hier«, zischte er beunruhigend leise.

Ich schüttelte den Kopf. Was war denn auf einmal los? Wir hatten doch bis eben noch ganz vernünftig miteinander geredet.

Mit einigen tiefen Atemzügen beruhigte ich mein aufgewühltes Inneres. Es hatte ja keinen Sinn, ihn anzuschnauzen. Stattdessen musste ich ganz in Ruhe mit ihm sprechen und herausbekommen, was zur Hölle auf einmal sein Problem war.

»Hab ich irgendwas falsch gemacht? Was ist auf einmal los mit dir?«, fragte ich vorsichtig und knetete dabei meine feuchten Hände vor meinem Körper.

Einen Moment lang starrte er mich mit großen Augen an, dann verfinsterte sich deren Farbe zu einem tiefen Sturmgrau. »Du kapierst es echt nicht, Miss Caritas. Gut, dann im Klartext. War nett, dass du mir hier die Bude geputzt hast, aber jetzt ist der Job erledigt. Du kannst wieder gehen. Sofort.«

Ich riss die Augen auf und konnte gar nicht glauben, was er mir gerade an den Kopf geworfen hatte. Gefangen im inneren Kampf mit meinen Emotionen stand ich einfach nur regungslos da und starrte ihn an. 

Warum machte er mich auf einmal so runter? Was hatte ich ihm getan? Das war richtig mies. Meine Augen brannten, Tränen sammelten sich in ihnen. Ich schluckte und blinzelte sie wütend weg. Oh nein! Auf gar keinen Fall würde ich weinen! Das tat ich nie, und ganz sicher würde auch dieser Idiot David Berger mich nicht dazu bringen!

Ich grub meine Nägel in meine Handflächen, unterdrückte die Wut, und in mir breitete sich eine lähmende Kälte aus. Ich schwieg. Völlig ratlos, was ich als Nächstes tun sollte.

»Verschwinde hier! Ich brauche keinen, der mich rettet! Auch wenn dir und deinem Helfersyndrom das nicht in den Kram passt. Und weißt du, als Journalistin bis du echt eine Null! Nach drei Stunden habe ich gerade mal eine einzige Frage deines bescheuerten Interviews beantwortet. Du solltest lieber Putzfrau werden, das hast du wenigstens einigermaßen drauf.«

»Das ... das ist ... nicht ... mein bescheuertes Interview«, stammelte ich völlig perplex. Ich hatte keine Ahnung, was ich sonst sagen sollte. In meinem Kopf schwirrte alles. Ich kam mir vor, als wäre ich plötzlich in einem falschen Film gelandet. 

Das ging ganz eindeutig zu weit! Hatte ich vor Kurzem noch ernsthaft gedacht, dass David vielleicht gar nicht so übel war? Meine Güte, beinahe hätte ich diesen Vollidioten geküsst!

Er schüttelte langsam den Kopf. »Verdammt, wie schwer von Begriff bist du eigentlich? Du weißt, wo der Ausgang ist. Wenn du in zwei Minuten noch hier bist, schmeiße ich dich persönlich raus! Und das willst du nicht erleben!«, herrschte er mich an, drängte sich an mir vorbei und ging zurück in die Wohnung.

Mein Brustkorb hob und senkte sich viel zu schnell und mein Herz schlug krachend gegen meine Rippen. Heiße Wut kroch in mir hoch, und so sehr ich mich auch bemühte, diesmal ließ sie sich nicht mehr unterdrücken. So mies hatte mich in meinem ganzen Leben noch nie jemand behandelt! Und ganz sicher würde ich mich auch von David Berger nicht so behandeln lassen.

Entscheide dich, Schneewittchen! ✓Where stories live. Discover now