Grenzerfahrungen

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Jede einzelne Pflegekraft begegnet in ihrem Alltag Dingen, durch die sie an ihre persönliche Grenze getrieben wird.

Das kann beispielsweise Blut, Erbrochenes, der Umgang mit dem Tod, die aktuellen Arbeitsbedingen oder auch fast schon banal wirkende Dinge wie Spritzen sein. Es ist ganz unterschiedlich, was einem persönlich schwerfällt und womit man vielleicht auch Probleme hat. Man muss lernen, damit umzugehen.
So kommt es mir zumindest vor.

Wer als Pflegekraft nicht funktioniert, hat nichts in diesem Beruf zu suchen.

Aber muss das so sein?

Müssen wir wirklich wie Roboter funktionieren, dürfen keine Schwäche zeigen, sondern alles mit uns machen lassen?
Klare Antwort darauf: Nein.

Und die Lösung?
Findet sich aktuell nur in der Teamarbeit.

Aus eigenen Erfahrungen kann ich berichten, dass es nichts besseres gibt, als Kollegen, die einen auffangen und unterstützen. Die akzeptieren, wenn man beispielsweise ungern einen Patienten mit Tracheostoma absaugt und diese Arbeiten für einen übernehmen, ohne einem später Vorwürfe deswegen zu machen. Die einen kennen und merken, wenn man ausgelaugt ist.

Aber genau diese Arbeitseinstellung, dieser Zusammenhalt, ist oftmals schwer zu finden.
Denn oft ist jeder einzelne so hart an seiner eigenen Belastungsgrenze, dass er seinem Kollegen nicht mehr unter die Arme greifen kann. Denn jede weitere Aufgabe, die zusätzlich übernommen wird, wäre die eine Aufgabe zu viel, die einen selbst dann komplett in den Burnout rennen lässt.

Bisher habe ich dennoch immer in Teams gearbeitet, die trotz dieser Missstände niemals einen Kollegen alleine stehen gelassen hatten.
Bis auf ein einziges, von dem ich später berichten werde.

Die allgemeinem Gründe für diese Problematik liegen in einem allseits bekannten Thema, auf das ich nun aber nicht genauer eingehen möchte. Dem Pflegenotstand.
Vielmehr möchte ich dieses Kapitel den Folgen widmen, die dadurch entstehen.

Durch Überbelastung, fehlende Menschlichkeit und grenzwertig Situationen im Alltag. Und auch durch Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter nur ausnutzen.

An genau so einen Arbeitgeber bin ich vor einem Jahr geraten.

Ich habe gedacht, dass ich damals im Krankenhaus auf der Überwachungsstation wenig Freizeit hätte. Dass ich dort mit dem Druck, der durch instabilen Patienten entsteht, allein gelassen werde und durch ein 3-Schicht-System meinen nicht vorhandenen Schlafrhythmus vollständig verloren habe.

Also habe ich ein Gespräch mit einem ambulanten Pflegedienst geführt, da mir der Einsatz in diesem Bereich während der Ausbildung Spaß gemacht hatte.

Ich habe dort ein super Angebot bekommen. Gleiches Gehalt, sogar mit der Aussicht, durch eine Fortbildung direkt eine komplette Stufe höher zu rutschen. Eine 5-Tage-Woche und nur noch Früh- sowie Spätdienste.
Keine instabilen Patienten mehr, sondern mehr Behandlungsspflegen und das Ganze noch mit einem VW Polo als Dienstwagen zur Privatnutzung direkt vor meiner Haustür. Es klang so traumhaft, dass ich mich drauf eingelassen habe.

So gesehen wurden auch alle Versprechen gehalten. Der Dienstwagen stand am ersten Arbeitstag auf mich wartend vor dem Büro, ich wurde wie besprochen zwei Wochen lang eingearbeitet und für die genannte Fortbildung angemeldet. Auf den ersten Blick also alles super.

Die Kollegen waren nett, die Chefin locker und gleichzeitig hilfsbereit. Erst nachdem ich meine ersten Touren alleine fuhr bemerkte ich, dass sich diese Firma nach außen hin unfassbar gut verkaufen konnte.

Ich habe auf einem Diensthandy immer den aktuellen Dienstplan und meine Touren gesehen.
Die Touren wurden so geplant, dass ich sie nicht einfach von oben nach unten abfahren konnte, wie man es ja eigentlich denkt und erwartet.

Pflegen ➟ UnzensiertTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang