Pflegenotstand

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Dieses eine Wort begleitet jeden von uns, der im medizinischen Bereich arbeitet. Pflegenotstand.

Und ich denke, ich spreche im Namen von allen anderen, dass wir dieses Wort nicht mehr hören können.

Wir können dieses Wort nicht mehr als Entschuldigung für unsere schlechten Arbeitsbedingen hernehmen. Denn das ist es mittlerweile geworden.
Eine Erklärung für die gesamte Situation, mit der sich abgefunden wurde. Und damit ist das Problem aus der Welt geschafft. So scheint es zumindest.

Aber das ist es natürlich nicht.

Was bedeutet ein Pflegenotstand überhaupt? Was für Auswirkungen hat er?
Für jeden einzelnen Menschen in Deutschland, nicht nur für Pflegekräfte.

Schauen wir uns einen normalen Tagesablauf einer Pflegefachkraft auf einer Station im Krankenhaus an. Nehmen wir als Beispiel einfach mal die IMC Station, da ich momentan selbst auf einer arbeite.

Auf solch einer Station liegen Patienten, die überwachungspflichtig sind. Das bedeutet, sie sind an einen Monitor angeschlossen. Wir überwachen dabei dauerhaft ihre Herzfrequenz, das EKG, Puls, Blutdruck, Sauerstoffsättigung sowie die Atemfrequenz.
All diese Werte sehen wir konstant auf unserem Monitor, der sich in unserer Kanzel befindet.
Sollte einer dieser Werte mal außerhalb des Normbereiches sein, gibt der Monitor ein akustisches Signal von sich. Je nach Stärke der Abweichung ist es ein anderer Ton.

Bei fehlenden Messwerten, beispielsweise wenn der Klipp am Finger abgefallen ist, mit dem die Sauerstoffsättigung gemessen wird, gibt es einen ziemlich ruhigen Ton, der keinen Grund zur Eile bietet.
Ist ein Herzschlag jedoch nicht mehr regelmäßig und der Patient droht mit einer Herzfrequenz von 20 Schlägen pro Minute zu kollabieren, ist der Ton so durchdringend, dass du schon automatisch losläufst und den Notfallwagen auf dem Weg ins Zimmer mitnimmst.

Zusätzlich zu diesem einen Monitor, auf dem alle acht Patienten sichbar sind, hat jeder Bettenplatz seinen eigenen Monitor. Dieser sendet aber keine akustischen Signale und zeigt auch nur die Werte dieses einen Patienten an.

Es gibt noch einen weiteren großen Monitor mit allen acht Patienten in unserem kleinen Pausenraum mit Küche, ebenfalls ohne akustische Warnung.

Das heißt, wenn wir Pause machen, müssen wir mit einem Auge dauerhaft den Monitor beobachten, da dieser bei Alarmen nur blinkt. Gelb bei etwas harmlosen, rot bei etwas, wo man das Brötchen wegschmeißt und lossprintet.

Ihr könnt Euch also vorstellen, wie entspannt meine Pausen sind, wenn ich dauerhaft auf einen Monitor starren und jederzeit dazu bereit sein muss, alles stehen und liegen zu lassen, um einen Patienten zu retten.

Auf einer IMC Station liegen Patienten nach größeren Operationen oder auch welche, die klinisch zu schlecht für eine normale Station sind, für eine richtige Intensivstation aber noch ein bisschen zu gut.
In meinem Krankenhaus zählt die IMC Station organisatorisch dennoch bereits zu den Intensivstationen, auch wenn wir eine Etage unter dieser unsere Räumlichkeiten haben.

Stellen wir uns also eine normale Situation vor, wenn wir von Personal her gut besetzt sind.
Dann wären wir im Frühdienst zu dritt.
Auf der Station liegen insgesamt acht Überwachungspatienten am Monitor.
Zusätzlich haben wir noch vier Betten, die zu unserer Ambulanz gehören und in denen Aufnahmepatienten liegen. Diese kommen zu uns, wenn es im restlichen Haus keine freie Betten mehr gibt, sie aber stationär aufgenommen werden müssen.

Das heißt wiederum, dass wir, also das Personal der IMC, diese Patienten zusätzlich betreut.
Offiziell gehören diese Zimmer jedoch der Ambulanz, sie liegen aber angrenzend an unsere Station und nicht in der Nähe der Ambulanz.

Pflegen ➟ UnzensiertWhere stories live. Discover now