KAPITEL 3

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HURRICANE

Mittlerweile läuft das neue Semester seit zwei Wochen. Ich habe mich an meinen Stundenplan gewöhnt, mein Material vollständig zusammen und fühle mich trotzdem haltlos umhertreibend wie eine verloren gegangene Luftmatratze im Meer.

Während Rix neben mir sein Mittagessen herunterschlingt, starre ich auf den von Bäumen umgebenen Innenhof hinaus. Meine Augen werden durch eine Sonnenbrille mit pechschwarzen verspiegelten Gläsern verborgen. Auch wenn ich mich vor Rix ohnehin nicht verstecken kann.

Immer wieder blickt er prüfend - oder abschätzig - in meine Richtung. Unter meinen Augen liegen dicke, bläuliche Ringe, weil ich die letzten zwei Nächte kaum ein Auge zugemacht habe. Andauernd unterdrücke ich ein Gähnen, wodurch meine Augen nur noch mehr brennen und sich mit Tränen füllen. Schnaubend lasse ich den Kopf nach vorne sacken und schiebe meine Hände im Nacken zusammen.

Das Semester schlaucht mich jetzt schon, aber was tut man nicht alles für seine Träume?

Leider bin ich nicht der schlauste Kerl, weshalb das ganze Büffeln mir tatsächlich zu schaffen macht. Meine Schwester Arabella tut sich nicht derart schwer. Ihr scheint der Stoff einfach ins Hirn zu fliegen, bis sie ihn wieder aufs Papier bringen muss.

»Bist du gestern doch auf der Party gewesen?«, nuschelt Rix mit vollem Mund in meine Richtung. Langsam hebe ich den Kopf, doch dieses Mal schaffe ich es nicht, mein ausgiebiges Gähnen zu unterdrücken. Währenddessen schüttle ich jedoch den Kopf. »Warum siehst du dann aus wie eine Wasserleiche?« Erneut schiebt er sich einen übervollen Löffel seines Bohnenreis in den Mund. Bislang hat er seine Pataniscas nicht angerührt, was mich tatsächlich erstaunt.

»Bin lange aufgeblieben und habe gelesen. Dieses Jahr ist die Literaturliste lang, weshalb ich vorarbeiten möchte«, erkläre ich. Nach einem weiteren Löffel Reis nimmt er seine Pataniscas in die Hand und beißt genüsslich ab.

»Das Semester hat gerade erst angefangen, Cane. Meus Deus, hör auf, dich verrückt zu machen.« Während er spricht, sausen kleine Brocken seines Essens durch die Luft, weil Hendrix es nie gelernt hat, dass man mit vollem Mund nicht spricht.

»Letztes Jahr bin ich beinahe durch zwei Prüfungen gerasselt. Ich kann mir sowas dieses Semester nicht erlauben, Rix. Mamãe hält mir jeden Tag eine Predigt, allmählich kann ich jedes Wort auswendig, porra. Abgesehen davon, möchte ich das Studium beim ersten Anlauf durchziehen und gut abschneiden.« Hendrix zuckt eine seiner massigen Schultern. Der Typ frisst wie ein Mähdrescher, ohne auf seine Gesundheit zu achten. Eigentlich müsste er als Hobby-Sportler, auf seine Ernährung achten, aber irgendwie bin ich auch froh, weil er es nicht tut. Sonst könnte ich nicht jeden Sonntag mit ihm riesige Platten gegrillten Fisch bestellen und Unmengen Nachtisch verdrücken.

»Nichtsdestotrotz hat das Semester erst vor zwei Wochen angefangen, Cane. Kein Professor würde jetzt von dir erwarten, alle Materialien und Bücher zusammenzuhaben. Sie wissen, wie es hier läuft. Die Materialbeschaffung am Campus zieht sich wie Kaugummi. Du hattest deine Listen zwar schon in den Ferien, aber das weiß keine Lehrkraft, oder? Hör einfach auf dermaßen hohl zu drehen. Entspann dich. Es ist immer noch Hochsommer. Somit verflixt heiß. Und außerdem solltest du heute Abend mit auf die Strandparty kommen.« Klar, dass er das Thema auf die Veranstaltung von unserem Geografiekurs lenkt. 

»Ein anderes Mal, Rix. Ich habe Arabella versprochen, sie heute zu ihrer Freundin zu bringen und wieder abzuholen. Du weißt, mamãe und pai kaufen ihr erst das Auto, wenn sie die Zwischenprüfung besteht«, appelliere ich an sein Mitgefühl meiner kleinen Schwester gegenüber. Er schiebt seinen leeren Teller mitsamt Tablet von sich und verschränkt die Arme auf dem Tisch.

HATE ME HARDERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt