18. Gedanken und Verdachte

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Lyssa sass in ihrem Lieblingssessel im hinteren Teil des Gemeinschaftsraumes neben einem der grossen Fenster, durch das man in den See blicken konnte.

Die meistens Slytherins waren bereits ins Bett gegangen, als Lyssa von der Bibliothek zurückgekommen war und mittlerweile war der Gemeinschaftsraum leer. Sie wusste nicht, wie spät es war, aber vermutlich mitten in der Nachts. Durch die Fenster in den See war der Raum in ein schwacher, grüner Schimmer gehüllt. Das Feuer im Kamin war grösstenteils heruntergebrannt und von ihrem Platz aus konnte Lyssa die Glut in der Dunkelheit orange glühen sehen. Sie hielt den Raum schön warm, was gut war, denn es war bereits Dezember und das Slytherin Haus befand sich im Kerker direkt neben dem See.

Schon Dezember, dachte sich Lyssa. Sie war am 31. Oktober hergekommen, was mittlerweile schon eineinhalb Monate her war. Es schien länger zu sein. Aber was hatte sie bis jetzt erreicht? Nichts!

Sie war kein Stück näher daran, zurück in ihre Gegenwart zu kommen, mit der korrekten Vergangenheit. Ihr einziger Plan war immer noch irgendwie Charles Picklings ausfindig zu machen und zu hoffen, dass er die Uhr noch hatte. Aber der Dieb wusste, in welcher Zeit sie sich befand, vielleicht hatte er die Uhr bereits geholt.

Schon Dezember, dachte sie sich wieder. Theoretisch müsste Voldemort im Sommer zurückkommen, aber sie hatte die Informationen von Kim und Edith nachgeschlagen, alles, was sie gesagt haben, stimmte so weit. Die Identität des Drahtziehers war ein Rätsel und auch niemand wusste genau, was er wollte. Sie dachte zurück, an was Liam ihr erzählt hatte. Sie wusste nicht, wieso Liam nicht an die Existenz des Drahtziehers glaubte, aber sollte er wirklich versuchen Voldemort zurückzubringen, wieso hat er es noch nicht getan?

Sie fuhr sich mit beiden Händen durch ihr offenes Haar und setzte sich im Schneidersitz in den Sessel. Sie hatte ihre Schuhe und Strümpfe schon ausgezogen und ihre Krawatte über die Lehne gelegt.

Damals bei der dritten Aufgabe, dem Labyrinth, erreichten Cedric und Harry gemeinsam den Pokal. Der Pokal war ein Portschlüssel und am Schluss kam nur Harry lebend wieder und Voldemort war zurück. Die Aufgabe war manipuliert worden, um Harrys Sieg zu sichern, also musste Harry etwas mit der Auferstehung zu tun haben. Lyssa überlegte weiter, müsste das nicht bedeuten, dass der Drahtzieher nicht versuchte Voldemort zurückzuholen, wenn er Harry getötet hatte? Oder vielleicht hatte er bereits, was er wollte von Harry und ihn so schnell wie möglich aus dem Weg geschaffen. War der Pokal also auch in dieser Vergangenheit ein Portschlüssel?

Nein, es war ein Portschlüssel, weil ein Todesser sich in Form von Mad-Eye Moody eingeschlichen hatte und ihn verzaubern konnte. Professor Black musste der echte Sirius Black sein, das hätte Lupin doch sonst gemerkt. Wo war der Auror, der eigentlich in diesem Jahr Verteidigung gegen die dunklen Künste geben sollte? Er und sein magisches Auge? Das magische Auge ... das kullernde, blaue Auge ...

Sie zog die Knie an die Brust, trotz der Wärme im Raum hatte sie plötzlich kalt.

Laut Kim hatte Liam letztes Jahr ein kullerndes, blaues Auge für dieses Jahr hervor gesehen ... und etwas Grosses am Ende des Jahres.

Das war hirnrissig, wieso sollte Liam hier hergekommen sein und wie? Vielleicht war er aus der Zukunft dieser Vergangenheit ... aber dann würde er nichts von Moody wissen.

Die Zeitlinie gab für Lyssa einfach keinen Sinn, wenn sich Liam tatsächlich an die alte Vergangenheit erinnerte, musste er vor Lyssa und dem Dieb hergekommen sein.

Sie wusste immer noch nicht, wieso der Dieb zuerst in diese Zeit kam, vielleicht um jemanden zu treffen? Aber Liam war schon seit zwei Jahren in Hogwarts, wieso nicht schon früher?

Ihr tausend Teile Puzzle schien plötzlich ein tausendfünfhundert Teile Puzzle zu sein.

Sie erinnerte sich wieder an was Professor Black gesagt hatte. Gehe nie davon aus, dass du die klügste Person im Raum bist. Sie schnaubte frustrierte, für das, dass sie sich oft so dumm vorkam, ging sie eindeutig zu häufig davon aus, dass sie die klügste Person im Raum war.

Sie muss Liam im Auge behalten ... das sollte nicht schwer sein, wie Kim gesagt hatte, war er ziemlich oft an ihrer Seite.


Die dritte Apparierstunde verlief sehr gut und Lyssa traf gleich beim Verlassen der Grossen Halle auf Liam, der gerade mit einem Slytherin Jungen sprach. Als Lyssa zu ihnen trat, lächelte Liam sie mit einem breiten Lächeln an.

"Wie war das Apparieren?", fragte er und Lyssa wusste nicht, wie sie über ihn fühlen sollte.

"Ganz gut, ich brauche definitiv noch etwas Übung, aber bis jetzt läuft es ganz gut." Sie versuchte unauffällig einen Blick auf seine Hände zu werfen. Für jeden Zeitsprung musste man mit Blut bezahlen, Rotberg hatte mit Teilen seiner Finger bezahlt, aber Liam schien unversehrt zu sein. Woher hätte er auch die Uhr gehabt?

Der Ravenclaw sah zu den beiden Slytherin und meinte: "Ich muss dringend noch die Zaubertränke Hausaufgaben für morgen machen, ich habe sie viel zu lange aufgeschoben."

Lyssa warf einen Blick auf den anderen Slytherin. Er war ein Sechstklässler, aber sie war sich ziemlich sicher, sie hatte ihn schon mal in einer Gruppe mit Robyn und Mary-Ann gesehen.

"Ist gut, ich muss jetzt eh zu meiner Strafarbeit bei Professor Black", erwiderte Lyssa und die Gruppe löste sich auf.

Die Slytherin machte sich auf den Weg zum Klassenzimmer von Verteidigung gegen die dunklen Künste. Vermutlich war sie einfach zu paranoid. Nicht jeder der mit Robyn und Mary-Ann abhing, war automatisch ein Voldemort-Sympathisant und Liam als Halbblut und Sohn eines Werwolfes hatte in dieser Gruppierung absolut nichts zu suchen.

"Professor Black?", rief sie in das Klassenzimmer, doch bekam keine Antwort, dafür sah sie ein Papier auf dem Tisch liegen.

Ms Lewis, räumen Sie doch die Gläser nach Grösse und Farbe geordnet in den Schrank, die Blauen oben und die Grünen unten und die Kiste mit den Instrumenten bitte in mein Büro. - S.B.

Bei Strafen war Magie generell verboten, aber, da der Professor nicht da war, konnte sie auch niemand davon abhalten, die Dinge mit Magie zu tun. Sie schwang ihren Zauberstab und die Gläser flogen in den Schrank, nur eines überlebte den Flug nicht, aber das liess sich mit Magie gut richten.

Die Kiste mit den Instrumenten erhob sich in die Luft und gemütlich lief sie die Treppe zu seinem Büro hoch und liess die Kiste durch die Tür schweben und auf den Boden sinken. Gerade als sie ihren Zauberstab wieder wegstecken wollte, kam ihr eine Idee.

Kurz warf sie einen Blick über die Schulter, bevor sie ins Büro huschte und hinter den Schreibtisch trat. Es war wie gewohnt, die Bilder waren da und der Miniaturmond zeigte immer noch die abnehmende Mondphase an. Zuerst warf Lyssa einen Blick auf die aufliegenden Dokumente. Es waren ein paar Notizen und Skizzen und ein Brief, nichts was sie interessierte. Sie öffnete die Schubladen und durchsuchte den Inhalt, bis sie bereits bei der zweiten Schublade fündig wurde. Eilig zog sie das Pergament hervor, was gab es Besseres, um einer Person nachzuspionieren als die Karte des Rumtreibens.

Sie konnte die Karte schlecht mitnehmen, aber zumindest konnte sie kontrollieren, ob Liam wirklich in der Bibliothek oder im Gemeinschaftsraum war. Sie öffnete die Karte und zu ihrer Überraschung war das Pergament leer.

Sie seufzte innerlich und hob ihren Zauberstab. "Revelio!" Sie tippte die Karte an, doch nichts änderte sich. Sie seufzte äusserlich, es konnte auch nie etwas funktionieren.

Jagd durch die ZeitWhere stories live. Discover now