22. Der Weihnachtball

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"Das Kleid ist wundervoll, danke dass ich es ausleihen darf." Lyssa blickte an sich hinunter. Als sie am letzten Abend in den Schlafsaal zurückgekehrt war, waren die anderen Mädchen bereits im Bett gewesen und so konnte sie das Kleid erst am Morgen des Balls probieren, bevor die anderen ihre Geschenke öffneten. Es war recht simpel aus einem smaragdgrünen Stoff, mit ein paar goldenen Stickereien an den Rändern und einem breiten Band um die Taille.

Sie verließ den Schlafsaal, als die anderen Mädchen mit dem Auspacken von Geschenken anfingen. Im Schloss herrschte eine gute Stimmung, die Leute wünschten sich gegenseitig gute Weihnachten, ein paar Schüler hatten eine Schneeball-Schlacht und Hagrid schien etwas vor sich her zu summen, während er seiner Arbeit im Schnee nachging.

Lyssa beobachtete das Treiben, sie fühlte sich immer noch einsam und dachte an den Freund von Heinrich Rotberg. In die Vergangenheit zu reisen und sie zu ändern, nur um in eine Präsenz zurückzukehren, abgeschnitten von der eigenen Vergangenheit, nicht wissend, was sich verändert hatte. Nicht wissend, was man selbst in dieser Zeit getan hat.

Sie wusste immer noch nichts Genaues über das Motiv vom Drahtzieher oder über den Drahtzieher überhaupt. Auch über Liam schwirrten ihr dutzende Fragen im Kopf herum.

Ihr Weg führte sie zurück zu der Treppe des Astronomieturms. Sie hatte sich gestern Abend nicht geirrt, da fehlte tatsächlich ein Stern. Sie war immer noch in Versuchung, die Treppe einfach aufzusprengen, aber sie wusste nicht, ob das funktionieren würde, ganz zu schweigen, ob die Uhr tatsächlich da war. Außerdem wollte sie kein Aufsehen erregen, wenn Liam tatsächlich mit dem Dieb unter einer Decke steckte, dann könnte er ihn informieren, dass sie auf der Suche nach der Uhr war ... natürlich wussten sie, dass sie auf der Suche nach der Uhr war, aber wussten sie auch, dass sie über Liam bescheid wusste?

Heute Nacht würde sie endlich einen Ausweg aus ihrer Situation finden oder komplett verzweifelt sein. Gut, dass das Versteck beim Astronomieturm war, dann konnte sie auch gleich vom Turm springen, sollte die Uhr doch nicht hier sein. Sie schüttelte den Kopf, um diese Gedanken herauszubringen.


Edith zeigte ihnen stolz ihr Kleid in einem schicken Altrosa und fragte, ob sie ihre gelockten, blonden Haare hochstecken sollte oder nicht. Kim posierte in ihrem türkisfarbenen Kleid für ein paar Fotos, sie hatte ihr langes braunes Haar zu einem Kranz auf dem Kopf geflochten. Robyn und Mary-Ann hatten den Schlafsaal schon früher verlassen in ihren Festkleidern und das letzte Mädchen aus ihrem Schlafsaal war für die Ferien nachhause.

"Die Champions müssen Ball eröffnen", erzählte Edith, während sie Wellen in Lyssas Haare machte. "Und ich bin sehr gespannt, was das Beauxbaton-Mädchen tragen wird."

"Sie ist so hübsch", meinte Kim.

"Atemberaubend", stimmte Edith ihr zu. "Aber ich denke, sie hätte etwas Besseres verdient als Roger Davies. Ich habe gehört, er hat mit seiner letzten Freundin schluss gemacht, weil er auf Fleur aus war. Wieso hast du eigentlich nie Liam Gray gefragt?"

Lyssa runzelte die Stirn, Edith war eindeutig eine Person, die nichts von Stille hielt.

"Ich sehe ihn mehr als Freund, außerdem ist er nicht mein Typ", erwiderte sie und hoffte, das Thema zu beenden. Kim kam mit zwei eben gemachten Bildern von ihr zu ihnen und fragte, welches sie Richard, ihrem Muggelfreund, schicken sollte.

"Hast du ihr schon das Geschenk gegeben?", fragte Edith und die andere Slytherin warf ihr einen bösen Blick zu.

Schließlich kramte sie ein kleines Päckchen unter ihrem Bett hervor und überreichte es Lyssa. "Von uns beiden."

Überrascht und gerührt packte Lyssa eine Haarspange aus. Sie war in der gleichen Farbe wie ihr Kleid und ein paar Steinchen hingen an Schnüren daran herunter.


Die Große Halle war kaum wiederzuerkennen. Lyssa hatte sie schon oft zu Weihnachten gesehen, aber das war kein Vergleich. Es sah aus wie ein funkelndes Wunderland aus Schnee und Eis. Nachdem die drei Champions den Ball eröffnet hatten, füllte sich die Tanzfläche mit Schülern der drei Schulen und auch vereinzelten Lehrern. Dumbledore tanzte mit Madame Maxime von der französischen Schule, Professor Black tanzte mit Professor McGonagall, bevor diese ihn überraschend elegant zu Mr Lupin am Rand der Tanzfläche drehte und sie lachend zusammen weiter machten.

Die drei Slytherinmädchen tanzten ausgelassen zu ein paar der Lieder, dabei hielt Lyssa Ausschau nach Liam. Glücklicherweise war er auch hier.

"Ich gehe mir etwas Punsch holen", meinte sie an die anderen beiden gerichtet, ohne den Ravenclaw aus den Augen zu verlieren.

"Kannst du mir auch ein Glas mitbringen?", fragte Edith, bevor sie und Kim ihr Gespräch fortsetzten, wo genau Durmstrang lag, wenn sie beschlossen nach Schottland mit dem Schiff zu kommen.

Lyssa nickte, auch wenn sie nicht vorhatte, die Bitte je zu erfüllen, bevor sie sich an den Leuten vorbeidrängte. Am Eingang der Großen Halle blieb sie noch kurz stehen und blickte zurück. Auf der Tanzfläche konnten sie Ginny und Neville erkennen, die etwas ungeschickt herumwirbelten, Fred und Georges sprachen gerade mit einem Gast und Krum war tatsächlich mit Hermine hergekommen, die unglaublich hübsch aussah in ihrem blauen Kleid. Doch ihr letzter Blick galt Liam, der sich gerade ausgelassen mit einem Mädchen aus Durmstrang unterhielt. Dann trat sie von der lärmigen Halle in kühlen Vorraum und je weiter sie die Treppe hochging, desto gedämpfter wurden die Geräusche.

Sie traf nur vereinzelte Leute auf den Fluren, einige von ihnen Pärchen, die wohl auf der Such nach einem stillen Plätzchen waren. Lyssa hätte ihnen ja die Nische beim Verwandlungszimmer empfohlen, aber vielleicht war bereits Mary-Ann mit dem Freund ihrer Schwester da.

Die Steinchen ihrer Haarspange klackerten leise gegeneinander, als sie die letzten Stufen hochsprang und die schlichte Tür mit dem bronzenen Türklopfer in Form eines Adlers vor sich sah.

Während sie sich noch überlegte, ob sie den Türklopfer verwenden sollte oder einfach auf jemand anderes warten sollte, wurde ihr die Entscheidung abgenommen und ein paar Schüler traten hinaus.

Lyssa machte eine Bewegung, als wäre sie gerade die Treppe hochgekommen und hielt den Leuten die Tür auf, als würde sie hier hergehören. Entweder interessierten sich die Schüler nicht für sie oder es war zu dunkel, um genauere Gesichter zu erkennen, jedenfalls machten sie keine Anstalt, Lyssa zu stoppen, sie hielten nicht einmal an, sondern nickten nur ein kurzes Danke in ihrer Richtung für das Offenhalten der Tür.

Der Ravenclaw-Gemeinschaftsraum war ein runder, luftiger Raum, ganz anders als der Slytherin-Gemeinschaftsraum, der auch wegen seiner Lage im Untergrund manchmal etwas beengend sein konnte. Der Raum war glücklicherweise leer, und Lyssa warf der Marmorstatue von Rowena Ravenclaw mit ihrem Diadem einen kurzen Blick zu, bevor sie die Tür zu den Schlafsälen öffnete. Schnell hatte sie den für die Jungen aus der Siebtenklasse gefunden.

Leise drückte sie die Tür hinter sich zu und kontrollierte, dass nirgend die Vorhänge zugezogen waren oder jemand in einem der Betten lag, bevor sie eine Lichtkugel in die Mitte des Raumes gleiten ließ.

Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte, aber die Hauselfen waren definitiv nicht hier gewesen in den letzten Stunden. Überall lag Kleidung herum, neben einem Bett sogar ein offenes Buch und auf einer Kommode eine geöffnete Tube Zahnpasta.

Aber die Slytherin musste sich nicht durch das Chaos wühlen, sie wusste nicht einmal, welches Bett Liams war. Sie hob den Zauberstab: "Accio Stern."

Es passierte nichts ... verdammt.

Sie atmete tief durch. "Accio Stern!" wiederholte sie mit fester Stimme und blickte sich im Raum um. Beinahe hätte sie im schwachen Licht Bewegung im Baldachin bei einem der Betten nicht gesehen.

Sie schob die Kiste am Fußende des Bettes herum und stand darauf. Gut in dem dicken blauen Samt eingebettet konnte sie etwas spüren, das eindeutig die Form eines Sternes hatte. In ihrem Baum explodierte ein Feuerwerk von Freude.



Ich habe versucht den Mädchen möglichst verschiedenfarbige Kleider zu geben, weil ich es immer etwas klischeehaft und übertrieben finde, wenn die Charaktere immer nur Kleider in der Farbe ihres Hauses tragen.

Jagd durch die ZeitWhere stories live. Discover now