Kapitel 73 - Laskina

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Laskina schreckte hoch und stieß dabei unsanft gegen Generis Arm, der davon ebenfalls aufwachte. 

„Ist alles in Ordnung?", fragte er, aber Laskina antwortete nicht. Nur langsam kamen die Erinnerungen zurück und ihr wurde bewusst, dass Ethonis fort war. Noch immer sah sie ihn leblos vor sich liegen, einen Pfeil tief in seiner Brust. 

Ihre Kehle wurde eng, doch dann hörte sie ein Geräusch, wahrscheinlich war sie deswegen aus dem Schlaf gerissen worden. 

Panisch sprang sie auf und sah in Richtung das Sees, woher das Geräusch eindeutig gekommen war. Es war wie ein tiefes, dumpfes Dröhnen, das ihr durch Mark und Bein ging. Als sie sah, was da aus dem Wasser kam, stolperte sie und fiel unsanft auf den Boden. Nun war auch Generis auf den Beinen, half ihr auf und sah sie panisch an. 

„Was hast du gesehen?", fragte er, stellte sie wieder auf die Füße und sah nun ebenfalls in Richtung des Wassers. Er legte die Hand schützend über die Augen, um die Sonne abzuhalten, dann zuckte auch er zurück. 

„Dort sind auch die anderen! Schnell, wir müssen zu ihnen", rief er aus, packte sie unsanft am Arm und zerrte sie in Richtung des riesigen Orcas, der in einiger Entfernung am Ufer des Sees gestrandet war. 

Laskina stolperte, doch erst da wurde ihr bewusst, was Generis gesagt hatte. Die anderen? Meinte er damit etwa Atimis und seine neuen Verbündeten? 

„Generis", sagte sie, doch anstatt zu antworten hob er sie hoch und schleuderte sie mit einer geübten Bewegung auf seinen Rücken. Er rannte so schnell, dass sie sich Halt suchend an ihm festklammern musste, um nicht herunter zu fallen. 

Sie starrte in die Richtung, in die sie liefen und endlich erkannte sie, dass dort, am Ufer in unmittelbarer Nähe des Orcas, auch Atimis und diese Androidin standen, ein wenig hinter ihnen die beiden Schlangen. 

Laskinas Herz schlug ihr bis zum Hals, denn auch wenn der Orca riesig und angsteinflößend aussah, schien er sich mit Atimis zu unterhalten. 

„Was... was hat das alles zu bedeuten?", fragte sie mehr sich selbst als Generis, aber dennoch antwortete er ihr. 

„Das werden wir gleich erfahren. Halt dich fest", sagte er und beschleunigte noch mehr. Laskina spannte die Muskeln an und klammerte sich an Generis fest, bis er endlich bei den anderen ankam und seine Schritte verlangsamte. 

„Kosiris", rief er und erst da schienen die anderen sie zu bemerken. Alle Blicke wandten sich auf sie und Laskina erzitterte, als Atimis Blick den ihren traf. Er sah vollkommen ausdruckslos aus, so als würde er nur mit Mühe seine Gefühle unterdrücken können. Doch er blieb, wo er war, dicht neben der Androidin. 

„Generis, da seid ihr ja. Wo ist Ethonis?", fragte Kosiris, während er näher auf sie zukam. Sofort krampfte Laskinas Herz sich zusammen und sie spürte, wie sie von Generis Rücken zu fallen drohte. Er legte schützend einen Arm um sie und ließ sie langsam hinunter, bis sie auf wackligen Füßen dastand. Generis druckste herum, bis er tief durchatmete und entschlossen den Kopf hob. 

„Er ist tot. Er wurde Opfer einer Überfalls", sagte Generis und endlich sah sie in Atimis Augen eine Gefühlsregung. Allerdings konnte Laskina nicht erkennen, ob es Mitleid oder Genugtuung war. Kosiris senkte für eine Sekunde den Kopf, doch dann sprach er weiter. 

„Ihr seid gerade noch rechtzeitig gekommen. Atimis und Rilsa werden mit Ikinngut zu den Meereslebewesen aufbrechen und ihnen erklären, warum sie die Flutwelle auslösen. Tessina und ich warten, bis dies geschehen ist und werden dann die übrigen Hohen Menschen töten", sagte er und Laskina glaubte, in einen Abgrund zu fallen. 

Sie wollten es also tatsächlich so weit kommen lassen. Sie wollten ihr Leben zerstören und das vieler Hoher Menschen noch dazu. Kopfschüttelnd sah sie zu Atimis, der den Blick abwandte und stattdessen auf den Boden sah. 

Laskinas Herz brach noch einmal. Sicherlich hatte sie selbst die Entscheidung getroffen, Atimis zu verlassen, aber ihn so kalt und abweisend zu sehen, traf sie hart. 

„Bring Laskina in Sicherheit zu den anderen Niederen Lebewesen und wenn du kämpfen willst, stoße wieder zu uns", sagte Kosiris und zu ihrer Verwunderung nickte Generis. 

„In Ordnung. Sie gehört nicht hier her. Sie ist in Trauer um Ethonis", sagte Generis, was Atimis mit einem Schnauben kommentierte. Sie beobachtete, wie Rilsa, die Androidin, nach seiner Hand griff und sie drückte. Was sollte das? 

„Atimis...", brachte Laskina hervor und sah, wie Atimis reflexartig den Kopf zu ihr umwandte, noch immer Rilsas Hand in seiner. 

„Es tut mir leid, dass dein Verbundener tot ist. Aber er hat recht, du gehörst nicht hier her. Bring sie weg von hier. Wir haben keine Zeit mehr", sagte Atimis und wandte sich mit seinen letzte Worten direkt an Generis. Dieser nickte, bugsierte sie wieder auf seinen Rücken und eilte davon. 

Laskina sah noch einmal über die Schulter und sah, wie Rilsa Atimis Gesicht in die Hände nahm und ihn küsste. Ein Keuchen entfuhr ihr, gleichzeitig kam sie sich ungemein heuchlerisch vor. Sie durfte sich in Ethonis verlieben, nachdem sie ihre Beziehung zu Atimis beendet hatte und nun störte es sie, dass er sich genau so in jemand anders verliebt hatte? Ihre Brust wurde eng und sie wünschte sich, einfach hier im Gras lieben bleiben zu können, bis all der Schmerz vergangen war. 

„Laskina, halt dich fest", riss Generis sie zurück ins Hier und Jetzt und instinktiv gehorchte sie. Sie spürte, wie Generis Atem schneller wurde, aber er verlangsamte seine Schritte erst, nachdem sie schon ein ganzes Stück gerannt waren. Im Schutz des hohen Grases wurde er langsamer und kam allmählich wieder zu Atem. 

„Wieso schmerzt mein Herz, wenn ich Atimis mit einer anderen sehe?", fragte sie sich selbst und erst als Generis sich räusperte, wurde ihr bewusst, dass sie es laut ausgesprochen hatte. 

„Nun, du hast ihn verlassen. Er hat jedes Recht dazu, sich ein neues Leben aufzubauen und sich neu zu verlieben", sagte Generis und ihr entging keineswegs, dass er missbilligend klang. 

Laskina fühlte sich miserabel. Sie verstand ihre Gefühle ja selbst nicht mehr. Auf einmal drängte sich eine unangenehme Vorstellung in ihr Hirn. Wo wäre sie nun wohl, wenn sie Atimis nicht verlassen hätte? 

Womöglich wäre alles so wie es noch vor einem Jahr war. Aber vielleicht wäre Atimis auch von den Elstern zu Tode gefoltert worden, da er die Missstände nicht mehr ausgehalten hätte. Vielleicht wäre sie auch genau hier, wenn Atimis sich trotz allem dem Untergrund angeschlossen hätte. Ein Seufzen entfuhr ihr, denn sie würde es niemals erfahren. 

Der Biss der SchlangeOù les histoires vivent. Découvrez maintenant