Kapitel 6

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Dieser Junggesellenabschied brachte Jungkook an seine Grenzen.

Das war eindeutig.

Sein Körper war ständig in einem Kampf-oder-Flucht-Modus und auf Dauer war es einfach nur anstrengend.

Er hatte noch nicht einmal eine Nacht überstanden und jammerte schon.

Er nippte bereits seit einer halben Stunde an seinem Glas, brachte aber keinen Schluck hinunter. Der Geschmack von künstlicher Kirsche und zehn anderen Früchten brannte viel zu stark in seinem Hals und er hasste, hasste, hasste den Beigeschmack. Aber der Cocktail war der einzige alkoholfreie, also unterdrückte er sein Würgen und auch das Gefühl, nach einem Joint zu fragen. Jungkook und Yoongi waren die einzigen in der Gruppe, die regelmäßig rauchten. Namjoon hatte zwar hin und wieder einen Zug probiert, aber so wirklich angetan hatte es ihm nicht.

Niemand hinterfragte, dass er keinen Alkohol trank, aber nie nein zu Gras sagte. Niemand außer Taehyung und Yoongi wussten von dem Problem seines Vaters, und er hatte auch nicht vor, es noch jemanden zu sagen. Nicht, weil er den anderen nicht vertraute, sondern, weil er sich schämte. Und so etwas zuzugeben—

Es war schwer.

Er würde gerade alles tun, um das entspannende Gefühl von einem Joint zu fühlen, der ihm erlaubte, all seine Gefühle für eine kurze Zeit zu ignorieren und einfach nur zu existieren. Stattdessen saß er hier und starrte mit verzwickter Miene in sein Getränk, welches von Sekunde zu Sekunde ekelhafter auf ihn wirkte.

"Willst du was anderes? Dein Gesicht ist so verzwickt, dass ich denken könnte, du hättest in eine Zitrone gebissen", murmelte Yoongi leise neben ihm.

"Nein", sagte Jungkook schnell. "Ich will keine Umstände machen."

"Wenn du etwas anderes willst, musst du es sagen."

"Ich weiß."

"Schmeckt es dir nicht? Was ist da drin, dass du so schaust?", hackte Yoongi weiter nach.

"Kirsche", sagte Jungkook langsam. "Es ist schon okay. Ich trinke das aus. Das waren über 13.000 Won."

"Aber wieso solltest du es austrinken, wenn du es nicht willst—"

Weil das Leben so ist, dachte Jungkook. Man bekommt nicht immer das, was man will, und man muss sich mit dem, was man hat, zufriedenstellen.

"Was ist denn?", unterbrach Jimin das Gespräch. Jungkooks Lippen nippten sofort an dem Glas und er schüttelte den Kopf. Er würde sich nicht beschweren. Er brachte schon genug Unordnung in diesen Ausflug.

"Nichts, bei dir?", sagte er schnell und versuchte, nicht das Gesicht zu verziehen. "Es ist alles in Ordnung."

Jimin blickte auf sein Getränk, dann in sein Gesicht. Er verstand sofort. "Du magst das Getränk nicht?"

Jungkook grummelte und zuckte dann mit den Schultern. "Ich glaube nicht, nein." Er seufzte entschuldigend. "Aber ich werde es austrinken, gib mir ein paar Minuten und ich—"

"Wieso sagst du denn nichts?", seufzte Jimin und nahm Jungkooks Getränk aus seinen Händen. Innerhalb einer Sekunde hatte Jimin das Getränk ausgetrunken, ohne einmal abzusetzen. Nicht ein Muskel hatte bei ihm gezuckt—nichts. "Dir ist es erlaubt, deine Meinung zu sagen, Jungkook. Wir wollen dich zu nichts zwingen. Wir wollen nur—das hier soll Spaß machen, okay? Das ist keine... keine Bestrafung." Seine Mundwinkel zeigte nach unten. "Der Cocktail war übrigens schrecklich. Kein Alkohol und Kirschgeschmack. Bah."

Yoongi pfiff leise.

"Es tut mir leid. Es ist nur sehr—sehr ungewohnt. Ich—" Ihm fehlten die Worte, er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Er wollte doch einfach nur ein normales Gespräch mit Jimin führen. Ein Gespräch, das nicht geprägt war von Unbehagen, passiv Aggressivität und unerträglichen Stillen.

The Light We Lost [VKOOK]Where stories live. Discover now