3. Kapitel

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Es vergingen ein paar Sekunden, in denen seine Lippen an ihrem Ohr ruhten, bevor er sich mit einem neutral wirkenden Gesichtsausdruck von ihr löste und wieder den Weg an uns vorbeilief, den er gerade ein paar Minuten zuvor gekommen war. Meine Augen folgten ihm einen kurzen Moment, bis er hinter mir verschwand, und Phoebe und ich wieder alleine waren.

„Was hat er gesagt?", fragte ich leicht verwundert, nachdem ich meine Aufmerksamkeit zu ihr zurückgerichtet hatte und erneut nach meinem Glas griff, um einen weiteren Schluck daraus zu nehmen.

„Das willst du nicht wissen", entgegnete sie und nahm ebenfalls einen weiteren Schluck. Während sie sprach, legte sich erneut ein kleines Schmunzeln auf ihre Lippen, bevor sie den Rand des Glases damit umschloss.

„Offensichtlich will ich das, sonst hätte ich nicht gefragt", antwortete ich mit Nachdruck. In ihren Augen lag jetzt ein gewisser Glanz, ein Funkeln, das mich beunruhigte. Ich sah ihr deutlich an, dass ihr dieser Typ gefiel. Die leichte Röte an ihren Wangen verriet sie sofort.

Für einen kurzen Augenblick hielt sie inne und dachte über ihre nächsten Worte nach. „Ein vielversprechender Abend, wenn ich mit ihm gehe und meinen Klotz am Bein loswerde", brachte sie schließlich hervor. Freundlich..

„Bitte sag mir nicht, dass du wirklich darüber nachdenkst." Etwas fassungslos, und die leicht beleidigende Aussage bezüglich des Klotzes am Beins ignorierend, schüttelte ich meinen Kopf, als ich sah, wie ihre Augen schon wieder von mir abdrifteten. Aufgrund ihres Blickes wusste ich die Antwort bereits, bevor sie sie aussprach.

„Doch, schon."

Wegen der Tatsache, dass Phoebe mittlerweile ziemlich betrunken war, hatte ich das Gefühl, dass sie sich gerade einem besonders hohen Risiko aussetzte, eine dumme Entscheidung zu treffen. In diesem Fall bestand die Gefahr darin, die Nacht mit einem Kerl zu verbringen, den sie nicht kannte und der mit Drogen dealte...

„Und was genau erwartest du dir davon?", fragte ich sie erneut und legte meine Hand auf ihr Knie, in der Hoffnung, so ihre Aufmerksamkeit zurückzugewinnen. Ein unangenehmes Gefühl machte sich in mir breit. Es fühlte sich so an, als hätte sie bereits eine Entscheidung getroffen, von der ich sie nicht mehr abbringen konnte.

„Keine Ahnung. Etwas Aufregendes. Abwechslung. Etwas, das nicht schon wieder bedeutet, nur mit meiner Schwester in einer Bar zu sitzen", antwortete sie daraufhin und richtete ihren Blick wieder auf ihr Glas vor sich. Ich kannte meine Schwester so gut, dass ich wusste, dass sie die Dinge, die sie sagte, anders meinte, als sie sie aussprach.

„Ich kann dich verstehen, Phoebe. Wirklich. Du bist jung und willst etwas erleben, aber du tendierst leider dazu, schlechte Entscheidungen für dich zu treffen. Und mit diesem Typen zu gehen, ist definitiv eine schlechte Entscheidung. Ich möchte nicht, dass du das am Ende bereust", sagte ich und strich ihr nun mit meiner Hand über die weiche Haut an ihrem Bein.

Innerlich betete ich, dass sie die Intention hinter meinen Worten verstand. Es ging nicht darum, ihr jeglichen Spaß im Leben zu nehmen weil ich ihn ihr nicht gönnte. Sie war die wichtigste Person in meinem Leben, und ich hatte Angst, sie zu verlieren, wenn ich es nicht tat.

„Du kannst mich aber nicht mein Leben lang vor allem beschützen, was du als gefährlich ansiehst. Ich will und muss meine eigenen Erfahrungen machen, und das musst du akzeptieren. Wir haben Gravecliff nicht verlassen, um hier ein Leben zu führen, in dem wir weiterhin gefangen sind. Dir steht es frei, vorsichtig zu sein, aber das ist nicht das, was ich mir für mein Leben wünsche. Und ich bitte dich von ganzem Herzen, mich meine eigenen Erfahrungen machen zu lassen, statt sie mir vorzuenthalten", antwortete sie mit ernster Stimme, als sie ihren Blick wieder von ihrem Drink aufgerichtet hatte und mir zurück ins Gesicht sah. Ihre Augen wurden ganz glasig, als diese Worte ihren Mund verlassen hatten. Sie war bei dem Thema nach wie vor genauso emotional wie ich.

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