31. Kapitel

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Blake

Als Mavis sich endlich in Bewegung setzte, um meiner Aufforderung nachzukommen, wendete ich meine Aufmerksamkeit von Carter ab, um sie auf sie zu richten. Mit langsamen Schritten und gesenktem Blick ging sie an mir vorbei und in mein Büro. Nachdem ich ebenfalls hinter ihr in den Raum getreten war, blieb sie abrupt stehen. Dann drehte sie sich zu mir um und richtete den Fokus ihrer Augen fast hilfesuchend an mir vorbei, aus dem Raum hinaus, als wäre dort etwas, das sie aus dieser Situation retten könnte. Als ich die Tür allerdings hinter mir mit einem dumpfen Knall schloss, sah sie mich an.

„Ich... Ich wusste nicht, dass du...", stotterte sie mit dünner Stimme. Doch bevor sie den Satz beenden konnte, unterbrach ich sie. Ich wusste sofort, was sie sagen wollte, und ich wollte, dass sie ihre Klappe hielt.

Der Blick in ihren Augen zeigte mir, dass sie genau wusste, wie schlecht meine Laune war und dass sie Angst davor hatte, in dieser Situation zu sein. Zu recht, denn es fuckte mich ab, nach meiner Pause zurück in den Laden zu kommen und als Erstes zu hören, dass sie den letzten Job versaut hatte.

„Setzen", forderte ich sie ernst auf und deutete in die Richtung des Sessels gegenüber meines Tisches. Eine Anweisung, die klar und unmissverständlich war, weshalb es mich rasend machte, als ich sah, dass sie stockte. Also machte ich einen Schritt auf sie zu und umgriff mit meiner Hand ihren Hals. Eine Berührung, die sie erschrocken keuchen ließ. Ihr schneller Puls hämmerte spürbar gegen meine Handfläche. Dann drängte ich sie bestimmt einige Schritte rückwärts in die Richtung des Sessels, wo ich wollte, dass sie sich hinsetzte. Als sie ungewollt ein paar Schritte nach hinten stolperte und darauf Platz nahm, ließ ich sie los.

Sofort riss sie ihren erschrockenen Blick von meinem los und richtete ihn eingeschüchtert auf den Boden. Dann ging ich an ihr vorbei, durch den Raum und hinüber zur Bar. „Sollte man es da, wo du herkommst, nicht drauf haben, Anweisungen zu vollster Zufriedenheit zu befolgen?", fragte ich und füllte mir etwas in ein Glas, bevor ich einen Schluck davon nahm. Eine Frage, die ich bewusst gewählt hatte, um ein weiteres Mal das Thema aus Paris aufzugreifen, das wahrscheinlich eine Rolle in ihrer Vergangenheit gespielt hatte.

Mit meinem Glas in der Hand wendete ich mich erneut in ihre Richtung, um sie anzusehen. Ihren eben noch eingeschüchterten Blick hatte sie mittlerweile wieder aufgerichtet und starrte, ohne etwas auf meine Aussage zu antworten, vor sich. Ihre Hände hatte sie gefaltet in ihren Schoß gelegt, und das leichte Wippen ihres Fußes hörte schlagartig auf, als sie meine Bewegung aus dem Augenwinkel bemerkte. „Bedauerlich, dass du das wieder verlernt hast", fügte ich hinzu, und lief dann mit entspanntem Schritt auf meinen Schreibtisch zu, um mich dahinter in meinen Sessel zu setzen. Mit ihren Augen folgte sie mir nun.

„Ich habe keine Ahnung, wovon du redest", sagte sie schließlich mit festerer Stimme als zuvor, nachdem ein weiterer Moment vergangen war, in dem ich sie stumm angesehen hatte. Es war beeindruckend, wie schnell sie sich, auch wenn es für mich offensichtlich war dass sie es tat, einer Situation anzupassen versuchte. Obwohl sie Angst hatte und unsicher war, spielte sie brav ihre Rolle, in der sie es nicht war. Es war fast schade, dass sie sich umsonst diese Mühe machte..

„Ich rede davon, dass du deinen verfickten Job nicht richtig gemacht hast. Ein einfacher Job mit einer noch einfacheren Regel", blaffte ich wütend und pendelte mit meinem Blick zwischen ihren Augen hin und her. Ich spürte deutlich ihren Impuls wegzusehen, was sie allerdings nicht tat. „Falls diese Art der Arbeit zu schwer für dich ist, werde ich etwas anderes für dich finden. Irgendwas sagt mir, dass du dich gut in der Kundenbetreuung machst. Nur vermute ich, wirst du dir danach diese Art der Arbeit hier zurückwünschen", fügte ich hinzu und nahm erneut einen Schluck meines Drinks.

Ich wusste, dass Mavis das Gefühl hatte, in der Hölle zu sein, und dass es nicht schlimmer werden konnte, weshalb sie sich so wenig kooperativ zeigte. Etwas, das in mir das Bedürfnis weckte, sie für eine Weile tatsächlich durch die Hölle gehen zu lassen, damit sie an den Punkt kam, wo sie erkannte, dass es sie doch um einiges schlimmer treffen konnte als jetzt. Dass ich sie zwingen konnte, das zu erleben, vor dem sie sich so fürchtete, und das sogar, ohne dass ich einen Finger rühren musste.

Ohne dass sie etwas sagen musste, erkannte ich an ihren leicht glasigen Augen und dem schweren Schlucken, dass sie mich deutlich verstanden hatte. Dass sie wusste, was ich mit der Betreuung meiner Kunden meinte. Dies war der Moment, in dem sie ihren Blick von meinem abwendete.

„Es ist erfreulich zu sehen, dass du jetzt, anders als eben, genau weißt, wovon ich spreche", entgegnete ich, nachdem ich sie für einen Moment stumm betrachtet hatte. Es wirkte so, als würde sie von Sekunde zu Sekunde immer mehr zu zerbröckeln beginnen. Als würde das Harte, das sie um sich herum aufgebaut hatte und versuchte aufrecht zu erhalten, sichtbar immer mehr von ihr abfallen, wodurch sich das drohte zu offenbaren, was sie von Beginn an vor mir versteckte. Ihr schwaches und weiches Inneres...

„Das tu ich. Kann ich jetzt gehen?", fragte sie, ohne ihren Blick wieder zu mir aufzurichten. Ihre Stimme zitterte erneut, als stünde sie unter Spannung, was verständlich machte, warum sie so unbedingt aus dieser Situation herauswollte. Sie drohte die Kontrolle über sich zu verlieren.

„Nein", antwortete ich knapp und nahm einen weiteren Schluck von meinem Drink, ohne meine Aufmerksamkeit von ihr zu lösen. „Ich sehe, wie sehr du gerade mit dir selbst kämpfst. Wenn du jetzt gehst, verpasse ich das spannende Ende, an dem du entweder verlierst oder gewinnst", ergänzte ich kühl. Ich wusste, dass ich unsensibel war, und wie an jedem anderen Tag auch, war es mir egal.

„Fick dich", fauchte sie daraufhin und richtete ihren Blick wieder zu mir auf. Ein Blick, der nicht mehr länger so verzweifelt und schmerzlich wirkte wie zuvor, sondern jetzt eher so aussah, als wollte sie mir an die Gurgel springen, wenn sie könnte. Ich musste zugeben, dass ich amüsieren und überraschen wäre, wenn sie das tun würde.

„Wie war das?", stellte ich die Frage ernst an sie zurück und stellte mein Glas auf den Tisch. Ihre Augen folgten der Bewegung meiner Hand, aber fanden dann sofort zu meinen zurück. Ich hatte ihre Worte verstanden und wusste, dass es die Wut war, die aus ihr sprach. Dennoch wollte ich mich vergewissern, ob sie den Mut aufbringen und sie wiederholen würde.

Als Mavis daraufhin nur ihre Lippen aufeinander presste, statt die Worte ein weiteres Mal auszusprechen, war mir klar, dass sie es nicht tun würde. „Dachte ich mir", fügte ich ihrem Schweigen hinzu und nickte kurz, während ich ein weiteres Mal zwischen ihren Augen hin und her wanderte. Die Wut, die sie gerade verspürte, hatte sie offensichtlich davor bewahrt, den emotionalen Zusammenbruch zu erleiden, von dem ich gehofft hatte, dass sie ihn erlitt..

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