25. Kapitel

140 14 5
                                    

Blake 

Mavis' schweres Schlucken bestätigte mir, dass sie deutlich verstand, was ich ihr mit meiner Aussage zu verstehen geben wollte. Auch wenn ich sie bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht umgebracht hatte, würde ich es tun, wenn sie mir einen Grund dafür gab. Und der Versuch, mich umzubringen, wäre einer. Es wäre so einfach für mich, ihren zierlichen Körper zu zurichten und ihr Leben zu beenden. Ein Leben, an dem sie offensichtlich ohnehin nicht sonderlich hing.

Sanft strich sie sich über ihr Handgelenk, während sie ihren Blick, der zunehmend von Unsicherheit und Angst geprägt war, von mir löste. Es schien, als ob sie sich innerlich zurückzog, um eine Distanz zu gewinnen, die ihr auf physischer Ebene nicht möglich war, weil ich es nicht zuließ.

Ich musste zugeben, dass es mich beeindruckte, was für ein Bild sie von sich zu inszenieren versuchte, wenn sie vor mir stand. Ich nahm an, ein Bild, das fern von der Realität und ihrer Vergangenheit lag. Ein Blick in ihre Augen verriet, dass sie die ganze Nacht geweint hatte. Sie empfand Traurigkeit und Verzweiflung, aber brachte vor mir nur Wut zum Ausdruck, als wollte sie mich im Glauben lassen, dass sie weder Traurigkeit noch Verzweiflung empfand. Sie hatte ihre Gefühle bis zu einem gewissen Punkt fest im Griff.

„Da du offensichtlich keine gute Nacht hattest, werde ich heute auf dich verzichten. Ich will aber, dass du hier im Hotel bleibst, verstanden?", sagte ich bestimmt, nachdem ich einen kurzen Blick auf meine Uhr geworfen hatte. Es nervte mich, dass sie müde und emotional war. Eine Verfassung, in der ich sie nicht gebrauchen konnte..

-


„Sagt dir der Name Declan Montague etwas?", fragte Carter und sah mich an, nachdem sein Blick kurz der Kellnerin gefolgt war, die ihm einen neuen Drink hingestellt hatte.

„Nein", entgegnete ich knapp und nahm einen Schluck von meinem, bevor ich meinen Arm auf der Lehne des Sessels ablegte, auf dem ich saß.

„Er hat auch mal vor ein paar Jahren mit Valentin zusammengearbeitet. Macht sein Geld mit Ketamin und Nutten. Sitzt in Luzern und hat Kontakte in den deutschsprachigen Raum", erklärte er und lehnte sich ebenfalls entspannt zurück. Der übertriebene Stolz der Franzosen, der verhinderte, dass sie der englischen Sprache mächtig waren, ermöglichte es uns, uneingeschränkt über das Geschäft zu unterhalten, während wir in einer gut besuchten Bar saßen.

„Auch nach Berlin?"

„Keine Ahnung", antwortete er und zuckte kurz mit den Schultern. „Aber er wäre an einer Zusammenarbeit interessiert."

„Ich überlege es mir. Ich arbeite ungerne mit präpotenten Wichsern, die ihr Geld mit Nutten verdienen", gab ich wieder und richtete meinen Blick für einen Moment in meinen Drink. Auch im illegalen Drogenbusiness gab es Menschen, die mehr Klasse als andere besaßen.

„Wenn es dir darum geht, könnte es schwierig werden, jemanden zu finden, dessen Ware sich ausschließlich auf Drogen beschränkt. Denn du weißt, wie groß die Konkurrenz ist. Bei den wenigsten läuft es so gut wie bei dir", sagte Carter erneut.

„Tu ich", erwiderte ich und exte den Rest meines Drinks, bevor ich das leere Glas vor mich auf den Tisch stellte.

„Warum hast du den Deal mit Valentin nicht gemacht?", fragte er, nachdem seine Augen der Bewegung meines Glases gefolgt waren.

„Du weißt, wie wichtig der eigene Ruf ist, Carter. Und meinen werde ich mir nicht durch die Arbeit mit einem Kerl versauen, der minderjährige Mädchen fickt und sie dann verkauft", antwortete ich ehrlich und sah ihn wieder an. Denn auch wenn es einen Mangel an Moral und Skrupel in diesen Kreisen gab, gab es gewisse Dinge, die einen inneren Widerstand in den Menschen auslösten. Ein schlechter Ruf war ein Todesurteil, genau wie eine schlechte Ware.

„Das hätte es nicht. Es ist ein anderer Ring und nicht bekannt. Darauf kommt keiner, der nicht Teil davon ist", versicherte er und schüttelte dabei überzeugt seinen Kopf.

„Mavis ist drauf gekommen", antwortete ich ernst, was ihn für einen Augenblick nachdenklich stocken ließ.

„Hat sie das gesagt?", fragte er. Der Ausdruck in seinem Gesicht wirkte nun verwundert.

„Ja, aber nicht zu mir, sondern zu ihm", sagte ich.

„Vielleicht hat sie geraten", entgegnete Carter, nachdem er einen Schluck aus seinem Glas nahm und für einen kurzen Moment über meine Worte nachgedacht hatte.

„Ja, vielleicht."

Bevor das Treffen mit Valentin seinen Lauf nahm, führten wir ein äußerst aufschlussreiches Gespräch, das mich zu der Vermutung brachte, dass sie nicht einfach nur geraten hatte. Die Tatsache, dass sie ihm gefiel und die Annahme, dass wir ins Geschäft kommen würden, ließ ihn etwas über sie spekulieren. Über die möglichen Kreise, aus denen sie kommen könnte. Kreise, die er kannte und in denen er sich aufhielt, was ihm erklärte, woher sie auf Anhieb wusste, dass er ein Mädchen bei sich hatte.

Der Ausdruck in ihrem Gesicht und der Ton in ihrer Stimme, als sie mich danach fragte, um was für eine Ware es sich bei Valentins Geschäften handelte, zeigte mir, dass sie es wusste. Das und all die Dinge, die er mir über den Mädchenhandel erzählte, ließen sich auf Mavis anwenden, was mir erlaubte, mir ein stimmigeres Bild von ihr zu machen. Besonders ihre derartige Angst und Abwehrreaktionen auf mögliche Berührungen machten nun einen Sinn. Trotz allem hatte ich keine Gewissheit darüber, bis zu dem Punkt, an dem ich die vernarbten Buchstaben auf ihrer Haut sah, als sie auf der Terrasse schlief. Thrall. Ein mächtiges Wort, dass sie sich nicht selbst auf der Haut verewigt haben wird. Ein Wort, das Aufschluss über ihre dunkle Vergangenheit gab und von der ich wissen wollte...

Meine Gedanken begannen durch meinem Kopf zu rattern, als ich zurück in die Suite gekommen war und mein leicht vom Alkohol verschwommener Blick durch den schmalen Spalt der Schiebetür in das große Badezimmer unserer Suite fiel. Dort, in der Dunkelheit, saß Mavis mitten in der Badewanne. Ihr Rücken war in Richtung der Tür gewendet und ihre Arme stützten auf ihren aufgestellten Knien, während sie ihren Blick aus dem großen Glasfenster, über das beleuchtete Paris gerichtet hatte. Die Lichter von draußen waren die einzige Quelle, die sie in eine kleine Menge an Helligkeit tauchten. 

Obwohl ich außer ihrem nackten Rücken nichts von ihrem Körper sehen konnte, spürte ich, wie mir das Blut innerhalb von Sekunden in den Schritt floss. Ihr Anblick, gemischt mit dem Alkohol in meinem Organismus, reizte meine Nerven so unbeschreiblich, dass ich das erste Mal ernsthaft darüber nachdachte, mir einfach das zu nehmen, was ich wollte. Sie gegen ihren Willen zu vögeln sollte im ersten Moment zwar ein Schock sein, aber nichts, an das sie sich nicht auch wieder gewöhnen würde.

„Es sieht aus, als hättest du eine gute Zeit da in der Badewanne", stellte ich fest, nachdem ich die Tür ein paar Zentimeter weiter aufgeschoben hatte.

„Die habe ich, also bitte ruiniere es nicht", antwortete sie, ohne ihren Blick von dem Fenster abzuwenden und mich anzusehen.

Next to Coke and Joy DivisionWhere stories live. Discover now