𝙻𝚘𝚢𝚊𝚕𝚝𝚢 & 𝚃𝚛𝚞𝚜𝚝 - 𝒩𝒶𝓂𝒢𝒾

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Leise summend mit geschlossenen Augen nickte der 20-Jährige mit dem Kopf auf und ab und das im Takt der Melodie, die er gerade über seine Kopfhörer hörte. Es befreite ihn von all den Lasten, die er in seinem Inneren spürte. Es fühlte sich an, als wenn jede einzelne Note, jeder einzelne Klang ein Teil seines Schmerzes nehmen und davontragen würde. Was am Ende dann damit geschah, war ihm egal, aber das Gefühl war fast schon berauschend. Es ließ in ihm eine Wärme entstehen und heilte jede noch so kleine Wunde für den Moment. Vermutlich war das auch einer der Gründe, warum man Min Yoongi niemals irgendwo ohne seine Musik antreffen würde. Manchen hatten sich dafür auch schon bei ihm beschwert. Laut ihnen sei es unhöflich, Musik zu hören, wenn man mit Menschen sprach, doch was blieb dem jungen Mann denn übrig. Seine Alternative war es, dass er mit gar niemanden mehr sprach. Er würde allen und jedem aus dem Weg gehen, vorausgesetzt, er würde die Wohnung verlassen. Denn das war etwas, was ihm mit am schwersten viel.

Er konnte nicht unter Menschen gehen, ohne gleich Angst zu verspüren, und das schränkte ihn enorm ein. Er traf niemanden und begann somit mehr und mehr in seiner Fantasiewelt zu versinken. Er stellte sich Freunde vor, wie sie mit ihm lachten und diskutierten. Das reichte ihm eigentlich schon aus. Er wollte gar nicht wirklich mit Menschen in Kontakt sein, er wollte Zuhause sein und gegen die Einsamkeit hatte er ja auch schon was gefunden. Doch so sehr er mit dieser Lösung auch zufrieden war, so konnte es am Ende nicht bleiben. Er war im Anschluss zu Therapien gegangen, doch diese hatten ihm nichts gebracht. Er musste also selbst kreativ werden und das trug am Ende Früchte. Seine Lösung war genial.

Musik.

Es gab sie fast überall und er fiel damit nicht mal auf. Klar war er dann unhöflich, doch war er auch nicht anders als andere junge Erwachsene in seinem Alter. Er fühlte sich mit der Lösung – mit der Musik – zum ersten Mal normal. Sie beschütze ihn, ohne dass es jemand mitbekam, und das führte letztendlich dazu, dass er auf einen gewissen silberhaarigen jungen Mann mit Grübchen traf.

Die Begegnung vor einem Monat war eher ein Zufall, ja für ihn fast schon ein Unfall und zuerst musste Yoongi sich bewusste werden, dass er zu diesem Zeitpunkt wirklich in Person auf der Straße und nicht nur in seinem Kopf mit den Freunden unterwegs war.

Er saß in einem Café, etwas, was vor zwei Monaten noch undenkbar für ihn war, und hörte wie sonst immer Musik. Er war gerade sehr stolz auf sich gewesen. Er hatte es geschafft, etwas zu bestellen, ein Kuchen, um genauer zu sein, und dass ohne einen Fehler oder sich über die Kalorien Gedanken zu machen. Er wurde von der Verkäuferin nur lieb angelächelt, sie hatte die Bestellung aufgenommen und würde sie zu ihm an den Platz bringen. Dabei wurde er weder angeschrien noch ausgelacht und das war für ihn sehr viel wert. Nicht zu selten hatte er nämlich das Gefühl, dass er einfach das Schlechte anzog. Er wurde immer ohne erkennbaren Grund angeschrien, doch an diesem Tag lief alles glatt, zumindest bis er an der Schulter angetippt wurde und unmännlich geschrien hatte. Er hatte sich wirklich erschreckt und die Angst, die er so krampfhaft unterdrückt hatte, kroch in ihm rauf. Seine Beine begannen wieder zu zittern und er spürte schon, wie ihm gleichzeitig heiß und kalt wurde. Er hatte Angst. Seine mühsam aufgebaute Ruhe war mit einem Schlag weg und der deutlich größere Mann machte es nicht wirklich besser. Nein, im Gegenteil, er machte es noch schlimmer und dass, obwohl er freundlich lächelte. Vielleicht war es auch das, was er so schlimm fand. Denn egal, wie die Menschen normalerweise waren, sie hatten dem Schwarzhaarigen bis jetzt immer Schade zugefügt.

„Ist da noch frei?"

Es war eine normale Frage gewesen und doch ließ sie den Kleineren erzittern. Noch heute konnte er diesen Moment nachempfinden, wenn er wie jetzt daran zurückdachte. Seine Antwort darauf hatte die ganze Situation auch nicht besser gemacht. Er war nämlich aufgestanden und wollte dem Fremden den ganzen Zweiertisch überlassen, doch kam eben in genau dem Moment sein bestellter und bezahlter Kuchen. Yoongi hatte schon damit gerechnet, einen bösen Kommentar zu hören, stattdessen bat ihn der Mann jedoch, dass er sich wieder setzte und bestellte fast im selben Atemzug ein Stück des gleichen Kuchens.

O͚N͚E͚S͚H͚O͚T͚S͚ /ᵇᵗˢ/Where stories live. Discover now