𝚃𝚊𝚝𝚝𝚘𝚘 & 𝙵𝚕𝚘𝚠𝚎𝚛𝚜 - 𝒴ℴℴ𝓃𝒦ℴℴ𝓀

180 21 24
                                    

Leise zu der Melodie im Radio mitsummend begann Yoongi wie jeden Morgen damit, die Blumen, die er gerade auf dem Großhandel erworben hatte, durchzugehen und feinsäuberlich aufzubereiten. Er war Florist und hatte somit einen Weg eingeschlagen, den niemand aus seiner Familie für guthieß. Blumen wurden in der Gesellschaft immer weniger an Beachtung geschenkt und somit war das Geschäft auch nicht wirklich lukrativ. Doch es machte ihm unglaublich viel Spaß, erfüllte ihn mit Freude. Für seinen Lebensunterhalt reichte es aus und somit ignorierte er all die Bedenken seines Umfelds. Es war sein Leben und wenn er das machen wollte, dann würde er es machen. Auch wenn es ihm selbst immer wieder traurig stimmte, dass seine Familie mit dem wenigen Einkommen und mangelndem Interesse der Bevölkerung recht hatte.

Er konnte es nicht nachvollziehen. Was war denn so schlimm daran, mal eine Blume zu kaufen. Sie musste ja nicht mal eine tiefere Bedeutung haben, aber eine Blume machte das Heim doch viel wohnlicher und brachte Abwechslung in die sonst so leblose Umgebung. Sie konnte sogar einen schönen Duft verbreitet, doch all das wollte keiner mehr.

Heutzutage zählte nur, wie viel Geld die Inneneinrichtung gekostet hatte und wie viel an neuem elektronischen Zeug man hatte. Es ging nur noch um Statussymbole, und wenn man nicht mithalten konnte, wurde man für einen schlechten oder bemitleidenswerten Menschen gehalten. Ja, manchmal dachten sie auch, man sei dumm, weil man nicht so viel Geld verdiente, doch sagte das Gehalt am Ende gar nichts über den Menschen, dessen Charakter und Wert aus.

Aber was konnte Yoongi schon sagen. Er war Florist und gehörte somit der untersten Schicht der Gesellschaft an. Nicht selten bekam er bemitleidenswerte Blicke der reichen Geschäftsmänner zugeworfen, die bei ihm in den Laden kamen und sich einmal im Jahr bemühten, für ihre Frau daheim am Hochzeitstag einen Blumenstrauß zu besorgen. Manchmal meinten sie auch, dass er als Verkäufer sein Potenzial verschwendete. Er war recht hübsch und hätte vermutlich auch was in der Modeindustrie erreichen können, doch sagte das dem 27-Jährigen überhaupt nicht zu. Ihn interessierte Mode so gar nicht. Er trug jeden Tag aufs Neue die grüne Schürze und darunter Kleidung, die billig, aber bequem war. Es war ihm egal, wie teuer die Kleidung war, solange sie ihm passte und bequem war. Häufig trug er auch unterschiedliche Socken, die nicht zu einem guten Ansehen beitrugen, doch war er schlichtweg zu faul, sie zusammen in Pärchen zu halten.

Er musste in seinem Job immer sehr früh aufstehen und da hatte er keine Zeit, passende Sockenpaare zu finden. Das ganze Jahr über stand er auf, wenn es draußen noch dunkel war, um die schönsten Blumen beim Großmarkt ergattern zu können. Denn in der Branche galt das Sprichwort ‚Der frühe Vogel fängt den Wurm.'

Der Schwarzhaarige hatte einmal den Fehler gemacht und verschlafen. An dem Tag hatte er nur noch die Reste zu Gesicht bekommen, die andere Verkäufer ihm übriggelassen hatten. Seitdem stand er immer als erster vor den Toren des Großhandels und wartete jedes Mal, bis sie endlich öffneten. Andere Menschen würden es nicht verstehen, doch Yoongi machte es gerne. Es gehörte zu seinem Job, den er liebte und somit nahm er auch das frühe Aufstehen in Kauf.

Sträuße bereitete er aus Prinzip nicht vor. Die Gäste wussten das und konnten sich somit in Ruhe Blumen aussuchen, die sie im Strauß haben wollten und Yoongi dann für sie vorbereitete. Er wollte damit der Hektik vorbeugen, die er bei anderen Verkäufern gesehen hatte. Natürlich verlor er so auch Kundschaft, doch fand er es viel persönlicher, wenn sich die Menschen richtig mit ihrer Wahl auseinandersetzten und nicht einfach in das Geschäft kamen, sich ein Gesteck schnappten, weil die Frau es Zuhause erwartete und ohne auch nur ein wenig Hingabe wieder verschwanden. Der 27-Jährige empfand es als kalt und herzlos. Der Zauber der Pflanzen ging somit komplett verloren und sie waren nur noch ein Mittel zum Zweck.

Der Blick des Ladenbesitzers huschte kurz zu der Uhr über dem Tresen, als er die Tuberose, mit der er soeben beschäftigt war, in die Auslage stellte.

O͚N͚E͚S͚H͚O͚T͚S͚ /ᵇᵗˢ/Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt