53. beide Sichten

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Ophelias Sicht: 

Marvin hatte die Zurückweisung nicht besonders gut aufgenommen. Stattdessen hatte er mich sitzenlassen, sobald er gemerkt hatte, worauf ich hinauswollte. Und ich hatte ihn gehen lassen. Ich war kein Fan von Freundschaften nach gescheiterten Datingversuchen. Deshalb hatte ich es gar nicht erst vorgeschlagen. 

Aber es gab etwas, auf das ich mich freute. Das mich die letzten zwei Stunden erstaunlich gut verdrängen ließen. 

Aeron. 

Ich hatte den Drang jetzt direkt zu ihm zu gehen. Vielleicht sollte ich zuerst duschen? Wer wusste schon worauf unser Treffen hinauslaufen würde? Duschen wäre also vermutlich gar nicht so schlecht. Ich grinste, bis ich sah, dass jemand auf dem Haus der Veranda meiner Mutter saß. Lotte. Meine Schritte wurden langsamer, bis ich schließlich stehen blieb und sie von ein paar Meter Entfernung betrachtete. 

Sie sah Aeron nicht nur optisch ähnlich. Auch die Art, wie sie sich die Haare zurückstrich, wie sie sich mit den Armen hinter sich abstützte. Wie sie sich bewegte. Aber anders als Aeron war ihr Gesicht immer voller Emotionen. Warm und offen. Sie lächelte sogar ein wenig, während sie einfach vor sich hinstarrte. 

Anders als Aeron, war sie nicht gebrochen. 

Ich gab mir einen Ruck und verdrängte das ungute Gefühl, das mich daran erinnerte, dass ich ihr irgendwann sagen musste, was zwischen Aeron und mir war. >> Hey, ich hatte beinahe vergessen, dass du vorbeikommen wolltest. << 

Bei meinen Worten sah Lotte auf und blickte mir entgegen. Sie hatte mich gefragt, ob sie nach der Schule mit zu mir kommen konnte, doch ich hatte ihr erzählt, dass ich Marvin traf. Und jetzt saß sie auf meiner Veranda und wartete alle, Anschein nach auf ein Update. Sie lächelte und griff nach meiner Hand, um mich die Stufen hochzuziehen. 

>> Willst du reinkommen? <<, fragte ich und schloss die Haustür auf. 

>> Klar. << 

Ich ließ ihr den Vortritt. Vielleicht war das der Moment. Vielleicht sollte ich ihr jetzt erzählen, dass dort etwas zwischen ihrem Bruder und mir war. Etwas in mir sträubte sich. Doch besser früher als später, oder?

Ich wollte gerade hinter ihr eintreten, als ich eine Autotür zuschlagen hörte. Ich warf einen Blick in die Richtung und blieb wie versteinert stehen, als ich Bel sah, die ihr Auto abschloss, dass sie vor Aerons und Lottes Haus geparkt hatte. Dann lief sie mit großen Schritten auf das Haus zu. 

Ich blinzelte betroffen und zog die Tür hinter mir zu. Ich wollte nicht sehen, wie Aeron sie begrüßte. Während ich Lotte in mein Zimmer führte, ordnete ich meine Gedanken. Deshalb hatte ich Cam nichts von der Sache erzählt. Das war es, was ich meinte, wenn ich davon sprach, dass Aeron so sprunghaft war. 

Letzte Nacht schlief er mit mir, heute traf er Bel. 

Dann musst du Lotte immerhin nichts davon erzählen, sagte mir ein kleiner Teil, doch mir war auf einmal furchtbar übel. Wie taub setzte ich mich auf mein Bett. Ich fühlte mich wie im Unterricht, nach einem Referat, wenn die Lehrerin danach Fragen stellte. Lotte fragte und ich antwortete, doch eigentlich wollte ich es einfach nur hinter mich bringen. Das Thema abschließen. In diesem Fall hieß das Thema Aeron.

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Meine Augen tränten. Ich saß auf dem Boden der riesigen Regendusche und strich mit den Händen beruhigend meine Beine hoch und runter. Ich blinzelte. Meine Augen tränten... So schlimm ich mich innerlich fühlte, war es immerhin ein Fortschritt, oder? Das war körperlich die größte Gefühlsregung, die ich seit Jahren hatte. 

Ich schloss die Augen und legte den Kopf auf den Knien ab. Wieso traf Aeron Bel? Mir warf er vor, dass ich mich mit Marvin traf, lange bevor wir miteinander geschlafen hatten. Jetzt traf er jemand anderen? Gott, das Gefühl in mir war schrecklich. Ich wollte das nicht fühlen, aber ich wusste nicht, was ich dagegen tun konnte. 

Ich hatte keine Freundinnen hier, mit denen ich darüber reden konnte. Außer Lotte hatte ich eigentlich gar keine Freundinnen hier. Und mit Cam hatte ich auch nicht drüber gesprochen. Langsam zählte ich meine Atemzüge, während das Wasser weiter auf mich runterprasselte.

Aerons Sicht:

Mir war übel. Ich war gerade nach Hause gekommen, weil ich es nicht ausgehalten hatte bei Eric zu übernachten. Nicht wen Jasper und Gale da waren. Nicht, wenn ich nicht aufhören konnte, an Ophelia zu denken. Was dachte sie sich überhaupt dabei? Bevor ich mich zurückhalten konnte, drückte ich mich von meinem Bett hoch und zog mir einen Hoodie über. 

Neben der Tatsache, dass ich sie einfach gerne sehen wollte, obwohl ich sie heute bereits gesehen hatte, wollte ich von ihr wissen, was das sollte. Es war, als würde ich durch sie anfangen meinen Selbstwert zu erkennen. Das ich eine Erklärung dafür verlangte, wenn ich mich ungerecht behandelt fühlte. Anstatt mich zurück zuziehenund selbst zu bemitleiden. 

Als ich aus dem Haus lief, hörte ich Lotte und Valeria in der Küche, was bedeutete, dass Ophelia allein sein musste. Allein oder dieser Marvin war vorbeigekommen. Und kniff die Augen zusammen, als ich zu ihrem Haus rüber lief. 

AERON - Vom Tod geküsstTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon