8 - Betrunkene Rentiere

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Cornelius traut sich noch zwei weitere Male von meinem Hausdach zu springen. Ich bin unendlich stolz auf ihn und knuddele ihn gegen seinen Willen so fest, bis er kaum noch Luft bekommt und unverständliche Grunzgeräusche von sich gibt.

„Für heute reicht es mit der Angstbewältigung", erlöse ich das Rentier mit einem zufriedenen Lächeln. „Wenn wir jeden Tag ein bisschen üben, bist du schon bald schwindelfrei. Du kannst wirklich stolz auf dich sein!"

Cornelius nickt und grinst dabei. Wären seine Wangen nicht mit Fell bedeckt, würden sie bestimmt von einem zarten Rotschimmer geküsst werden.

„Zur Feier des Tages zaubere ich uns jetzt ein leckeres Abendessen!", verkündet Alfred euphorisch.

„Oh ja!", erwidern die Rentiere und ich wie aus einem Munde.

Da Sam noch immer damit beschäftigt ist, den Schlitten zu reparieren, stören wir ihn nicht bei seiner Arbeit und gehen ohne ihn zurück ins Haus. Während Alfred, Rudolph und Cornelius in der Küche verschwinden, kuschele ich mich mit Otto und Bernd aufs Sofa.

Ein paar Minuten schweigen wir, bis ich mich neugierig bei ihnen erkundige: „Seid ihr zwei eigentlich zusammen? Also so ganz offiziell? Als Pärchen?" Ich kann mich erinnern, dass Sam gestern etwas von einer Freundschaft erwähnt hat, aber das kann ich beim besten Willen nicht glauben.

Kaum sind meine Fragen laut ausgesprochen, senken die beiden Rentiere verlegen den Blick. Außerdem entknoten sie ihre Hufe und halten kein Händchen mehr.

Oh man, das ist ein eindeutiger Fall für Liebesdoktorin Shaileen!

„Ihr seid ein süßes Paar", versuche ich den beiden Mut zu machen, sich zu öffnen. „Es ist toll, wie glücklich ihr ausseht, wenn ihr zusammen seid."

Ganz langsam und vorsichtig hebt Otto seinen Kopf. „Du findest uns also nicht komisch?", vergewissert er sich.

„Nein, natürlich nicht!", antworte ich schnell. „Es gibt nichts Schöneres als die Liebe!"

Nun schaut mich auch Bernd an. Seine Zahnlücke blitzt hervor, als er frech von mir wissen möchte: „Sprichst du etwa aus Erfahrung, Shay?"

Uff. Ich wünschte, es wäre so, aber leider bin ich nie über das zweite Date hinausgekommen. Der einzige Mann, der mir ein gutes Gefühl gibt und meinen Körper mit Wärme flutet, steht gerade in meinem Garten und werkelt an einem Schlitten herum. Ach ja, und er ist wahrscheinlich Santa höchstpersönlich.

Da ich nicht über mein eigenes Liebesleben sprechen möchte, das im Grunde genommen überhaupt nicht existiert, frage ich Bernd und Otto: „Habt ihr Angst, dass euch Sam und die anderen Jungs weniger mögen würden, wenn ihr ihnen sagt, dass ihr ein Paar seid?"

Ihr betretenes Schweigen ist Antwort genug.

Dann ist es wohl an der Zeit, meine Predigt à la Wir leben im 21. Jahrhundert auszupacken.

„Davor müsst ihr wirklich keine Angst haben", versichere ich ihnen. „Sam, Alfred, Rudolph und Cornelius würden sich riesig für euch freuen. Insgeheim wissen sie sowieso schon alle, dass da mehr zwischen euch läuft. Im 21. Jahrhundert ist das auch überhaupt nicht mehr schlimm!"

„Ach ja?" Otto sieht überrascht aus. „Woher sollen sie das denn wissen?"

Ich lache. „Na ja, sie haben euch schon ein paar Mal beim Knutschen und Knuddeln erwischt."

Meine Antwort scheint Otto nicht auszureichen, denn er schnaubt abfällig. „Guten Freunden gibt man ein Küsschen", plappert er den Slogan aus der Ferrero-Küsschen-Werbung nach. Wo er den aufgeschnappt hat? Keine Ahnung.

Santa is a GentlemanWhere stories live. Discover now