12 - Unter dem Mistelzweig

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Nach dem Einkaufen im Supermarkt geht es mir schon viel besser. Ich habe wieder einen kühlen Kopf und kann klare Gedanken fassen. Yeah, endlich bin ich kein hormongesteuerter Psycho mehr!

Während Sam damit beschäftigt ist, seinen Schlitten zu reparieren, fordere ich Rudolph zu einer Revanche Rentier-ärgere-dich-nicht heraus, die ich haushoch verliere. Außerdem schaue ich einen Weihnachtsfilm mit Bernd und lasse mir von Alfred zeigen, wie er seine berühmtberüchtigte Lasagne zubereitet. Ach ja und ich helfe Cornelius nochmal dabei, seine Höhenangst zu bezwingen.

Die Zeit vergeht wie im Flug und ehe ich mich versehe, ist es schon 19:30 Uhr am Abend. Wow, so kurz hat sich ein Tag noch nie angefühlt.

„Shay?" Otto stupst mich vorsichtig mit seiner Schnauze an. „Du sollst mal kurz nach draußen zu Sam gehen."

„Ich?", wiederhole ich überrascht. „Was möchte er denn von mir?"

Otto schnaubt belustigt. „Das wird er dir dann schon sagen."

Ich streiche mir nervös die schwarzen Haarsträhnen hinter das Ohr, ehe ich in meinen Olaf-Hausschuhen den Garten betrete. Draußen ist es dunkel und kalt. Zum Glück spendet meine Außenbeleuchtung genug Licht, damit ich Sam und den Schlitten in der Finsternis erkennen kann.

Begleitet von meinem hämmernden Herzen stapfe ich durch den Schnee. Noch bevor ich den Schlitten erreicht habe, hebt Sam seinen Kopf und kommt mir entgegengelaufen. Das süße Lächeln, das seine Lippen umspielt, lässt meine Knie weich wie Wackelpudding werden, sodass ich kurzzeitig befürchte, das Laufen verlernt zu haben.

Hoffentlich mache ich jetzt keinen Bauchklatscher in den Schnee!

„Hey Shay." Sam kommt vor mir zum Stehen. Er greift vorsichtig nach meiner Hand und verflechtet unsere Finger miteinander. „Ich habe eben durch Zufall deine reizende Nachbarin Mrs. Miller getroffen."

Was? Ich spüre, wie mir meine Gesichtszüge entgleisen und jegliche Farbe aus meinen Wangen weicht.

Bestimmt weiß Sam jetzt, dass ich ihn als meinen Freund ausgegeben habe und möchte mich deshalb zur Rede stellen. Ob mir so schnell noch eine glaubwürdige Rechtfertigung einfällt? Ich bezweifele es.

„Sie hat mir von dem Weihnachtsmarkt erzählt, der dieses Wochenende in der Stadt aufgebaut ist", fährt Sam fort. Seine braunen Augen leuchten aufgeregt, als er mich fragt: „Hast du Lust, dass wir dort gleich zusammen hingehen? Ich war schon lange nicht mehr auf einem Weihnachtsmarkt."

Äh ... Spielen mir meine Ohren mal wieder einen Streich oder hat er mich das gerade wirklich gefragt?

Ich muss dreimal blinzeln, bis ich realisiere, dass ich mir Sams Worte nicht bloß eingebildet habe.

Halleluja! Er möchte mit mir auf den Weihnachtsmarkt gehen? Gott, eine schönere Frage hätte er mir gar nicht stellen können.

„Ja! Natürlich! Super gerne!"

„Schön." Sam strahlt mit den Sternen am Himmelszelt um die Wette. „Dann nichts wie los!"

Ich ziehe mich ausgehtauglich an - meine Olaf-Hausschuhe sind nämlich vom Schnee durchnässt - zeige den Rentieren, wie sie Netflix nach Filmen durchstöbern können und verlasse dann gemeinsam mit Sam das Haus. Als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt verknoten wir unsere Finger miteinander und stapfen händchenhaltend durch den Schnee.

Da sich mein Haus etwas außerhalb auf dem Land befindet und es zu Fuß zu lange dauern würde, fahren wir mit dem Bus in die Stadt. Es wäre mir peinlich, das laut vor Sam zugeben zu müssen, aber es ist das erste Mal, dass ich die Innenstadt sehe. Seit ich hier lebe, habe ich mein Haus immer nur dann verlassen, um zum Supermarkt zu fahren.

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