kapitel eins - freya

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Mein Chat bemerkt, dass ich abgelenkt bin, kaum, dass ich beginne, nervöse Seitenblicke in die spärlich bewachsenen Blattkronen der Rotbuchen zu werfen, die meine kleine Ruheoase von allen Seiten umfrieden.

»Warum schielst du die ganze Zeit so angespannt zur Seite?«, lese ich den Chatbeitrag von platoon_23, von dem ich nach zwei Monaten zuverlässigem Erscheinen zu allen meinen unseligen Streams inzwischen weiß, dass er Oleg heißt.

»Weil dort oben im Blattwerk ein ganzer Schwarm Kohlmeisen sitzt«, beantworte ich seine Frage, obwohl es für jeden der beiläufig vorbeischlendernden Parkgeher so wirken muss, als würde ich höchst lebhafte Selbstgespräche mit meinen zwei Handys – in Wahrheit mein mobiles Stream-Setup – führen. »Und es nun mal so ist, dass Vögel es total auf mich abgesehen haben.«

Während Oleg irgendwo in Vladivostok in seinem nachtdunklen Zimmer Gebrauch von seiner Kommentarfunktion macht und eine Antwort ins Chatfeld tippt, rupfe ich eine Weintraube vom üppigen Büschel ab, das ich vor einer Stunde im Billa beim Praterstern gekauft habe.

Ich bemerke sofort, dass das ein Fehler war, denn die Population vorwitziger Kohlmeisen, die ich alleine durch Blicke und kosmischen Flehen zu bannen versuche, fühlen sich von dieser werbereifen Zurschaustellung der prallen Billa-Weintrauben augenscheinlich provoziert. Der offensichtliche Schwarmführer blickt mich geradewegs an und legt seinen unförmigen, fedrigen Vogelkopf schief, ganz so, als wolle er mir mitteilen, dass er gleich seinen Anspruch auf meine Weintrauben geltend machen wird.

Ich wende mich wieder meinem Stream zu – meinen ganzen vier Zuschauern, die alle in unterschiedlicher Regelmäßigkeit bei meinen visionären, aber selbstüberschätzenden und daher dem Untergang geweihten Streams vorbeischauen. Aimee, meine zweitälteste Zuschauerin (zweieinhalb Monate), hat irgendwann einmal gesagt, dass auf einen meiner Streams zu klicken, etwas von einer Partie russischem Roulette hat. Nur sind die Patronenkammern mit den Auswüchsen meiner spätnächtlichen Brainstorming-Produkte gefüllt; etwas, dem man unter Umständen wohl tatsächlich eine 9mm-Kugel vorziehen würde.

Oleg hat inzwischen seine Antwort getippt. Sie taucht vor dem dunklen Chathintergrund auf: Was haben Vögel gegen dich?

»Was Vögel gegen mich haben?«, frage ich und lächle müde. »Ich hab über die Jahre einfach gelernt, sie als Omen zu sehen. Ihr müsst verstehen, jedes Mal, wenn ich einen Schwarm Vögel sehe, dann passiert irgendetwas Unvorhergesehenes. Und ich hasse Überraschungen.«

Diesmal muss ich nicht lange auf eine Antwort warten. Es ist Klara, meine zurückhaltendste, aber spendabelste Zuschauerin, die mich fragt: Was zum Beispiel?

»Einmal war ich in Tirol bei meiner Tante«, beginne ich freimütig zu erzählen, weil ich weiß, dass freimütiges Erzählen für einen Streamer die Elementarste aller Jobgrundlagen darstellt. »Und ich hatte gerade ein neues Handy zum Geburtstag bekommen, als ich-«

Kleine StreunerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt