9. Chancen auf Spaß: 13%

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Wir betreten den Pavillon im Park, welcher als Café und Eisdiele fungiert. Ein süßer Duft steigt mir in die Nase und da bereits Abend wird, sind zu meinem Glück nur wenige Menschen in der niedlichen Eisdiele. Wir setzen uns weit nach hinten in eine kleine Ecke und bestellen Eis und Knabberzeugs.

Chris ist aufgrund des verlorenen Spiels sichtlich niedergeschlagen. Seine Schulter hängen tief und sein Blick wandert immer wieder nachdenklich zu Boden. Meine Versuche, ein Gespräch zu beginnen, enden mit einem achtlosen „Hmm" seinerseits.

Ich habe ihn gefragt, ob wir das Date verschieben sollen, aber er verneinte. Was sich als Fehler herausstellt, denn die Stimmung ist kälter als das Eis, das wir stillschweigend schlecken.

Chris stochert mit seinem Strohhalm in seinem Getränk und starrt Löcher in die Luft. Nicht gerade das, was ich mir unter unserem Date vorgestellt hatte...

»Alsoooo...«, säusel ich, um eine Unterhaltung zu beginnen, »wie lange spielst du schon Football?« Kaum habe ich meine Frage ausgesprochen, bereue ich es. Immerhin ist er wegen Football so niedergeschlagen und ich Dummie frage danach.

Allerdings ist meine Sorge unbegründet. Chris sieht auf und antwortet: »Hmm, gespielt habe ich schon immer, aber in einem Team bin ich erst seit der Highschool.«

»Wirklich, warum nicht schon früher?«, frage ich interessiert nach und Chris kommt nun etwas hinter seiner Mauer hervor.

»Davor habe ich nur mit meinem Dad gespielt. Dann wurde mein Dad befördert und er hatte wegen der Arbeit keine Zeit mehr. Um weiter spielen zu können, bin ich meinen Kumpels in das Footballteam gefolgt.« Die schlechte Laune kehrt in sein Gesicht zurück und ich bemerke Trauer in seinen Augen. Über seien Vater zu sprechen, heiterte ihn nicht gerade auf.

»Sorry, wenn ich da einen wunden Punkt getroffen habe...«, entschuldige ich mich vorsichtig.

»Schon gut... ich muss mich entschuldigen. Das ist bestimmt nicht das Date, das du dir vorgestellt hast.« Er lächelt müde.

»Wir können es ja verschieben«, schlage ich vor. Wenn er so wortkarg war, würde ich nichts über ihn herausfinden, das Lilly helfen könnte.

Doch Chris verneint sogleich: »Nein, ich reiß mich jetzt zusammen. Erzähl mir etwas von deiner Familie.«

Da ich diese Frage erwartet habe, habe ich mir Tage zuvor eine passende Geschichte für Alison zusammengereimt. »Nunja, meinen Vater kenne ich nicht, ich habe keine Geschwister und wir sind gerade hergezogen, weil meine Mom hier einen neuen Job in einer großen Firma bekommen hat.«

Um mich nicht in Widersprüche zu verstricken, versuche ich, so nah wie möglich an der Wahrheit zu bleiben. Meinen Vater habe ich tatsächlich nie kennengelernt und meine Mom arbeitet auch wirklich in einer internationalen Firma. Chloe lasse ich bewusst weg, um Alisons Hintergrund so einfach wie möglich zu gestalten.

»Du Arme. Ich beschwere mich schon, wenn ich meinen Vater Wochen nicht sehe, weil er arbeitet, aber du hast nicht einmal einen.« Er presst die Lippen aufeinander und sieht mich mitleidig an.

Ich lache aber nur. »Ach, halb so wild. Ich bin's ja gewohnt.«

Nun lächelt auch Chris, allerdings ist das Mitgefühl aus seinem Blick verschwunden. Er legte den Kopf schief und betrachtet mich interreliert.

Ich werde etwas rot, was ihn aber nur noch mehr grinsen lässt.

Und so sitzen wir schweigend, einander anschmachtend nebeneinander. Ich nippe an meinen Shake und er beginnt ein anderes Thema, allerdings verschlucke ich mich dabei.

Dadurch, dass ich mich selbst erschrocken habe, klebt etwas Schlagsahne auf meiner Nase, die ich zuerst nicht bemerke.

»Du hast da etwas Sahne«, weist mich Chris freundlich hin, nachdem mein Hustenanfall nachgelassen hat. Schnell nehme ich mir die Serviette und wische mir von Links über die Nase.

»Ja, aber da ist noch etwas.« Erneut wische ich mir die Nase ab.

»Besser?« Ich beginne peinlichberührt zu lachen.

»Nein, noch nicht ganz, weiter am Mund. Warte...« Chris legt seine Hand an mein Gesicht und wischt mir das letzte bisschen Schlagsahne von der Wange.

Kurz verweilten wir so und unsere Blicke verankern sich. Ich merke, wie mein Herz schneller schlägt. Ich muss wieder rot geworden sein, denn Chris zieht seine Hand schnell weg, was mich aufatmen lässt.

Auch wenn ich froh bin, dass der seltsam intime Moment vorbei ist, bin ich unsicher wie ich darauf reagieren soll. Warum bringe ich mich auch in eine Situation, in der soziale Fähigkeiten von großen Vorteil sind?

Um die peinliche Stille zu brechen, macht mir Chris ein Kompliment: »Du siehst übrigens super aus. Wie immer eigentlich.«

»Danke, du auch«, antworte ich und lache gezwungen. Verdammt, wie unangenehm. Schweigen ist definitiv die bessere Option als peinlicher Smalltalk.

»Ich weiß, man macht das eigentlich nicht...«, unterbricht Chris die Stille. Oh nein, was will er jetzt sagen? »Immerhin, ist das unser erstes Date, aber...«

Ja, nein, toll, oh nein oder okay? Was soll ich antworten? Vielleicht soll ich ihn zuerst fertigsprechen lassen.

»Möchtest du mich nächsten Freitag auf die Party von Harvey Hilton begleiten?«

»Ämm...« Ich stocke, da mich diese Frage doch etwas überrascht hat. Natürlich hätte es schlimmer kommen können, aber was soll ich darauf antworten? Bisher wurde auf diesem Date kaum gesprochen und meine Mission ist somit nicht erfüllt.

Ein zweites Treffen mit Chris, nur um ihn auszuquetschen, ist noch unmoralischer als dieses Date. Wenn allerdings auf dieser Party Alkohol fließt, wäre er gesprächiger und vielleicht wird es sogar lustig. Obwohl die Chance, mich wirklich zu amüsieren, bei schwachen 13 % liegen.

Spätestens als Chris scherzhaft »Ich akzeptiere kein Nein« sagt, habe ich meine Entscheidung getroffen.

»Chris hör zu. Du bist wirklich cool und ich freu mich, dass ich dich kennen lernen durfte, aber-« Weiter komme ich nicht, denn er unterbricht mich.

»Bevor du jetzt absagst, darf ich noch ein Schlussplädoyer halten? Ich bin gerne in deiner Nähe. Keine Ahnung warum, aber bitte gib mir länger Zeit, um es herauszufinden, und begleite mich auf diese Party.« Flehend presst er die Handflächen aufeinander und sieht mich mit Hundeblick an.

Ich habe nicht gedacht, dass Chris um 2. Chancen betteln würde. Eher, dass er seinem Bad-Boy Image treu bleibt und sich nie wieder bei mir meldet.

Bei Chris' Anblick kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen.

»Nein. Das hast du nicht gemacht?«, stottert Chris ungläubig, als er bemerkt, dass ich ihn auf dem Arm nehmen wollte. »Bitte sag mir, dass du mich nicht verarscht hast?«

»Na gut, ich habe dich nicht verarscht«, gebe ich zu, wohl wissend, dass das nicht die Antwort ist, die Chris erwartet hat.
»Ämm, nein... So habe ich das nicht gemeint.« Er grinst, doch schlägt sich mit der Hand auf seine Stirn. Er nimmt einen tiefen Atemzug, bevor er seine Frage erneut stellt. »Willst du mit mir auf Harveys Party gehen? Ich würde mich sehr freuen.«

Amüsiert nicke ich. »Ja, ich begleite dich gerne.«

Triumphierend ballt er eine Faust, doch lächelt daraufhin verlegend. »Alison, du bringst mich um meinen Verstand.«

»Ach, daran gewöhnt du dich noch«, gebe ich selbstsicher zurück.

Me, my Lover and I ✔️Where stories live. Discover now