Kapitel 6

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Valentina

Ich blätterte die nächsten Seiten durch. Morina hatte Recht gehabt. Vito war der Boss. In gewisser Weise stand er an der Spitze der ganzen Organisation.

Ich erkannte seine Mitarbeiter, die bei der Führung der Organisation halfen. Mario Moretti diente als sein Consigliere. Ich hatte ihn auf unserer Hochzeit gesehen; er war Vitos Trauzeuge. Wie Vito wirkte er emotionslos.

"Ich bin verwirrt", flüsterte ich mir zu.

Dann ging ich zu den anderen Mitgliedern über, die als Caporegimes bezeichnet wurden. Das waren hochrangige Mitglieder der Verbrecherfamilie, die für rangniedrigere Mitglieder zuständig waren. Ich entdeckte Andreos Namen als einen von Vitos Caporegimes, und direkt unter seinem Namen stand der von Morina.

Unfähig, meine Gedanken zu kontrollieren, stand ich auf und hinterließ eine Markierung an der Stelle, an der ich aufgehört hatte zu lesen. Es gab auch Hintergrundinformationen über andere Familien, die mit der Familie Moretti befreundet sind. Sogar diese musste ich kennen und verstehen.

Ich konnte immer noch nicht glauben, dass Vito aus einer solchen Familie stammte. Oft kenne ich sowas nur aus Filmen, und ich muss sagen, dass es leider keine guten Menschen sind.

Ich war auf dem Weg in die Küche, um mir etwas zu trinken zu holen, als ich mich daran erinnerte, was mein Vater mit mir anstellen würde. Selbst das Holen von Wasser würde ihn wütend machen.

Instinktiv umklammerte ich den Türgriff und schloss die Augen, um die hässlichen Erinnerungen an Ihn zu verdrängen.

"Ma'am?"

Ich zuckte zusammen und wich zurück, fast wollte ich darum bitten, dass Sie mich nicht verletzt, weil ich dachte, die Person, die mich berührte, sei mein Vater.

Die Haushaltshilfe, die nach mir rief, sah überrascht aus. Sie hatte wohl nicht mit meiner Reaktion gerechnet.

Ich beruhigte mich. Ich musste mich daran erinnern, dass ich nicht in unserem Haus bin, und mein Vater nicht hier ist. Solange ich hier bin, kann er mir nichts antun.

"Sind Sie okei Ma'am?" fragte sie.

Ich zwang mich zu einem Lächeln, um die Angst zu verbergen, die mit den Gedanken und Erinnerungen aufgestiegen war. "Ich bin okei. Es tut mir leid, ich erschrecke mich nur leicht." Ich blickte auf den Kühlschrank und zeigte auf ihn. "Ich wollte etwas Wasser holen. Ist es okei?"

Sie schien einen Moment verblüfft über meine Worte zu sein, bevor sie langsam nickte.

"Ja, Ma'am. Das Haus gehört Ihnen. Sie brauchen nicht um Erlaubnis zu fragen. Sie hätten uns einfach rufen und uns bitten können, es ins Arbeitszimmer zu bringen, damit Sie keine Unannehmlichkeiten haben." Sie lächelte mich an und holte ein Glas Wasser.

Ich setzte mich auf den Hochstuhl an der Arbeitsinsel. Die Haushälterin stellte das Glas Wasser vor mich hin.

"Sir Vito hat, bevor er vorhin gegangen ist uns Anweisungen gegeben

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"Sir Vito hat, bevor er vorhin gegangen ist uns Anweisungen gegeben. Wir sollten uns darum kümmern, wenn Sie etwas benötigen oder wollen würden. Also zögern Sie bitte nicht, uns anzusprechen, Ma'am. Sie sind die Herrin dieses Hauses. Es tut mir leid, wenn ich Sie vorhin erschreckt habe."

Ich hielt das Glas in der Hand. Ich konnte die Kälte des Wassers spüren.

Ich bin die Herrin? Bedeutet das, dass mir niemand sagen wird, dass ich nicht essen darf, weil ich im Leben Mist gebaut habe? Dass ich mein Zimmer nicht verlassen darf, weil ich nie etwas richtig mache? Niemand wird mich hier verbal und körperlich misshandeln?

Ich lächelte vor mich hin. Die Menschen in diesem Haus waren anders als die in unserem alten Zuhause. Vito war anders als mein Vater. Daran musste ich mich erinnern.

"Danke", sagte ich und hob meinen Blick zu ihr. "Wie heißt du?"

"Mein Name ist Emma, Ma'am."

Ich lächelte sie wieder an, und sie erwiderte mein Lächeln. Sie fragte, ob ich noch etwas bräuchte, aber ich schüttelte den Kopf.

-*-

Als die Nacht hereinbrach, spürte ich eine gewisse Aufregung.

Das Abendessen war fertig, und ich saß am Kopfende des Tisches.

Ich war aufgeregt, weil ich selten zuvor mit jemandem zusammen gegessen hatte. Ich aß nie mit Papa am Esstisch, denn wenn er nicht da war, musste ich allein essen. Wenn sie anwesend waren, war ich meist in meinem Zimmer eingesperrt. Ich schätzte mich glücklich, wenn ich mit Mila und Tante Elsa essen konnte.

Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte mich nicht mit diesen Gedanken aufhalten. Ich sollte diese Denkweise nicht hierher bringen. Ich war vielleicht nicht ganz frei, da ich immer noch an Vito gebunden war, aber ich war frei von meinem Vater. In diesem Haus konnte er mir nichts anhaben.

"Wo ist Vito?" fragte ich Andreo, der neben mir saß.

"Er ist noch im Büro, Ma'am."

Ich war ein kleines bisschen enttäuscht, als ich das hörte. Vito war noch im Büro? War er noch nicht nach Hause gekommen?

"Um wie viel Uhr kommt Vito nach Hause? Ich werde vor dem Essen auf ihn warten."

Ich wollte gemeinsam mit meinem Mann essen, in der Hoffnung, dass dies unsere Beziehung verbessern würde, wenn wir es zur Gewohnheit machen würden.

"Ich rufe den Herrn an, Ma'am."

Ich lächelte Andreo an, auch wenn er nicht darauf reagierte. Ich hielt es für eine gute Idee, freundlich zu den Menschen hier zu sein, zumal ich häufig mit ihnen zu tun haben würde.

Ich wartete darauf, dass Andreo sich wieder meldete. Obwohl ich mich vor Vito fürchtete, hatte er nichts getan, was mir noch mehr Angst vor ihm gemacht hätte.

Andreo kam zurück, und ich wartete gespannt auf seine Neuigkeiten.

"Sir Vito wird noch nicht nach Hause kommen können, Ma'am. Ihr solltet jetzt schon essen."

Ich spürte eine plötzliche Leere in meinem Magen. Mein Appetit war verschwunden.

"Wird er spät nach Hause kommen? Ich kann warten..."

"Er hat darum gebeten, dass Sie mit dem Essen anfangen, Ma'am."

Ich sackte in meinem Stuhl zusammen. Musste ich auch hier allein essen?

Ich schwieg und saß da und betrachtete das Essen. Ich hatte meinen Appetit verloren.

Nach ein paar Sekunden stand ich auf. Einige schauten erstaunt, während Morina und Andreo mich genau beobachteten und mein Tun beobachteten.

"Ma'am-"

"Ich werde mich ein bisschen ausruhen. Ich bin nicht hungrig."

Ich wartete nicht darauf, dass sie weiter sprachen. Ich verließ sofort das Haus und ging in den zweiten Stock, um in unser Schlafzimmer zu gehen.

Ich schloss meine Augen und lehnte mich gegen die Tür. Fühlte ich mich auch hier noch allein? Vielleicht hatte ich mich geirrt, als ich dachte, dass dieses Haus anders war als das von Papa. Vielleicht würde ich mich immer allein fühlen, egal wo ich hinging.

Ich bereitete mich auf den Schlaf vor, duschte und zog mich um. Ich legte mich ins Bett und zog die Bettdecke über mich. Ich schloss meine Augen, obwohl ich nicht vorhatte zu schlafen.

MorettiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt