Kapitel 5

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Zwei Wochen später
Bontenvilla

Der sonst so quirlige und aufgebrachte Haruchiyo schleuderte gerade eine Flasche Whisky gegen die Wand, bevor er sich eine weitere Tablette ein warf.
"Man was stimmt denn mit dir nicht? Hast du in schlechten Trip oder was?"
"Ich glaub sein Verhör lief mal wieder nicht so gut." antworte Rindou auf die zuvor gestellte Frage seinen Bruders. Beide schmissen sich auf die schwarze Couch und amüsierten sich über Sanzus schlechte Laune. Bis der plötzlich einen Schuss abgab.
"Ohhh haben wir dich etwa verärgert?" Der ältere Haitani Bruder konnte es einfach nicht sein lassen. Doch keiner der beiden zuckte auch nur mit der Wimper. Schließlich ging es hier oft drunter und drüber.
"Ihr solltet ihn besser nicht provozieren. Ich glaub so mies gelaunt, war er noch nie." Kokonoi gesellte sich zu den Brüdern und starrte auf seinen Laptop, den er nun auf seinem Schoß abstellte, nur um dann weiter darauf herum zu tippen.
"Haltet euer Maul. Ihr nervt!!!" Mit diesen Worten verschwand Sanzu aus der Tür.
"Jetzt mal im ernst. Was ist dem denn über die Leber gelaufen?"
"Ach Rin. Der Gute braucht nur mal wieder etwas Ablenkung. Vielleicht sollten wir ihn heute Abend zum spielen mit nehmen."
"Keiner der Kerle will singen. Egal wie sehr er sie foltert. Und ihr wisst wie grausam seine Spielchen da unten sein können. Trotzdem hat er keine Informationen aus ihnen heraus bekommen und jetzt sind die meisten schon tot. Dabei hat er immer noch keine Ahnung, wer seine letzte ominöse Kundin war. Als wäre sie ein Geist oder sowas." gab Kokonoi zur Unterhaltung hinzu.
"Wie jetzt? Geht es immer noch um dieses Mädel, was er im Starlight kennengelernt hat?"
Als Antwort bekam Ran nur ein Nicken von dem Buchhalter zurück.
"Also wenn er sie bis jetzt nicht gefunden hat, dann muss sie wirklich gut sein. Unser kleiner Stalker findet doch sonst jeden."

Woanders

Müde starrte ich auf die Monitore vor mir. In den letzten Wochen hatte ich nur damit zu tun, mit meiner Sucht klar zu kommen und zu checken, dass ich auch keine noch so winzige Spur hinterlassen hatte. Doch nun kribbelte es in mir. Ich hatte mich schon viel zu lange zurück gehalten, weshalb ich meiner Arbeit nachgehen wollte. Der Raum in dem ich mich befand war so finster, dass nur das Licht der Bildschirme etwas Helligkeit spendete. Ich setzte mir meine Geräusch unterdrückenden Kopfhörer auf, nahm mir einen neuen Lollipop in den Mund und begann auf meiner Tastatur herum zu tippen. Doch nach drei Stunden war ich nur noch genervt, weshalb ich mir meinen Controller schnappte und mein Lieblings Game zockte. Es hatte etwas beruhigendes. Etwas vertrautes. Und so vergaß ich die Zeit. In diesem kleinen Raum gab es nur mich. Bis auf einem der vier Bildschirme etwas mein Interesse weckte. Nicht nur die Summe Geld war verlockend, auch der Job reizte mich, obwohl er ziemlich aufwendig werden würde.
Ich akzeptierte den Auftrag. Die Hälfte der Summe hatte ich bereits wenige Minuten später auf meinem Konto. Natürlich keinem normalen Konto. Nein. Gezahlt wurde nur mit Kryptowährung. Nicht zurück verfolgbar.
Doch damit konnte man heutzutage noch nicht überall zahlen. Aber bei den gut zwanzig Ausländischen Konten und ein paar dutzend Inländischen Konten die ich besaß, spielte das keine Rolle. Identitäten Diebstahl war nur eines der Dinge, weshalb mich unter anderem auch die Polizei suchte. Doch die würden mich nicht mal in hundert Jahren finden. Sie waren einfach zu inkompetent und die Gesetze machten es ihnen nur noch schwerer mich zu jagen.
Ich überflog die Eckdaten des Auftrags.
Dabei bekam ich selbst das Kotzen. Auf der anderen Seite hingegen stellte ich mir bereits vor, wie er vor Gnade winselte.
Makoto Okamoto.
Wird bei den Behörden gesucht wegen illegalem Glücksspiel, Erpressung, illegaler Waffenbesitz, Menschenhandel und Zwangsprostitution.
Ihm konnte jedoch noch nichts nachgewiesen werden.
Logisch...
Er hatte genug Maden um sich gescharrt die ihren Kopf für ihn hinhielten. Zudem konnte er sich die teuersten Anwälte leisten und mit Sicherheit hatte er auch einige der Beamten bereits geschmiert und Beweismittel verschwinden lassen.

Ich klickte mich durch die Bilder, die mir zu gesendet wurden.
Darauf konnte man Frauen sehen.
Und schon beim ersten Bild wollte ich mich übergeben.
Eine Spritze hing in ihrem Arm. Sie war unterernährt. Eigentlich nur noch Haut und Knochen. Sie lag nackt auf einer versüfften Matratze. Den Schimmel an den Wänden konnte ich schon riechen, so schwarz und groß war er.
Auf einem anderen Foto waren mehrere Frauen in einem winzigen Raum angekettet. Man konnte kaum etwas sehen. Es war dunkel. Offenbar hatte man die Tür nur geöffnet um schnell ein Bild zu schießen. Doch die dicken Ketten um die Fußgelenke der Frauen, waren nicht zu übersehen. Weitere Bilder folgten. Auf manchen konnte man Misshandelte Frauen sehen, die offene und entzündete Wunden hatten. Dann folgten welche mit den Räumlichkeiten, wie Duschen, Bäder und die Zimmer in denen sie sich prostituierten.

Mein ganzer Körper zitterte. Szenen drängten sich in meinen Kopf, die ich versucht hatte zu unterdrücken. Ruckartig stand ich auf, mein Stuhl fiel um und mein Körper zitterte wie Espenlaub. Kalter Schweiß rann mir den Rücken herunter. Vor meinen Augen hatte sich ein Schleier gelegt. Schwankend steuerte ich auf die Tür zu. Mein Atem ging stockend. Ich rang nach Luft, doch sie blieb mir weg. Ich spürte eine Hand an meiner Kehle, an meinen Händen und an meinen Füßen. Als ich endlich die Tür aufriss, stolperte ich. Auf allen vieren kämpfte ich mich zur Schublade neben meinem Bett. Ich griff hinein und schluckte die kleine weiße Tablette hastig hinunter.

Ich hörte die Stimme immer lauter. Sie zog mich mit sich in den Abgrund. Mein Herz raste. Doch ich wollte das nicht. Ich wollte es nicht schon wieder fühlen. Wollte die Bilder nicht noch einmal sehen. Doch sie verfolgten mich. Tag für Tag. Nacht für Nacht. Und da lag ich nun. Zappelte und wehrte mich. Aber meine Gliedmaßen wurden nur noch enger fest gezurrt. Das grelle Licht blendete meine Augen.

Nein! Aufhören! Lasst mich hier raus!

Irgendwann verschwanden die Bilder. Und ich saß immer noch auf dem Boden vor meinem Bett und starrte in den großen Spiegel vor mir. In der Dunkelheit konnte ich nur meine Umrisse erkennen, doch selbst die waren erbärmlich. Ich raffte meinen abgemagerten Körper auf. Der Drogencocktail von vor zwei Wochen hatte mir so zu gesetzt, dass ich noch mehr abgenommen hatte. Jedoch musste ich das ändern. So ein Gerippe würde Makoto Okamoto nicht mal für eine Sekunde betrachten. Dabei könnte ich ihn auch von hier aus zerstören, aber damit würde ich nur wieder in den Fokus geraten. Außerdem wollte ich auch mal wieder auf meine Kosten kommen. Dennoch musste ich die ganze Sache clever anstellen. Aber ich hatte den Vorteil... Niemand wusste wer ich war und bin. Und da der Auftraggeber meinte, ich könnte alles was dieser Gauner besitzt behalten, würde ich mir auch ALLES holen. Offenbar wollte da wirklich jemand, dass er im wahrsten Sinne des Wortes alles verlor. Da hatte sich wohl jemand einen Feind gemacht...

Doch mein Plan hatte einen Hacken. Ich musste mich diesem Widerling an den Hals werfen. Und dafür brauchte ich wiederum eine Menge Stoff. Anderenfalls würde ich ihn wahrscheinlich schon vorzeitig bei einem meiner Ausraster umbringen. Ich betrachtete die Beutel, die ich von meiner letzten unüberlegten Aktion ergattert hatte. Am Ende hatte ich nicht mal mit meinem Geld gezahlt, sondern mit der geklauten Uhr.

Scheiße!

Ich hatte keinen brauchbaren Dealer mehr. Klar könnte ich mir mit meinem Können easy etwas bestellen, aber das hinterlässt Spuren. Es ist aufwendig, hinter so etwas aufzuräumen. Nicht unmöglich, aber ich kann es einfach nicht leiden. Außerdem ist das Liefern ein Problem. Es muss immer eine Adresse geben, an die das Päckchen geschickt werden kann. Und das bedeutet, man kann gefunden werden. So oder so... man wusste ja noch nicht mal, was man wirklich bekam. Wieder dachte ich an den Kerl mit den türkis blauen Augen. Der Stoff war verdammt gut und er war schlau. Er hatte mir nicht mal ansatzweise den Wert an Drogen zukommen lassen, den die verdammte Uhr wert war. Also hat er es entweder unabsichtlich getan, um einfach mehr Geld für sich zu behalten. Oder... er hat es absichtlich getan, damit ich schnellstmöglich wieder zu ihm komme, um meine Sucht zu befriedigen. Dabei hatte ich keine Ahnung wer er war. Aber das sollte auch so bleiben. Wenn ich meine vorherigen Dealer alle vor meinen Käufen durchleuchtet hätte, dann würde ich wahrscheinlich heute noch einen brauchbaren suchen. Schließlich hatten sie alle Dreck am stecken und oft war es besser unwissend zu bleiben. In Gedanken wägte ich jedes Risiko ab. Ging jede meiner Optionen durch und kam doch immer wieder zu dem selben Ergebnis.

Entweder ich riskierte den Job zu vermasseln, meine Identität im schlimmsten Fall auffliegen zu lassen und eventuell noch zu sterben. Oder ich musste ihn noch einmal treffen und mir genügend Drogen besorgen, sodass ich eine Weile über die Runden kam und den Auftrag ohne Komplikationen durch ziehen konnte. Wobei der Typ auch zu einem Störfaktor werden könnte... aber meine Sucht und die Tatsache, dass er mich doch etwas fasziniert hatte, überzeugten mein nicht ganz klar denkendes Gehirn.

Broken Bonds/ Bonten x OCTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon