Schuld ist immer die Hexe

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Ich hänge mir die Tasche über die Schulter und verlasse die Schmiede, natürlich mit meinen beiden Anhängseln

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Ich hänge mir die Tasche über die Schulter und verlasse die Schmiede, natürlich mit meinen beiden Anhängseln. Flüchtig kommt mir der Gedanke, dass ich wohl für den Rest meines Lebens mit einem Raben und einer Katze als Gefolgschaft herumlaufen werde, sollte Isovre verschwunden bleiben. Mein Schmunzeln, als ich mir das vorstelle, schwindet so rasch, wie es gekommen ist, als mich erneut der rasende Schmerz überfällt. Auch dieser dauert nur kurz an, aber ich frage mich jetzt, wie lange ich wohl noch leben werde ohne diesen fehlenden Teil von mir.

Ich habe mich eigentlich mein Leben lang nur darum gekümmert, dass ich einigermaßen gut über die Runden komme. Ehrgeiz und Gier, Wünsche und Hoffnungen, all das, was Menschen und andere Wesen umtreibt, sind mir im Grunde unverständlich. Es reicht mir aus, wenn ich keinen Hunger leide, einen Platz zum Schlafen habe und weiß, dass es morgen auch so sein wird. Freunde und Familie habe ich nie vermisst, da ich so etwas nie gekannt habe.

Ein wenig hat es sich geändert, als ich bei Meister Engal als Lehrling angefangen habe. Nein, eigentlich schon einige Zeit zuvor. Als Kind habe ich mir Brot und Wasser mit Botengängen verdient, später, als ich größer und stärker wurde, auch als Lastenträger. Auf diese Weise habe ich auch viele Werkstätten und Handwerksbetriebe kennengelernt. Wenn ich darauf gewartet habe, dass man mir die Lieferung bestätigt oder eine weitere fertigmacht, habe ich mich aus Langeweile umgesehen. Nach einer Weile hat es mich zu interessieren begonnen, was die Menschen dort anfertigen und ich habe irgendwann überlegt, ebenfalls eine Lehre zu machen.

Seltsamerweise habe ich mich lange Zeit nicht entschließen können, nach einen Lehrplatz zu fragen. Ich hatte geglaubt, das Handwerk selbst sei mir nicht wichtig, wenn es mir nur die Möglichkeit eröffnen würde, ein Dach über den Kopf zu bekommen. Ein Lehrlingslohn würde es mir ermöglichen, eine Hundehütte und ein bisschen Raum drumherum zu mieten und das hat mir schon den größtmöglichen Luxus bedeutet.

Trotzdem hat mich immer etwas zurückgehalten, wenn ich erfahren habe, dass ein Meister einen Lehrling sucht. Bis ich zufällig gehört habe, dass bei Meister Engal ein Lehrplatz frei sei. In diesem Moment erst ist mir bewusst geworden, dass das Schmiedehandwerk genau das ist, was ich wirklich machen möchte.

Es liegt nicht daran, dass ich als Höllenhund eine Affinität zu Feuer habe; das ist nur ein weiterer Aspekt, der mich ausgerechnet zu dieser Tätigkeit hinzieht. Mich fasziniert, wie man Metalle verändern kann. Schon das Formen beinhaltet so viele Möglichkeiten; es ist nicht das gleiche, ob das Metall in meiner Hand kalt oder heiß ist, ob ich es hämmere, treibe, punziere, walze oder ziehe, ob ich es schmelze und gieße oder in Formen biege; ob ich ihm nachher mit Säuren, mit Poliertüchern oder Paste zu Leibe rücke oder es sogar mit Wachs versiegele. Jedes Metall hat seine Eigenheiten, die ich beachten muss, egal was ich mit ihm anstelle. Und die Metalle lassen sich auch miteinander legieren und entwickeln dann völlig neue Eigenschaften. Für mich sind Metalle wie Lebewesen, die erst unter der Hand des Schmiedes erwachen; in den groben, gefühllosen Fingern anderer Wesen sind sie leblose Gegenstände.

Wer vermisst schon eine Hexe? ✔️Where stories live. Discover now