| 1 | Andrea

51 11 9
                                    

Triggerwarnungen im Infokapitel lesen!

Neun Monate zuvor ...

Ich glaub' das einfach nicht. Wie kann Alfonso mir das nur antun?

Dabei habe ich mich extra für ihn hergerichtet und den weiten Weg auf mich genommen, um ihm nahe zu sein. Doch anstatt meine Annäherungsversuche zu erwidern, rennt er dieser Dramaqueen hinterher. Im Gegensatz zu Alfonso, bin ich nach der Hälfte ihres Monologs ausgestiegen, weil mein Hirn ihr Gefasel nicht verarbeiten konnte und wollte. In meinen Augen sind es lediglich leere Worte gewesen, die sie mit einer Reihe unverständlicher Metaphern ausgefüllt hat. Das hinterlässt vielleicht bei einem Eishockeyspieler, der eindeutig zu viele Pucks gegen den Schädel bekommen hat, einen bleibenden Eindruck, aber nicht bei mir.

Er hat mich rausgeworfen – dabei hat es mal eine Zeit gegeben, in der er mich vergöttert hat.

»So ein Mist!« Ein flüchtiger Blick auf mein Smartphone verrät mir, dass ich nur noch zwei Prozent Akku habe. Leider hatte ich keine Zeit, es aufzuladen. Andernfalls wäre Freya mir zuvorgekommen und ich hätte meinen Plan, Alfonso zu verführen, in die Tonne treten können.

Es schüttet wie aus Kübeln. Na toll, von Januar bis April regnet es durchschnittlich fünfmal im Monat. Aber ausgerechnet heute, muss das Universum ordentlich Gas geben und mir den Abend versauen.

Ich halte nach einem Taxi Ausschau und gehe mit erhobener Hand über die Straße, als ich eins ausfindig mache. Beinahe hätte ich es erreich, hätte mir nicht zufälligerweise ein schwarzer SUV den Weg versperrt. Der Fahrer des Wagens muss irre gewesen sein, weil er mir einer derartigen Geschwindigkeit auf mich zugerast ist, dass ich mich erschrocken habe und hingefallen bin. Da sitze ich nun, mitten auf der Straße, in einer gigantischen Dreckpfütze, die den teuren Satinstoff meines Kleides besudelt. Sich so tief in die Fasern saugt, dass ich es nach dem heutigen Abend vermutlich entsorgen kann.

Eine Autotür öffnet sich und ein Mann in einem schwarzen Anzug mit aufgespanntem Regenschirm tritt an mich heran und reicht mir seine Hand. »Mrs. Jeménez, wenn ich bitten darf.«

Oh nein ... Ich erkenne ihn wieder, weil er einer von Emilios Angestellten ist. Das geschwungene »E« auf dem Familienwappen, das in seine Brusttasche eingestickt ist, lässt sofort meinen Puls in die Höhe schnellen.

»Das muss eine Verwechslung sein. Ich heiße nicht Jeménez ...« Nicht mehr zumindest.

Ich höre, wie ein Fenster heruntergelassen wird und eine bedrohliche Stimme ertönt: »Steig in den gottverdammten Wagen, Andrea. Sofort!«

***

Neun Monate später ...

Ich sehe in den Spiegel und fahre die Narben der zahlreichen Brandings – die mein Ex-Ehemann Emilio mir in jener Nacht verpasst hat, als ich versucht habe, Alfonso wieder für mich zu gewinnen  – mit meinem Zeigefinger entlang.

Die Erinnerung daran schmerzt mehr als das glühende Eisen, das sich mehrfach in meine Haut gebrannt hat. Und die Tatsache, dass mein Vater mich mit sofortiger Wirkung enterbt hat, nur, weil ich mich von Emilio getrennt habe, verpasst mir einen zusätzlichen Stich ins Herz.

Mir geht es nicht um das Geld, sondern um das Haus, das momentan leer steht  – Mamas Haus. Sie ist vor zehn Jahren an Brustkrebs gestorben. Seitdem ist mein Vater wie ausgewechselt. Er straft mich mit Schweigen, wenn ich mich ihm widersetze und hetzt sämtliche Familienmitglieder gegen mich auf, sodass ich mich nicht einmal bei der Taufe meines kleinen Cousins sehen lassen konnte. Und Emilio - er genießt es nach wie vor, mir das Leben schwerzumachen und mich zu quälen.

Touching the GoalieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt