| 6 | Samuel

64 12 5
                                    

Triggerwarnungen im Infokapitel lesen!

Ich kann nicht fassen, dass Savannah das gerade wirklich getan hat.

»Savy!«, gebe ich empört von mir. »Du kannst uns doch nicht einfach so fotografieren! Schon gar nicht in so einer Situation!« Mahnend ziehe ich eine Augenbraue nach oben, weil sie erneut ihre Kamera zückt und abdrückt. »Lösch' das, sofort!«

»Na gut ...« Sie zieht einen Schmollmund und tippt auf dem Tastenfeld ihrer Kamera herum. »Du bist so ein Kunstbanause, Sam. Genau wie dein Bruder.«

»Stimmt doch gar nicht!«, kontere ich, ehe ich meinen Blick wieder in Andreas Richtung wandern lasse. »T-tut mir leid. Savy ist meine Schwägerin und war ursprünglich mit mir zum Essen verabredet. Ich habe angenommen, dass sie viel später kommt.«

»Das habe ich auch!«, klinkt sie sich in das Gespräch mit ein. »Bis ich festgestellt habe, dass ich gleich vor Hunger umkomme, wenn ich nicht auf der Stelle losfahre.«

»Deine ... Schwägerin?« Andrea sieht mich mit diesen großen traurigen Augen an, und es bricht mir das Herz, sie nicht in meine Arme schließen und trösten zu können.

Scheiße, ich bin so ein verdammter Idiot. Heute war ich keinen Deut besser, als Alfi. Ich habe mich ihr gegenüber verhalten, wie der letzte Arsch und ihre Gefühle verletzt. Das habe ich nie gewollt.

»Genau!« Savannah packt ihre Kamera in die schwarze Kameratasche, die sie sich lässig über die Schulter gehängt hat. »Ich habe den anderen Bachner geheiratet. Aber glaub mir, es ist nicht ganz so schlimm, wie es klingt.« Sie schenkt Andrea ein warmes Lächeln, dass sie nur zaghaft erwidert. »Also irgendwie habe ich eher Lust auf Burritos.«

»Burritos?«, wiederhole ich ungläubig. »Sagtest du nicht, dass du unbedingt einen Hellrazer-Burger essen möchtest?«

»Sagte ich das?« Sie stellt sich eindeutig dumm. So langsam frage ich mich, was sie im Schilde führt. »Na ja, aber jetzt möchte ich mexikanisch essen gehen! Zwei Straßen weiter gibt es so ein nettes, kleines Restaurant, das geradezu nach Durchfall schreit.«

Ich bin viel zu sehr damit beschäftigt, mich an meiner eigenen Spucke zu verschlucken, als  Savannah sich schamlos bei Andrea einhakt und sie mit den Worten: »Der Laden ist längst nicht so toll, wie er auf Instagram aussieht!« aus dem Restaurant zieht.

»Fuck«, murre ich. Dann drehe ich mich um und greife nach meiner Jacke, um mein Portemonnaie herauszuholen. Ich gehe an den Tresen und überreiche dem Barkeeper einen Zwanzig-Dollar-Schein. »Sorry, ich hab's eilig! Stimmt so.«

***

»Ich liebe Burritos!« Jedes Mal, wenn Savannah ein Stück abbeißt, hängt ihr etwas mehr Soße im Gesicht. »Das war die beste Entscheidung meines Lebens!«

»Ich dachte, das wäre die Heirat mit meinem Bruder gewesen«, erwidere ich neckend, woraufhin sie eine zerknüllte Serviette nach mir wirft.

»Du bist ganz schön frech, seitdem du von zu Hause ausgezogen bist.«

Ich pruste los. »Das war vor vier Jahren.«

»Vier Jahre, in denen deine Teamkollegen es geschafft haben, dich auf die dunkle Seite des Profisportler-Daseins zu ziehen.«

»Ha-ha! Du bist so witzig.«

»Weiß ich doch«, flötet sie und beißt ein weiteres Mal von ihrem Gemüseburrito ab. »Und nun zu dir, Andrea – woher kennst du unseren kleinen Charmebolzen?«

Andrea kichert leise. Dabei zeichnen sich zwei Grübchen auf ihrer Wange ab und ich frage mich zeitgleich, wieso mir nie aufgefallen ist, wie wunderschön sie aussieht, wenn sie glücklich ist. Vielleicht hat es daran gelegen, weil die Jungs aus der Mannschaft andauernd um sie herumgeschwirrt sind, wie gierige Aasgeier und ich nicht einmal die Chance hatte, mich vernünftig mit ihr zu unterhalten.

Touching the GoalieWhere stories live. Discover now