Saisonfinale

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Im Spielertunnel, kurz vor dem großen Spiel, finde ich Magda und Pernille. Ich umarme sie beide fest und sage mit einem Augenzwinkern: “Ich wünsche euch heute echt viel Glück, aber auch eine Niederlage.” Magda lacht und erwidert: “Danke, Alex. Wir werden sehen, was das Spiel bringt, aber ich verspreche nichts.” Magda schaut mich an. "Und du willst wirklich zu Arsenal wechseln? Als Chelsea Fan?" Magda’s Frage bringt mich kurz zum Stocken, aber ich antworte dann lächelnd. “Ja, das stimmt. Als Spielerin muss man manchmal Entscheidungen treffen, die über die Fan-Loyalität hinausgehen. Außerdem habe ich dann die beste Bühne direkt vor deren Haustür, um zu zeigen, wie wichtig ich sein kann.” Pernille grinst mich kurz schmunzelnd an und wuschelt meine Haare durcheinander. “Ey, warum macht das wirklich jede?” meckere ich. Pernille lacht nur noch breiter und zuckt mit den Schultern. “Weil’s einfach zu verlockend ist, Alex. Du hast einfach diese Art von Haaren, die danach schreien, durcheinander gebracht zu werden.” Ich rolle mit den Augen, kann aber ein Grinsen nicht unterdrücken, als die anderen rauskommen. Ich umarme die beiden nochmal kurz und stelle mich bei meinem Team auf.
Es dauert nur bis zur 12. Minute als die Bayern uns eiskalt auskontern. Ein Ballverlust im Mittelfeld führt zu einem schnellen Konter. Ich sprinte zurück und versuche Pernille einzuholen und setze zur Grätsche an, doch ich bin zu spät. Der Schuss geht unhaltbar ins Netz und ich sitze noch auf dem Rasen, als sie sich zum Jubeln zur Seite dreht. “Ich wollte eh 2 Tore machen.” sage ich zu Leah, als sie mir kopfschüttelnd aufhilft. Nach ungefähr einer halben Stunde bin ich plötzlich durch die Verteidigung gekommen und stürme auf das Tor der Bayern zu. Marla macht sich größer und größer jedoch kann ich erkennen, wie Obi im Augenwinkel anstürmt. Wie in einem Videospiel schiebe ich direkt vor Marlas Nase den Ball herüber und Obi schießt ihn wuchtig ins leere Tor. Ich laufe auf sie zu und umarme sie kurz. “Ein Tor noch,” grinse ich ihr entgegen.

Kaum hat die zweite Halbzeit begonnen, schon zappelt der Ball wieder in unserem Netz. Bayern trifft direkt nach dem Wiederanpfiff zum 1:2. Ein schneller Vorstoß, ein präziser Pass in die Spitze und schon liegt der Ball wieder im Netz. Ich starre ein bisschen ins Leere und schüttle nur den Kopf. “Es sind nur 2 Tore.” sage ich mir leise. Ich verliere den Ball in der 60. Minute und Georgia schiebt den Ball schnell über die Außen nach vorne. In die Mitte gerückt, verwertet Klara Bühl die Hereingabe und es steht schon 1:3 was mich fürchterlich frustriert.
Der Frust über den Rückstand treibt mich an, als ich den Ball vor mir habe. Ich nehme kurz Anlauf, da mich niemand attackiert und schieße aus der Distanz. Der Ball schlägt im Winkel, unhaltbar hinter Marla, ein. Ich balle meine Faust und schreie meinen Frust und meine Freude heraus. Die Stimmung kocht langsam über als ich einen Freistoß aus circa 30 Metern heraushole. Obi tritt den Freistoß scharf vors Tor und bevor Marla mit ihren Fingern herankommt, steige ich hoch und bewege den Ball mit meinem Kopf über die Hände von der Torhüterin. Der Ball senkt sich langsam und knallt gegen die Latte, fällt jedoch von dort ins Netz. Im Flug beobachte ich den Ball und strecke meine Arme nach oben. “Ein Tor noch Leute. Das schaffen wir.” rufe ich den anderen zu.
Die Zeit läuft uns davon, wir laufen immer wieder an, die Bayern verteidigen mit allem, was sie haben. Doch dann, in der letzten Minute der Nachspielzeit, passiert es. Obi sieht die Lücke, spielt einen genialen Pass durch die Abwehr der Bayern, und plötzlich bin ich völlig frei. Ich drehe mich um meine eigene Achse und wuchte den Ball an der Torhüterin vorbei in den Winkel. Ich versuche zu realisieren was da gerade passiert ist. Ich stürme zur Eckfahne, reiße die Arme hoch, und bevor ich wieder klar denken kann, wird mir der Boden unter den Füßen weggezogen. Obi hat mich zu Boden gerissen und dann sind sie alle da. Meine Teamkolleginnen, die Auswechselspielerinnen, alle stürzen sich auf mich. Ein Berg aus jubelnden Spielerinnen. Wir haben es geschafft, wir haben Bayern in letzter Sekunde besiegt. Doch die Realität holt uns ein, als die Schiedsrichterin uns daran erinnert, dass noch zwei Minuten zu spielen sind. Langsam, widerwillig, lösen wir uns voneinander. Ich stehe auf, klopfe mir den Rasen von der Kleidung und Blicke in die Gesichter meiner Teamkolleginnen. Wir verteidigen zu 10. hinten drin und Bayern kommt nicht mehr nur ansatzweise in unseren Strafraum. Sie versuchen es immer wieder und schießen aus der zweiten Reihe. Aber irgendeine von uns hat einen Fuß dazwischen und drischt den Ball wieder heraus. Dann ertönt endlich der Schlusspfiff und wir haben gewonnen. Ich stehe mitten auf dem Spielfeld und je mehr ich lächeln möchte desto mehr Tränen fließen meine Wangen herunter. Die Anspannung und die Last, die dieses Spiel produziert hat, fällt mit einem Mal weg. Meine Teamkolleginnen kommen auf mich zu, ihre Gesichter strahlen vor Freude als mich Obi und Leah als erstes umarmen. Die Siegerehrung fühlt sich an, als würde sie in einer anderen Welt stattfinden. Ich, Alex, stehe da, umgeben von meinen jubelnden Teamkolleginnen, und doch ist mein Kopf leer. Wir feiern mit den Fans, ihre Gesänge erfüllen die Luft, aber es ist, als würde ich alles durch einen Schleier wahrnehmen. Ich entdecke unsere Eltern und Leah ist schon auf dem Weg, als ich mich auch dorthin auf den Weg mache. Das Pokalspiel am nächsten Wochenende bedeutet, dass wir unsere Feier kurzhalten müssen. Keine wilden Partys, kein langes Ausklingenlassen des Abends. Denn den DFB Pokal will ich unbedingt gewinnen.

Zwischen Hass und LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt