Tränen

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Oh, mein Gott. Sie war ihm gefolgt. Der Schmerz in ihrer Stimme tat mehr weh als der Biss der eisigen Winde. Sein Herz pochte in heißem, infernalischen Schmerz. Er drehte sich nicht um, konnte es nicht. Er wusste - wenn er in ihre Augen blickte, würde er ertrinken in ihrem Schmerz. Ganz Astropia müsste dann durch seine Schuld sterben.

Seine Hand mit dem Amulett begann zu zittern. Er biss sich so fest auf die Unterlippe, bis er den warmen Geschmack des Blutes schmeckte.

Hinter sich hörte er Beas bebende Stimme. „Ich friere", stammelte sie. „Nimmt man jemandem sein Nayawi, nimmt man ihm die Wärme."

Als er ihr unterdrücktes Schluchzen hörte, war es zu viel für ihn. Er wandte sich um und blickte geradewegs in ihre blauen Augen, die am Tag Schnee und Eis und den Himmel der Tundra widerspiegelten. Jetzt stand nur Kummer und Unverständnis darin. Die Stille zwischen ihnen war schwer wie der Schnee, der in nassen Flocken vom Himmel fiel.

Er wollte ihr erklären, dass er sie liebte, warum er sie verlassen und ihr dies antun musste. Doch die Worte gefroren ihm im Mund.

Hinter ihr war unvermittelt ein Schattenwolf aufgetaucht.

Als er schrie, hatte sich der Wolf schon auf sie gestürzt und zu Boden gerissen. Entsetzt hatte er das Amulett fallen gelassen, riss im Laufen das Messer aus seinem Gürtel und war in ein paar Sätzen bei ihr. Brüllend stieß er die Klinge dem wild geifernden Wolf in die Brust, die Schulter, die Kehle, hieb auf das Tier ein, bis es sich nicht mehr rührte.

Bea lag am Boden, blutüberströmt. Er kniete sich neben sie, griff ihre Hand.
„Oh mein Gott, es tut mir leid, es tut mir leid ...", brach es aus ihm hervor.

Bea war aschfahl. Aus einer großen Wunde an ihrer linken Seite strömte das Blut.
Sie versuchte, etwas zu sagen und er beugte sich über sie, um sie zu verstehen.
Die Kälte um sie war allbeherrschend.
„Nimm es und rette dein Land. Ich ... brauche ... es ...nicht mehr", hauchte sie ihm ins Ohr.

„Nein!", schluchzte er. „Nein!"

Ihr Blick brach. Die Welt geriet aus den Fugen. Sie war gestorben. Tränenüberströmt blickte er auf. Der Mond war so fahl wie ihr Antlitz.

Als er hinüberging und das Amulett aufhob, war sein Herz so kalt wie Stein. Astropia würde leben. Bea aber war tot.


Eisige ZeitenWhere stories live. Discover now