6. Kapitel: Verrat und Naivität

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Juni 2130
Young New York City, Queens
Der Bunker des Pfaus

"Ich wäre sehr traurig, wenn Seraphim etwas geschehen würde. Man weiß nie, was hinter der nächsten Ecke lauert und selbst er muss irgendeine Schwäche haben", sprach der Pfau und drehte kleine Pirouetten in ihrem Bunker. Ihr großer Screen zeigte ein weites, verschneites Gebirge das aus tiefen Abgründen hochragte und Khorshid wusste, um welche Landschaft es sich handelte. "Ich kann Tsegmid nicht immer trauen, auch wenn sie hartnäckig ist. Sie kann sich nicht selbst erklären und agiert zu oft zu impulsiv. Ich brauche dich, eine viel ruhigere Gewalt", sagte Madeleine und umfasste sein Gesicht mit ihren Händen. Khorshid blickte in ihre großen, haselnussfarbenen Augen die flehend zu ihm heraufblickten, wie die Abgründe der Landschaft.
"Seraphim wäre dir auch dankbar, wenn du dich um ihn kümmerst. Er hat schlussendlich auch niemanden. Er tut mir so leid, er ist sicher immer so einsam", klagte sie und setzte sich wieder zurück auf ihren Stuhl, ließ den Kopf und die langen, roten Zöpfe zur Seite hängen. Aus der Ecke setzte sich ihr Hund auf und dackelte in ihre Richtung, um sich ausgiebig kraulen zu lassen.
"Ich denke nicht. Wynona aus dem Diner kümmert sich gut um ihn. Er lebt ja auch bei ihr", berichtete Khorshid, beobachte wie sich Neugier auf ihrem Gesicht formte und sie ihr Feuerzeug aus ihrer Hosentasche herauszog. "Wynona Warren? Die Bedienstete im Diner? Ich dachte, sie und Seraphim hätten kein Kontakt mehr", fragte sie nach und spielte mit dem Feuer in ihren Händen.

"Man könnte die beiden für Mutter und Sohn verwechseln. Er lässt sich im Dinner nur blicken, wenn er explizit hergeboten wurde oder Wynona Schicht hat. Es ist echt lustig anzusehen, wie er ihr am Rockzipfel hängt", fügte Khorshid weiter hinzu und observierte, wie Madeleine ihre Finger am Feuer schier ankokeln ließ. "Na gut, das freut mich für ihn. Trotzdem will ich nicht, dass du ihn allein lässt, Warren ist nicht imstande, ihn irgendwie zu schützen. Seraphim ist doch nicht unerträglich, oder?", wollte sie wissen und grinste sie.
"Nein, nicht so sehr wie ich dachte", erzählte er, "Manche Kommentare und Fragen könnte er sich sparen und er wirkt bisschen spießig, aber er hat sich nicht über mein Auto beschwert und er ist im Grunde genommen ganz aufrichtig"

Madeleines Lächeln wurde breiter und das Feuerzeug verschwand wieder in ihre Hosentasche. "Gut so. Er ist auch wichtig für dich, Khorshid. Er ist deine einzige Chance, deiner Familie ohne Reue wieder in die Augen schauen zu können"
Daraufhin erwiderte er nichts, ließ nur die Worte einsacken.
"Du hast deinen Dreizack ja reparieren lassen. Wieso ist mir das nicht vorher aufgefallen?"

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Seraphim konnte nicht erklären, wieso er zugelassen hatte, dass Dr. Karim mit einem Mundspiegel und einer Zahnsonde ihn seinem Mund herumwerkte. "Das tut nicht weh, oder?', fragte der Arzt und inspizierte sorgfältig, wie seine Zähne an seinem Zahnfleisch befestigt waren. Das Opfer der Untersuchung, Seraphim, schüttelte zaghaft den Kopf und starrte hilflos an die Decke. "Man kriegt dein Zahnfleisch gar nicht angehoben. Die Themsis hat einwandfreie Arbeit bei dir geleistet", bemerkte der Arzt. "Irgendwie auch schade, ich hätte dir gern was Lustiges reinmontiert. Ausfahrbare Fangzähne oder sowas", witzelte er und zwirbelte seinen Schnurrbart. Als Seraphims Mund wieder in Ruhe gelassen wurde, ließ Dr. Karim keinen Moment verstreichen und zog schon zum nächsten Gerät. "Denkst du, ich kann durch deine Augen durchleuchten?"
In dem Augenblick tauchte Khorshid in die Bar unter dem Diner auf und verschränkte die Arme. "Macht so 'nen Scheiß bitte woanders. Nicht wenn ich hier trinke und esse"
"Verzeihung, wirklich, du hast Recht, Seraphim und ich gehen schon weg-", setzte der kleine Arzt panisch an und packte seine Werkzeuge ein. Seraphim drückte sich vom Stuhl, wurde jedoch von Khorshid am Kragen gepackt. "Mohsen kann gehen, mit dir muss ich reden" Dr. Karim ließ sich das nicht zweimal sagen und verließ die Bar, seinen Koffer fest umschlossen. "Du jagst den öfters durch die Gegend, oder?", murmelte Seraphim und schmunzelte. Khorshid, der das definitiv mitbekommen hatte, hob eine Augenbraue und setzte sich an die Theke. "Der Pfau hat was Neues für uns. Wird eines deiner letzten Aufträge sein. Wir müssen direkt zum Hauptinstitut der Themsis Corporation und von dort aus mit einem Maulwurf in die Kugel von Emil Forecreek", berichtete er.

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⏰ Last updated: Mar 27 ⏰

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