Kapitel 7

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Es ist nicht weit zu Siri nach Hause. Er wohnt zwei Seitenstraßen weiter in einem hohen Wohnblock, an den ein kleiner, trostlos aussehender Spielplatz auf einer durch den Regen matschigen Wiese angrenzt. Trotz des kurzen Weges versucht er mich die gesamte Strecke lang davon zu überzeugen, dass ich gerade einen großen Fehler mache. Aber gleichzeitig sagt er mir auch nicht, dass ich verschwinden soll oder verhält sich in sonst irgendeiner Weise seltsam.

Ich mache mir aber erstaunlich wenig Sorgen, ob meine Entscheidung, ihn um einen Schlafplatz zu bitten, die richtige war. Mit jedem Mal, dass er meine Entscheidung in Frage stellt, bin ich mehr von ihr überzeugt. Ein Kerl, der mich die ganze Zeit auf meine scheinbar falsche Entscheidung hinweist, kann kein schlechter Mensch sein.

Siris Wohnung ist dunkel und riecht muffig. „Kann man hier nicht lüften?", frage ich und suche verzweifelt nach Fenstern.

„Hast du was gegen meine Wohnung?", fragt Siri spaßeshalber, beantwortet dann aber meine Frage, während er das Licht anknipst. „Ich hab Luftschächte in das winzige Atrium raus. Aber das ist auch nicht viel mehr als ein Luftschacht. Deswegen ist es hier drinnen so dunkel."

Die Lampe flackert kurz, bevor sie richtig angeht. Siri und ich stehen in einem winzigen Flurraum, von dem drei Türen abgehen. Uns gegenüber steht die Tür ein bisschen offen und ich kann in das Bad dahinter sehen. Es ist unordentlich, Klamotten liegen auf dem Boden neben dem eigentlich dafür vorgesehenen Korb und es gibt nur einen Duschvorhang um eine Badewanne herum statt einer richtigen Dusche.

Siri schmeißt seine Schuhe neben die Tür und zieht seine Jacke aus. „Das ist das Badezimmer", erklärt Siri unnötigerweise und läuft in besagten Raum, um seine Jacke über den Badewannenrand zu hängen. Die Kacheln an den Wänden sind durch die Zeit zu einem vergilbten Weiß ausgeblichen und haben schon den ein oder anderen Riss. Auf dem altmodischen Waschbecken mit zwei Knöpfen am Hahn liegt eine Zahnbürste, ein Rasierer und Zahnpasta. Auf dem Spülkasten des Klos steht eine kleine Toilettenpapierpyramide.

„Überraschend sauber", kommentiere ich und werfe mit spitzen Fingern Boxershorts und Socken in den Klamottenkorb neben der Tür.

„Ich hatte nicht mit Besuch gerechnet", feuert Siri zurück und verlässt den Raum. „Links ist mein Schlafzimmer und hier", er stößt die Tür zu unserer Rechten auf und betritt den Raum, „ist das Wohnzimmer und die Küche." Es ist ein einziger Raum, eine schwarz-weiße Einbauküche, die auch schon bessere Tage gesehen hat, nimmt die eine Seite ein, die andere ist dominiert von einem überraschend großen Sofa. Auf einem kleinen Tisch davor ist ein Laptop aufgebaut und ein Bücherregal steht neben dem Sofa. Im Spülbecken der Einbauküche stapelt sich das dreckige Geschirr und verströmt den muffigen Geruch, der mir davor aufgefallen ist.

„Und wie lüftest du?", frage ich und lege meinen Rucksack neben dem Sofa ab.

Siri zeigt auf ein winziges vergittertes Fenster, durch das quasi kein Licht dringt. „Das da kann ich aufmachen, aber sonst gibt es auch eine dezentrale Lüftungsanlage, die meistens ganz gut funktioniert."

„Wie wirst du nicht klaustrophobisch?", frage ich, während ich mir das Fenster genauer ansehe. Es ist alt und der Griff klemmt, als ich versuche, ihn zu drehen. Dahinter blicke ich auf spärlich belichtetes Moos und fast schwarzen Beton, der durch die viele Feuchtigkeit, die er aufgenommen hat, so dunkel wirkt. „Ziehst du dir so nicht noch mehr Feuchtigkeit in die Wohnung?"

„Auf die erste Frage: Ich gehe viel raus", antwortet Siri und folgt mir an die schlechte Entschuldigung von einem Fenster. „Deswegen bin ich so viel im Tierheim. Und wenn ich schlafe oder zocke macht es mir nicht viel aus. Und um die zweite Frage zu beantworten: Ja." Er beugt sich über mich und schließt das Fenster wieder. Dabei steigt mir wieder Geruch nach Pampelmusen in die Nase. „Deswegen lasse ich es zu und die Lüftungsanlage ihren Job machen."

UnsichtbarWhere stories live. Discover now