Kapitel 4 - Nachdenken

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Ein paar Wochen lief alles genau so weiter wie zuvor. Aber dann, Harry hatte gerade eine Hochzeit gerettet und war nun dabei Leuten Mut und Hoffnung ins Gesicht zu pusten, als er ein Kichern hörte.

Sofort folgte er diesem und kam schließlich zu einer Straßenbaustelle. Gerade eben war wohl ein Abwasserrohr angebohrt worden. Es stank und der arme Arbeiter hatte einen wahrlich beschissenen Tag.

Das Kichern, was nicht sonderlich laut, aber für Harry trotzdem sehr gut zu hören gewesen war, kam von der gegenüberüberliegenden Straße. Ironischerweise klang es glockenhell und unschuldig.

"Louis.", brummte Harry wenig begeistert. Die Leute flohen wegen des Gestanks nur so aus den Cafés in der unmittelbaren Umgebung.

Schnell eilte Harry auf den Chaos-Dämonen zu.

"Louis! Das ist nicht lustig.", schimpfte Harry.
"Nicht?", fragte Louis und wischte sich Lachtränen aus den Augen. 
"Nein. Das ist böse."
"Danke."
"Sieh doch nur, was du anrichtest!", schimpfte Harry, als der Arbeiter wütend und verzweifelt gegen das Rohr trat.
Louis lachte nur noch mehr.

"Genug damit! Beende das! Sofort!"
"Nö. Wieso meckerst du eigentlich immer nur?"
"Ich meckere nicht."
"Ach nein?"
"Nein."
"Nörgeln?"
"Ich bin ein himmlisches Wesen."
"Hm... Nöckeln, aber himmlisch?", fragte Louis verwirrt.
"Ich bin über dererlei Dinge erhaben."
"Ah, verstehe."
"Das sollte mich sehr wundern."
"Niall hat erzählt, dass im Himmel alle vorn herum lieb sind, aber wenn du ihnen den Rücken kehrst... Naja... Sagen wir Mal, das ist dann was anderes, als das, was sie von allen anderen erwarten."
"Du wirfst uns allen Scheinheiligkeit vor??"
"Ach genau. Danke. So hieß das Wort. Niall benutzt es nicht gern."
"Niall... Er ist ein Gefallener..."
"Naja, also eigentlich ist er wohl badass mäßig mit ner Portion Pommes und nem halben Hähnchen in die Hölle gelatscht und schmeißt seither den Laden. Der Teufel macht irgendwas anderes. Keine Ahnung. Hab den noch nie gesehen."
"Das ist... Alles so voll Sünde...", brachte Harry mit Grauen in der Stimme hervor.

"Jaa. Voll schön. Ich bin gern Zuhause.", freute sich Louis.
"Das ist..."
"Ach komm. Bei uns werden Heißgetränke nicht kalt. Und im Himmel kenne ich eh keinen."
"Du wirst auch nie jemanden kennen lernen, weil du eine Ausgeburt der Hölle bist.", schimpfte Harry, als Louis einen Teenager mit Handy in der Hand volles Pfund gegen eine Straßenlaterne laufen ließ. Klongk.

"Du kommst doch ausm Himmel. Und dich habe ich kennengelernt."
"Wir kennen uns nicht."
"Doch. Ich weiß wie du heißt und wo du wohnst."
"Wow. Das ist doch nicht kennen."
"Was dann?"
"Wenn du weißt, was jemanden bewegt. Was jemanden umtreibt. Wenn du seine Reaktionen einschätzen kannst. Wenn es eine Verbindung gibt. Weißt du?", fragte Harry und verteilte Taschentuchpackungen in Jackentaschen, weil Louis überall mit Viren um sich warf.

Und dann hielt der Dämon plötzlich inne, fixierte Harry und sprach grinsend, während er ganz langsam immer näher kam: "Du liebst deinen Job und liebst all die Ordnung und wenn alle so happy sind, dass sie eigentlich Sonnenstrahlen furzen müssten. Du hältst dich immer an die Regeln und hinterfragst nichts. Und doch fasziniert dich die Sünde. Suchst du in deinem strahlenden Licht nach den Schatten. Nach der Dunkelheit. Ganz tief in dir drin ist eine Begierde, die du nicht steuern kannst. Keine Sorge... Ich kenne dich."
Den letzten Satz hatte Louis nur noch gehaucht und dann küsste er den Engel wieder einfach.

Für einen Moment war Harry völlig perplex und wie erstarrt. Als aber eine Zunge an seiner Lippe entlang fuhr, erwachte er aus seiner Starre und schubste den Dämon schnell von sich.

"Nichts weißt du über mich! Du willst nur meinen Geist verwirren, weil das Chaos anrichtet! Ausgeburten der Hölle dienen dem Teufel. Sie haben niemals etwas Gutes im Sinn. Verabscheuungswürdige Kreaturen! Niemand mag dich!", schrie Harry ihm direkt ins Gesicht.

Louis sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Er war schon schlimmer beschimpft worden. Er hatte sich Mal in ein Kloster eingeschlichen und es mit dem Abt auf dem Altar getrieben. Der hatte das Beleidigen im Anschluss vor den Mönchen sehr viel besser drauf gehabt. Aber das hier war ja kümmerlich.

"Jetzt fällt dir nichts mehr ein, was?!", zischte Harry sauer aber auch mit einer gehörigen Portion Stolz in der Stimme.
"Oh, Engelchen, mir fällt eine Menge ein. Versteck dich hinter deinen Lügengebilden. Funktioniere weiter brav wie eine Marionette. Immer schön auf dem rechten Weg bleiben. Nur ärgerlich, wenn dir halt niemand sagen kann, ob er nicht zur Schlachtbank führt... Bei all deiner Erhabenheit: ich stehe zu meinen Begierden, Wünschen und Träumen. Du hast sie auch. Aber verleugnest sie. Das ist scheinheilig. Und kein bisschen besser als irgendjemand sonst."
"Wie kannst du es -", zischte Harry und dann verschwand der Dämon einfach. Direkt vor seinen Augen.

Louis lief durch die Hölle und sah sich nachdenklich genau um. Das hier war sein Zuhause. "Fahr zur Hölle", hieß für ihn so viel wie "Schönen Feierabend". War es hier wirklich so übel? Alle hatten Spaß und eine gute Zeit. Niemand hatte Stress. Alle lebten sich irgendwie aus. Was war so schlimm daran?

"Louis, mein Kleiner, was machst du denn schon hier?", fragte plötzlich Niall von hinten. Aus dem Nichts erschien sein Thron und Niall setzte sich. Der hatte sogar seinen Dreizack dabei. Den fand Louis cool. Man konnte die Zacken abdrehen, in dem einen war Vodka, in dem anderen immer flüssige Schokolade und im dritten Liebesperlen.

"Ich..."
"Was ist los?"
"Mag mich niemand?", fragte Louis verunsichert und kniete zu Nialls Füßen. Legte seinen Kopf an dessen Knie.  Eben auf der Erde vor dem dusseligen Engel hatte er sich noch so selbstsicher gefühlt. Aber jetzt...

Sofort glitt Nialls Hand durch seine Haare und Louis hörte, wie der Liebesperlen aß.

"Doch, natürlich."
"Wer?"
"Ich. Und alle anderen hier unten."
"Hm..."
"Was ist los? Sinnkrise?", fragte Niall alarmiert. Chaos-Dämonen neigten nicht zu einer solchen. Da musste etwas seinen kleinen Käfer aber mächtig beeindruckt haben.

"Schon irgendwie."
"Weißt du, Louis... Wenn du sie fragst, werden sie sagen, dass sie uns ablehnen. Dass sie nichts mit uns zu tun haben wollen und uns verachten."
"Aber?"
"Aber sie suchen nach uns. Immer wieder. Sie sehnen uns herbei. Nur wollen sie dabei ihr Gesicht nicht sehen. Weshalb feiern sie wohl des Nachts und gehen ihren Begehren nach? Weil sie die Nacht nicht als Gefahr, sondern als Schutz betrachten. Denn in der Dunkelheit unterscheiden sie nicht zwischen gut und böse. Da ist alles grau. Und dann lieben sie uns."

Armer kleiner Käfer...
Bis dann.
Viele Grüße ^⁠_⁠^

Angel and Devil (Larry) - Wird Auf Storyban fortgeführt Where stories live. Discover now