Worte der Magie

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„Ist der Späher bereits aus dem Labyrinth zurückgekehrt?" Die Stimme der Königin schnitt durch die Stille wie ein eiskalter Hauch. „Oh nein", murmelte ich. Wenn mein Instinkt mir eines sagte, dann das ich ihr auf keinen Fall begegnen dufte.

„Nein, meine Königin, wir haben den Kontakt zu ihm bereits vor mehreren Stunden verloren. Zunächst schlich, dann rannte ich zu dem Rand des Waldes und verschwand blitzschnell hinter einem der Bäume. „Das heißt also, er ist tot?", fragte die Königin gerade heiter und mir wurde erneut klar, wie gern ich ihr aus dem Weg gehen wollte. „Äh...", ihr Diener schien genauso überfordert wie ich. Sie wedelte mir ihrer behandschuhten Hand. „Macht Euch keine Mühe, Pietro. Sein Verbleib ist ohnehin nicht von Belang."

Der arme Diener schluckte sichtlich, obwohl er kaum älter sein konnte als ich bildeten sich bereits Sorgenfalten auf seiner Stirn. „Sagt Ruby, sie soll einen weiteren Rekruten schicken. Und außerdem soll sie Saphira zu mir schicken, ich habe sie schon eine Weile nicht mehr gesehen und möchte sichergehen, dass für die Feier alles perfekt ist." Mit einer eleganten Bewegung warf sie ihre langen dunkelbraunen Haare zurück – Gott, die strotzte ja nur so vor Eitelkeit - und ging in die entgegengesetzte Richtung über einen steinigen Weg.

Der Diener stolperte etwas hilflos hinter ihr her und gestikulierte wild. Offenbar versuchte er, ihr etwas zu erklären, aber ich bekam nur noch Wortfetzen mit. „Was wenn das Monster ... andere Dimension ... meine Königin, ich bitte Euch ... ich will nicht sterben." Ich konnte mir förmlich vorstellen, wie die Königin erwiderte: „Stellt Euch nicht so an, Pietro."

Als sie schließlich um eine der vielen Ecken des Schlosses verschwunden waren, huschte ich langsam aus meinem Versteck hervor, ging möglichst schnell quer über den Rasen auf das Schloss zu, drückte mich an der Wand entlang – wobei ich darauf achtete, nichts Wertvolles abzureißen – und begann schließlich doch zu rennen. Die Pergamentrolle in meiner Hand schien immer schwerer zu werden. Da ich nicht wusste, wo ich hinsollte und ich das seltsame Flimmern und den Sumpfmagier nirgendwo erblicken konnte, folgte ich stattdessen einem stetigen Rauschen, da es das einzige war, dem ich folgen konnte. In diesem seltsamen Traum, in dieser seltsamen Welt. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam ich am anderen Ende des Gebäudes an. Ich hatte gar nicht versucht, es zu betrachten, den dabei hätte ich mir den Hals verrenkt.

Als ich jedoch um die Ecke bog, blieb mir erneut die Luft weg, denn vor mir erstreckte sich ein zauberhafter Garten voller roter, weißer und gelber Rosen, dazwischen schmale Gänge und dunkelgrüne Hecken, in der Mitte ein plätschernder Brunnen – offenbar war dies der Ursprung des Rauschens – und bunt verteilt einige Steinfiguren. In diesem Garten fühlte ich mich noch fremder als zuvor mit meiner Schultasche, der Pergamentrolle, zerrissener Jeans und Lederjacke. Ich blickte zurück zum Schloss, in der glitzernden Fassade spiegelten sich neben dem Licht auch die vielen Grüntöne des Gartens und zudem mein erschrockenes Gesicht.

„Saphira", mein Kopf schnellte wieder zurück in Richtung des Springbrunnens, denn ich glaubte, dass die Stimme dort hergekommen war. Sie klang wie die eines kleinen Kindes, aber gleichzeitig unendlich alt. „Sumpfmagier?", fragte ich und kam mir dabei unendlich albern vor. „Leider nicht, Teuerste. Den habe ich allerdings kürzlich erst gesehen." Mein Blick wanderte an dem Brunnen entlang auf der Suche nach einer Stimme, bis meine Augen an einem winzigen beigen Fleck hängen blieben, der auf einer der Steinfiguren erschien, die offenbar einen kleinen Mops darstellen sollte. Langsam zeichneten sich die knautschige Nase und die hängenden Ohren deutlicher ab, die schließlich kurz zuckten. Als nächstes färbten sich die Pfoten und schließlich der Rumpf, bis der kleine Hund vor mir stand und ich kurz davor war in Ohnmacht zu fallen. „Nicht. Euer. Ernst.", murmelte ich. „Doch mein ernst", meinte der Mops (ich hätte nicht gedacht, dass ich diesen Satz mal denken würde) und schleckte sich die Pfote. „Und, bist du der machthungrigen Ziege schon begegnet?" „Bitte?" „Na, der Königin?", fragte er/sie genervt.

„Nicht direkt begegnet ... und das habe ich auch nicht vor." „Lass mich raten", der Mops setzte sich auf den Rand des Brunnens, klimperte mit den Augen und ließ die Pfoten über die Kante baumeln. „Am liebsten würdest du sofort aufwachen, diesem Alptraum entfliehen, bla, bla, bla. Ich muss dir nur leider sagen, dass das absolut nicht geht, Ersatz-Prinzessin. Du bist jetzt nun einmal hier, auserkoren von uns, den magischen Wesen von Ichor, als Ersatz für Prinzessin Saphira die Dritte, um unsere Welt zu retten." Beinahe schien es als würde er/sie mit den Schultern zucken. „So ist eben das Leben. In einer Sekunde ist man noch ein Schulmädchen und in der nächsten schon eine Prinzessin. Was ist dir lieber?" „Das erste!", sagte ich wie aus der Pistole geschossen. „Definitiv das erste. Schließlich will ich nicht mein ganzes Leben nur Kleider anprobieren und so tun, als hätte ich im Königreich was zu sagen." Der Mops nickte verständnisvoll und änderte die Position. „Ja, ja verständlich", meinte er wichtig.

Wir schwiegen eine Weile. „Kann ich dich um einen Gefallen bitten?", fragte ich schließlich. „Sicher." „Kannst du mir sagen, was meine Aufgabe ist? Wie soll ich euch retten?" Der Mops blickte nachdenklich in die Ferne. „Ich darf dir nicht zu viel sagen. Das Rätsel musst du allein lösen." Ich wollte schon protestieren, aber da fuhr er fort. „Du sollst uns vor dem Neid deiner Mutter beziehungsweise der Mutter deines Zeiten-Zwillings retten. Das wird keine einfache Aufgabe, aber alles ist möglich." „Alles ist möglich", murmelte ich.

„Und noch eine Frage: Wie muss ich mich verhalten? Ich glaube zwar immer noch nicht, dass das hier real ist, aber falls doch ...", ich kniff die Augen zusammen, weil ich langsam Kopfschmerzen bekam, „was kann ich tun, um nicht aufzufallen?" Der Mops schien zu lächeln und zeigte mit der Pfote auf mich. „Das wirst du schon noch herausfinden, Saphira. Ich kann dir nur sagen: Such nach Ruby. Sie wird dir helfen." Mit diesen Worten schlenderte er wieder zurück auf seinen alten Platz, ließ sich mit einem seufzten nieder und blickte mich noch einmal an. „Falls du meine Hilfe brauchst. Ich warte hier auf dich." Er schloss bereits die Augen, als mir noch etwas einfiel. „Ich möchte mich bei dir bedanken, aber dazu brauche ich deinen Namen." Der Mops richtete sich auf und hätte er sich räuspern können, hätte er es jetzt getan. „Mein Name ist Dina-Daisy die Dritte vom Mühlengrund." Also doch eine sie. „Aber du darfst mich Daisy nennen, Außerwählte." „Danke, Daisy", murmelte ich, aber da hatte sie bereits wieder ihre graue Farbe angenommen und starrte in die Ferne, so als wäre sie nie wach gewesen.

Worte des letzten Kapitels: Liebe, verwunschener Wald, Feenprinzessin, Sumpfmagier, Krieg, fliegendes Piratenschiff, Prophezeiung, Fluch, fieser Blick, Saphira

The time twinOù les histoires vivent. Découvrez maintenant