Das wunderschöne Leben einer Prinzessin

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Wenn man das Schloss beschreiben müsste, würden sicherlich die Worte Prunk und Überfluss fallen. Die Decke war so hoch wie die einer prunkvollen Kirche, die Fenster glitzerten und kein einziges Staubkorn war auf ihnen zu sehen, Schnörkel und Gold zierten die Wände. Hinter einer geräumigen Halle befand sich eine Treppe mit massiven Steinstufen, die Ruby mich nun hinaufzog. Das geheimnisvolle Medaillon, das um ihren Hals baumelte, schien im leicht einfallenden Licht zu leuchten wie das Himmelsleuchten in meiner Vision.

„Gibt es irgendwo eine Karte dieser Welt?", fragte ich möglichst beiläufig. Rubys Griff um meinen Arm wurde langsam unangenehm und ihre ungleichen Augen fixierten mich interessiert. „Seit wann interessierst du dich für Geografie?", fragte sie neugierig. „Man wird seine Interessen ja wohl noch ändern dürfen", gab ich zurück. Sie nickte genervt. „Natürlich gibt es Karten von Ichor. Fehlende Dokumentationen wären schließlich armselig für ein solch fortschrittliches Volk wie das unsere." Ruby kniff ihre Augen zusammen, wandte ihren Blick kurz ab und schien nachzudenken. Ich glaubte, einen Funken Sarkasmus in ihrer Stimme gehört zu haben. „Inwiefern sind wir fortschrittlich?" „Interessierst du dich nun etwa auch noch für Politik?" Ich nickte.

Wir gingen mittlerweile durch einen langen Gang, der gar nicht mehr enden wollte, mit rötlichen Wänden und identischen braunen Türen. Ruby steuerte zielstrebig auf die letzte zu und schob mich in das Zimmer. Ein riesiges Bett umrahmt von roten Samtumhängen thronte in der Mitte. Ein riesiger Teppich verdeckte den Boden. Die Wände waren behangen mit tristen Ölgemälden, verschnörkelte Schränke und Kommoden standen hier und da verteilt.  Als ich meine Frage beinahe vergessen hatte, antwortete Ruby endlich.

„Ich kann dir nicht sagen, warum wir fortschrittlich sind, aber deine Mutter sieht es so. Und was sie denkt, ist Gesetz. Aber das muss ich dir ja nicht erklären, du weißt es besser als alle anderen." „Kann ich mir vorstellen", murmelte ich und steuerte auf ein poliertes Schwert zu, das an der Wand hing.

„Muss ich auf irgendetwas achten, wenn ich mit ihr spreche?", fragte ich und strich vorsichtig über die scharfe Klinge. „Was ist denn nur los mit dir?" Ruby tauchte direkt hinter mir auf und stemmte die Hände in die Hüften. „Gestern noch hast du gejammert, das Schwert müsse endlich verschwinden. Und die Kampfstunden bei Nikita würden dir deinen letzten Willen rauben." „Kampfstunden?", fragte ich begeistert. Endlich mal etwas positives. „Du solltest darauf achten, deine Mutter mit „meine Königin" anzusprechen, auch wenn du das gerne vergisst, oder mit „eure Hoheit". Sieh ihr nicht direkt in die Augen, du weißt, dass sie es hasst." „Ist sie meine richtige Mutter?", fragte ich. Ich sah in Rubys Augen, dass sie mich nun eindeutig für verrückt erklärte. „Stiefmutter", erwiderte sie schließlich.

„Lass das", motzte sie und stieß meine Hand zur Seite, die gerade dabei gewesen war, das Schwert aus seiner Halterung zu nehmen. Sie hetzte zur anderen Seite des Raums, öffnete einen der Schränke und zog ein pinkes Monster aus Samt, Seide und Rüschen hervor. Als sie auch noch nach einem Korsett griff, wurden meine Augen groß. „Das zieh ich nicht an! Vergiss es!" „Gefällt dir die Farbe nicht?", fragte sie. „Mir gefällt das Konzept „Kleid" nicht", erwiderte ich.

Ruby starrte mich forschend an und legte den Kopf schräg. „Was hast du in deiner Vision gesehen?" „Ich bin geflogen", erwiderte ich, „und kam an einem Sandstrand hinaus, der umrahmt war von einer Hecke und von dem Meer. Darüber war eine Art goldener Strudel und ein schwarzes Loch. Und eine Stimme habe ich gehört." „Eine Stimme von der anderen Seite?" Die restliche Farbe wich aus Rubys Gesicht. „Deine Mutter muss das wissen." „Nein!", ich schüttelte den Kopf. „Dieses Rätsel ist mir allein bestimmt und du wirst niemandem davon erzählen. Bitte." Ruby seufzte ergeben, verzog aber das Gesicht. „Wenn du ab jetzt machst, was ich sage, bist du sicher. Du verhältst dich genau so, wie ich es dir sage! Ich bin immer bei dir." Sie lächelte, das rötliche Auge leuchtete kurz auf und sie hielt mir das Kleid hin. „Das hier ist der erste Schritt."



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