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Jungkook saß auf der Couch, seine Finger krampfhaft um die bereits zweite Whiskeyflasche gekrallt. Seine Augen, gefüllt mit Wut und Enttäuschung, waren auf die tanzende Menge gerichtet oder besser gesagt, auf Taehyung und Yeji. Die Musik dröhnte in seinen Ohren, doch alles, was er wahrnahm, waren das Lachen und die ausgelassene Stimmung um das Pärchen herum.
Die Menge schien einen weiten Bogen um den Blonden zu machen, dessen Gesicht von einem dunklen Schatten überzogen war. Es wirkte, als würde eine schwarze Aura von ihm ausgehen, eine dunkle Gewitterwolke, die bedrohlich über seinem Kopf schwebte und Blitze des Zorns versprühte.

Es wollte nicht in Jungkooks Kopf, warum ausgerechnet Yeji, die die ihm damals in der High-School vor der gesamten Schule eine Abfuhr erteilt hatte, nun mit Taehyung tanzte und ihn sogar küssen durfte.
Er ging mit ihr die gesamte High-School-Zeit über in dieselbe Klasse, und damals wusste der Blonde noch nicht, dass er voll und ganz auf Männer stand. Er hatte geglaubt, in Yeji verliebt zu sein und hatte ihre dunklen Haare, ihr strahlendes Lächeln und ihre lebhafte Art bewundert.
Eines Tages hatte er den Mut aufgebracht und sie um ein Date gebeten. Doch statt einer zaghaften Zustimmung hatte sie ihn vor allen anderen zurückgewiesen und bezeichnete ihn als eklig. Denn schon damals war sie einer der beliebten und coolen Kids gewesen, während Jungkook zu den Uncoolen und Hässlichen gezählt hatte.
Ihre Worte hatten seine jugendliche Seele tief verletzt.
Und dann hatte das Schicksal noch einen draufgesetzt. Als hätte es nicht gereicht, dass sie ihn in der High-School gedemütigt hatte, hatten sie sich auch noch für dasselbe College und dasselbe Studienfach entschieden. Das bedeutete, dass er sie weitere fünf Jahre lang ertragen musste, fünf Jahre, in denen er ihr Lachen hören und ihre Anwesenheit erdulden musste. Es war, als würde er in einem Albtraum gefangen sein, der sich seit dem heutigen Tag nur noch verschlimmerte.
Dabei hatte er sie doch bisher so gut ausblenden können.

Vielleicht war es nicht die Tatsache, dass Taehyung gerade vor seinen Augen eine Frau abknutschte, sondern nur der Fakt, dass es nun mal Yeji war, das ihn störte.
Mit einem wütenden Schnauben griff er nach der Flasche und nahm einen weiteren großen Schluck Whiskey, während die brennende Flüssigkeit seine Kehle hinab glitt. Selbst die zweite Flasche, die er nun fast geleert hatte, schien seine Stimmung nicht auflockern zu können.
Irgendwann kam Jimin auf den Blonden zu und fiel ihm um den Hals. "Jungkooooook, Jisoo ist mit ihrem neuen Freund hier und er sieht so gut aus, dagegen habe ich gar keine Chance mit meinem Aussehen", schniefte der Pinkhaarige, während Tränen in seinen Augen glitzerten, als er Trost bei seinem besten Freund suchte. Doch Jungkook schien sich keineswegs für Jimins Probleme zu interessieren.

Als der Pinkhaarige bemerkte, dass er keine Aufmerksamkeit von seinem besten Freund bekam, plusterte er beleidigt seine Wangen auf und riss ihm die Flasche aus der Hand. "Du könntest wenigstens so tun, als würde es dich interessieren", sagte Jimin eingeschnappt und nahm sich ebenfalls einen Schluck vom Whiskey. Doch im Gegensatz zu Jungkook verzog er angewidert das Gesicht.
"Dann lass ich dich Trauerwolke mal alleine und geh mich bei Namjoon ausheulen", fügte Jimin wütend hinzu und drückte seinem Freund wieder die Flasche in die Hand, der noch immer nichts geantwortet hatte.

Etwa eine Stunde verging, in der Jungkook dort saß und sich stur betrank, dieses Mal mit einer Flasche Tequila. Sein Schädel begann unerbittlich zu pochen, und eine Welle von Emotionen drohte, ihn zu überwältigen, während sich Tränen in seinen Augen sammelten. Er brauchte frische Luft. Außerdem wollte er die beiden nicht längerbeobachten, also schwankte er auf die Terrasse des riesigen Strandhauses.
Mit Mühe schaffte er es, die Treppe hinunterzusteigen, ohne hinzufallen, welche direkt am Strand endete. Er entfernte sich einige Schritte vom Haus und ließ sich in den kühlen, feinen Sand fallen, der sich unter seiner Berührung formte. Er zog seine Beine an und legte seinen Kopf darauf ab, während die Musik, die vom Inneren des Hauses drang, nun nur noch ein gedämpftes Geräusch an seinen Ohren war. Er atmete tief ein und aus und schmeckte den salzigen Geschmack des Meeres auf seinen Lippen.

Als er seinen Kopf wieder anhob, musste er ihn mit seiner Hand abstützen, um das Schwanken der Welt um ihn herum einzudämmen. Seine Augen waren müde und schwer, als er auf das unendliche Meer hinausblickte, das unter dem silbernen Mondlicht glänzte. "Wieso wählst du nicht einfach mich?", nuschelte er leise vor sich hin und kramte umständlich sein Handy aus seiner Hosentasche, um auf die Uhr zu schauen. Er war gerade einmal zwei Stunden auf der Party gewesen, aber es fühlte sich an wie eine Ewigkeit.
Ohne ersichtlichen Grund stiegen dem Blonden Tränen in die Augen, die sich in seinen Augenwinkeln sammelten. Aber er weigerte sich verzweifelt dagegen, jetzt loszuheulen, obwohl der Kloß in seinem Hals es ihm schwer machte, gegen die aufsteigende Emotion anzukämpfen.

Als Jungkook plötzlich ein lautes, fröhliches Lachen hinter sich hörte, dass er eindeutig Yeji zuordnen konnte, drehte er sich langsam um und sah, wie sie mit Taehyung immer näher in seine Richtung kamen. Doch, bevor sie ihn erreichten, geschweige denn bemerkten, drehte sie den Älteren in ihre Richtung und sprang ihm wortwörtlich in die Arme. Natürlich fing der Dunkelhaarige die bildhübsche Frau auf und platzierte seine Hände an ihrem wohlgeformten Hintern, um sie zu halten, während sie ihre Lippen, gegen die des Älteren presste.
Obwohl die beiden den Blonden nicht bemerkten, bemerkte er sie sehr wohl. Jungkook hatte extra das Haus verlassen, um nicht länger dabei zusehen zu müssen, wie sie aneinanderklebten. Er konnte nicht anders, als sich vor Eifersucht und Verletzung auf seine Lippen zu beißen, die den salzigen Geschmack seiner laufenden Tränen aufnahmen.
Sein Herz schmerzte, als er sah, wie leidenschaftlich sie einander küssten und er wünschte sich nichts Sehnlicher, als selbst an der Stelle der dunkelhaarigen Frau zu sein, um seine Berührungen und Küsse zu spüren.

In diesem Moment fühlte er sich so allein und verlassen, als er instinktiv nach seinem Handy griff. Mit zitternden Fingern wählte er die Nummer seines Ex-Freunds. Jede Ziffer, die er drückte, schien seine Sehnsucht nach Trost, nach Zuneigung und nach Liebe zu verstärken.
Er brauchte jemanden, der ihm zuhörte, jemanden, der ihn tröstete.
Er brauchte jemanden, der ihn wollte.
Er brauchte jemanden, der ihm das Gefühl gab, geliebt zu werden, auch wenn es nur für einen flüchtigen Moment war.
Das Telefon klingelte ein paar Mal, bevor eine warme, vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung erklang. "Jungkook? Ist alles in Ordnung?", fragte Taemin besorgt. Jungkook schluckte schwer, es fühlte sich an, als würde er einen Klumpen aus Traurigkeit und Enttäuschung hinunterwürgen, der sich in seiner Kehle festgesetzt hatte. Er versuchte, seine Stimme unter Kontrolle zu bringen, die vor Emotionen zu zerbrechen drohte. "Ich... du...", stammelte er und ließ seinen Blick über das dunkle, unruhige Meer schweifen, das so gut seine inneren Tumulte widerspiegelte.

Das Rauschen der Wellen, das Rascheln der Blätter, das Flüstern des Windes, all das schien für einen Moment zu verstummen, als Jungkook begann, seine Gedanken in Worte zu fassen. Nachdem er noch einmal tief die salzige Meeresluft eingeatmet hatte, ließ er seinen Redefluss frei. "Ich vertraue dir noch nicht und bin immer noch wütend auf dich! Aber..." Jungkooks Stimme war fest trotz des betrunkenen Nuschelns, und seine Hände zitterten stark, als er das Handy fester an sein Ohr drückte.
"Aber ich... oder wir..." Er konnte spüren, wie der Alkohol in seinen Adern brannte und seine Gedanken vernebelten, aber er war nicht so betrunken, dass er nicht wusste, was er tat. Er wusste, dass er sich verletzlich machte, indem er Taemin anrief, aber er konnte nicht anders.
Er brauchte jemanden, der ihn wollte. "Jungkook... bist du betrunken?", fragte Taemin auf der anderen Seite der Leitung vorsichtig.

Sein Blick glitt wieder zu seinem Mitbewohner, der mittlerweile auch im Sand saß, Yeji auf seinem Schoß, immer noch küssend, als wäre die Welt um sie herum nicht vorhanden. Die Eifersucht, die Verletzlichkeit, die Sehnsucht – all das spiegelte sich in seinen Augen wider, während er sich wünschte, er wäre an ihrer Stelle. "Ja, bin ich", gab Jungkook zu. "Aber das ist egal! Es geht um dich und du musst wirklich verdammt viel tun, damit ich dir wieder vertraue!" Er machte eine kurze Pause und schniefte einmal, während die Tränen unaufhaltsam über seine Wange liefen.
"Aber... ich will es... denke ich...", murmelte der Blonde und wendete seinen Blick ab und sah auf seine linke Hand, die sich im Sand vergrub. "Ich werde dir eine neue Chance geben, also verkack sie bloß nicht wieder!", sagte er mit fester Stimme, die jedoch von der Traurigkeit und der Sehnsucht, die er fühlte, untergraben wurde.

Jungkook spürte, wie die Tränen unaufhaltsam seine Wangen hinabflossen, eine brennende Spur auf seinem bereits geröteten Gesicht hinterlassend. "Ich weiß nicht, was ich tun soll, Taemin", hauchte er seine Stimme zitternd und seine Kehle vor aufgewühlten Gefühlen zugeschnürt. "Ich fühle mich so verloren und allein." Seine Hände zitterten, als er versuchte, die Tränen wegzuwischen, doch sie flossen nur schneller. "Aber ich habe auch Angst, Taemin. Ich habe Angst, dass du mich wieder verletzen wirst. Ich habe Angst, dass du mich wieder fallen lässt."
Er konnte den salzigen Geschmack seiner Tränen auf seinen Lippen schmecken – eine bittere Mischung aus seinen eigenen Tränen und dem Salz des Meeres, das vor seinen Füßen rauschte. Er fühlte sich, als würde er ertrinken in seinen eigenen Emotionen, in seiner eigenen Verwirrung. "Und trotzdem werde ich dir verzeihen. Ich brauche dich, um mich wieder ganz zu machen... um dieses Loch in meiner Brust zu füllen", fuhr Jungkook fort, seine Stimme war nur noch ein Hauchen.

Er konnte hören, wie Taemin am anderen Ende der Leitung tief durchatmete, eine Atempause, die wie eine Ewigkeit schien. Er konnte sich vorstellen, wie Taemin die Stirn in Falten legte, wie er besorgt die Augen zusammenkniff, wie seine Augenbrauen sich in einem Ausdruck tiefster Sorge trafen. Er konnte spüren, wie sehr Taemin ihn vermisste, wie sehr er ihn liebte, auch wenn er ihm nicht vertraute.
"Ich weiß, dass ich dir wehgetan habe, Jungkook", sagte Taemin leise, seine Stimme voller Reue und Schmerz, als würde jedes Wort eine Wunde in ihm wieder aufreißen. "Ich weiß, dass ich dich enttäuscht habe. Aber ich schwöre dir, ich werde alles tun, um es wiedergutzumachen. Ich werde alles tun, um dir zu beweisen, dass du mir vertrauen kannst, und ich werde dich zurückzugewinnen."
Jungkook schluckte schwer, als er Taemins Worte hörte. Er wollte ihm glauben. "Ich werde zu dir kommen, jetzt", sagte Jungkook, seine Stimme, ein gequältes Flüstern, und raffte sich irgendwie auf seine Beine. "Also schlaf bloß nicht ein, bevor ich bei dir bin", murmelte der Blonde noch in sein Handy und legte dann auf.

Er warf einen letzten Blick nach rechts, wo die beiden noch immer saßen und knutschten, als wäre nichts anderes auf der Welt von Bedeutung. Mit zusammengepressten Lippen taumelte er auf sie zu und blieb direkt neben ihnen stehen. "Sucht euch gefälligst ein verdammtes Zimmer", knurrte der Blonde, seine Stimme vor Wut zitternd und taumelte dann ohne auf eine Antwort zu warten weg von ihnen.
Er fühlte sich immer noch verloren und allein, aber er fühlte sich auch geliebt und gewollt, und zwar von Taemin. Er hatte jemanden, der ihn liebte, jemanden, der ihn unterstützte und wollte.
Und das war alles, was er brauchte.
Dachte er.

Taemin wohnte von Jungkooks derzeitigem Standort Gott sei Dank nicht allzu weit weg. Trotz der relativen Nähe entschied sich der Blonde, ein Taxi zu rufen, da der Weg zu Fuß in seinem torkelnden Gehen und seinem emotional aufgewühlten Zustand eine Ewigkeit gedauert hätte. Außerdem fuhren um diese Uhrzeit auch keine Busse mehr.
Kaum 30 Minuten später, mit Wartezeit auf das Taxi, stand der Jüngere vor der Haustür seines Ex-Freunds. Mit einem Sturm aus Klingeldrücken, das in der Stille der Nacht fast wie ein Hilferuf wirkte, machte er auf sich aufmerksam.
Während der gesamten Taxifahrt hatte Jungkook tapfer versucht, seine Tränen zurückzuhalten, doch als er Taemin erblickte, der ihn mit offenen Armen und einem Ausdruck von Besorgnis und Mitgefühl empfing, konnte er sich nicht mehr zurückhalten. Seine Tränen flossen erneut wie ein Wasserfall über sein Gesicht, das von der emotionalen Anspannung gerötet war.

Mit einem Ansturm von Verzweiflung und Sehnsucht stürzte sich Jungkook in die Arme seines Ex-Freunds und drückte sich fest an ihn. Taemin lächelte und strich den Jüngeren beruhigend über seinen Rücken. Mit einer schnellen Bewegung hob er den Jüngeren auf seine Arme, schloss mit einem kurzen Tritt die Haustür hinter ihnen und trug ihn zur Couch, auf der sie sich gemeinsam niederließen.
So saß Jungkook nun auf Taemins Schoß, immer noch fest an seinen Ex-Freund geklammert, während seine Tränen unaufhaltsam weiterflossen. Doch für Jungkook fühlte es sich falsch an – anders als er es in Erinnerung hatte. Anders als er bei Taehyung auf dem Schoß saß und sich so an ihn klammerte, wie er es gerade bei Taemin tat. Das Gefühl war anders, so viel intensiver und elektrisierender. Natürlich schlug das Herz des Blonden schneller, wenn er bei seinem Ex war, aber er spürte nicht das Kribbeln, das Taehyungs Berührungen in ihm auslösten.

Diese Erkenntnis ließ den Blonden nur noch mehr weinen, denn es fühlte sich falsch an, bei seinem Ex-Freund Trost zu suchen. Mit einem Schniefen und Schlucken löste sich Jungkook von der Umarmung und sah in die sanft leuchtenden Augen seines Gegenübers, die ihn mit einem zuckersüßen Lächeln empfingen.
Der Schwarzhaarige strich einige Tränen aus Jungkooks Gesicht, die an seiner Haut klebten. Mit seinen Daumen wischte er ihm noch das verlaufene Make-up weg und trocknete so seine Tränen. "Ich bin da, Jungkook", sagte er mit einer Stimme, die so sanft war wie eine Feder, die über seine Seele strich.
Aber anstatt den Blonden zu beruhigen, bewirkten diese Worte das Gegenteil, denn sie entfachten in ihm den brennenden Wunsch bei Taehyung zu sein und nicht bei Taemin.

Und doch umgriff Jungkook das Gesicht seines Ex-Freunds und küsste ihn. Er wollte ihm wirklich die Chance geben, er wollte ihm vertrauen. Er musste das Risiko eingehen, auch wenn es bedeutete, dass sein Herz erneut gebrochen werden könnte.
Obwohl sein Herz womöglich bereits jemand anderem gehörte.

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Austauschschüler - one year ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏWhere stories live. Discover now