²² angst

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Taras kam mit einer Kippe in der Hand durch die Balkontür.
Endlich.
Er setzte sich neben mich und lehnte seinen Kopf an meine Schulter.
Ich legte meinen Arm um ihn und kraulte seinen Kopf.
"In letzter Zeit ist so viel Zeug rausgekommen...", murmelte er.
"Was meinst du?"
"Adam hat mir Stück für Stück alle seine Geheimnisse anvertraut, und ich hab' echt Angst, dass er sich umbringt..."
"Fuck, ja, das ist ein Anzeichen", sagte ich leise, "denkst du, ein Krankenhausaufenthalt würde ihm helfen? Auch wenn's nur zur Krisenintervention ist?"
Taras lachte leise. "Das Wort hab' ich lang' nicht mehr gehört." Er schien zu überlegen. "Vielleicht ja, aber das verzeiht er mir nie."
"Ich mein', du hast ihm verziehen, dass er deine Benzos verkauft hat..."
"Guter Punkt." Er zog an seiner Zigarette. "Mach das aber erst, wenn ich weg bin, ja?"
Ich nickte.
"Soll ich ihm Bescheid sagen?"
"Ja, auf jeden Fall. Aber gib alles, dass er nicht abhaut. Das wäre nicht so gut, wenn 'n Rettungswagen kommt und niemand zum Abholen da ist."
Taras nickte erneut.
"Wie schlimm ist es?"
"Er hat echt krasse Probleme, ich weiß nicht, ob ich das durchhalten würde."
Ich schluckte.
Dann erinnerte ich mich an ein Ereignis vor, oh, fuck, keine Ahnung, wie lange das her war.
"Nimmt er regelmäßig Opiate?"
Taras sah mich entgeistert an. "Du weißt davon?"
"Als du vom Krankenwagen abgeholt wurdest, war ich ja noch hier..."
"Ja?"
"Adam hat mir 'ne Oxy gegeben."
"Was zum Fick?" Taras starrte mich entgeistert an.
Ich schluckte. "Ich mach's nie wieder, versprochen. Mit Schmerzmitteln ist nicht zu spaßen."
"Oh, scheiße."
Ich seufzte. "Außerdem weiß ich, wie Opiatabhängige aussehen, ich arbeite in der Psychiatrie. Hätten auch Benzos sein können, ich war mir nicht sicher. Wollte dich nicht triggern, für den Fall, dass es Benzos waren."
Taras starrte in die Leere. "Sprich ihn ja nicht drauf an, er will nicht, dass man davon weiß", sagte er leise.
"Mach' ich nicht, keine Sorge."
"Gut..."
Ich seufzte. "Würde mir das Herz brechen, wenn er sich das Leben nehmen würde. Er sorgt sich so sehr um dich und rettet die ganze Zeit deinen Arsch."
Taras nickte mit Tränen in den Augen. "Das stimmt."
"Wie geht's dir damit?"
"Ich hab' 'ne riesen Angst... ich weiß wirklich nicht, wie ich ihm helfen kann, aber es muss sofort irgendwas passieren, sonst ist er weg."
Ich zog Taras in eine Umarmung.
Ich konnte gar nicht begreifen, was er und Adam gerade durchmachten.
Taras hatte recht.
Es musste sofort etwas passieren, sonst wäre Adam in Nullkommanichts tot und Taras würde wahrscheinlich das gleiche tun.
"Danke, dass du für mich da bist...", krächzte er und rieb über seine Augen.
"Ich liebe dich, Taras."
Er schluchzte nur und lehnte sich an meine Schulter.
Ich kraulte über seinen Kopf.
"Fuck, ich hab' keine Ahnung, wie ich ihm das beibringen soll. Er ist der Meinung, man kann ihm nicht helfen und das ist 'n riesen Stein in seinem Weg", murmelte Taras.
"Das stimmt, aber du schaffst das. Du scheinst einer der wenigen Menschen zu sein, auf die er hört. Das verschafft dir 'nen großen Vorteil."
Er nickte.
"Aber soll ich ihm direkt Bescheid sagen, oder erst, wenn der Krankenwagen fast da ist?"
"Dazwischen, schätz' ich mal."
"Fuck, ich hab' so Angst, dass er mich danach hasst..." Er rieb über seine Augen.
"Ich glaub' nicht, dass das passiert. Ihr seid immerhin Freunde, und ihr kennt euch auch nicht erst seit gestern."
Taras atmete tief durch. "Du hast Recht, du kannst ja auch logisch denken. Ich denk' mit meiner Angststörung."
Ich küsste seine kurz rasierten Haare.
"Du kannst schon, du hast es nur verlernt."
"Ich will Adam auch nicht alleine lassen."
"Die Wahrscheinlichkeit ist größer, dass er sich was antut, wenn er hier bleibt. Glaub mir."
Taras nickte. "Kannst du anrufen?"
"Ja. Aber erst wenn ich hier raus bin."
Ich umarmte Taras noch ein Mal innig und küsste seine Lippen.
"Bis später, sag Bescheid, wenn er weg ist."
"Bis später."

zwei dosen spriteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt