²³ porzellan

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Maya war seit einer Minute weg, Adam hatte sie wahrscheinlich gehen sehen.
Das alles kam mir wie eine schlechte Idee vor.
Adam würde mich hassen.
Für immer.
Andererseits wusste ich wirklich nicht, wie man ihm sonst helfen konnte.
Scheiße, wie sollte ich ihm das nur erklären.
Eine fucking Xanax.
Nur eine.
Eine einzige.
Mit wackeligen Knien stand ich auf und ging zurück ins Wohnzimmer zu Adam.
Er schien sofort zu merken, dass etwas nicht stimmte.
"Was ist los? Alles okay?", fragte er leise.
Ich setzte mich wortlos zu ihm.
"Maya weiß es, aber sie weiß es nicht von mir", murmelte ich.
"Von wem dann?"
"Sie hat's gemerkt. Schau' dich doch mal an."
Er schluckte.
"Adam, ich weiß, du willst das nicht..."
Ich brach ab.
"Aber?" Adam sah mich verängstigt an.
"Das kann so nicht weitergehen..."
"Was meinst du?"
"Was ich meine? Du fixt, du ritzt dir deinen kompletten Arm auf, du hast Nervenzusammenbrüche in deinem Zimmer, und du fragst mich, was ich meine?"
Scheiße, das klang jetzt wahrscheinlich echt hart.
Aber fuck, wie sollte ich ihm das sagen...
"Sorry, war nicht so gemeint", sagte ich leise.
"Worauf willst du hinaus?" Er schien ruhig zu sein, aber ich merkte seine innere Anspannung.
"Scheiße, ich hab' so Angst dir das zu sagen..."
"Sag's einfach."
"Ich hab' dir nen Krankenwagen gerufen. Du brauchst ganz schnell Hilfe, sonst bist du tot", presste ich zwischen meinen Lippen hervor.
"Was?"
"Ich weiß, du verstehst das gerade nicht, aber-"
"Ich verstehe das kein bisschen, ja."
Er lachte leise und stand auf.
Scheiße.
Ich hielt seine Hand fest.
"Bitte lass' dir helfen."
"Wie denn?", rief er verzweifelt.
"Keine Ahnung, versuch's einfach", flüsterte ich. Ich stand den Tränen nah und er schien das zu merken.
"Heulst du jetzt?"
"Ja."
"Ich bin das nicht wert", murmelte Adam und wollte seine Hand wegziehen, aber ich hielt diese fest.
"Wo willst du denn überhaupt hin?"
"Was denkst du denn. Zum Teufel."
"Fuck, ist das nicht Grund genug, sich Hilfe zu suchen?"
Adam schwieg.
"Bitte, bleib wenigstens eine Nacht da."
"Ich will aber nicht in die scheiß Klapse!"
"Versteh' ich vollkommen, aber bitte, wenn du's nicht für dich tun kannst, dann tu es wenigstens für mich."
"Ich soll für dich clean werden? Weißt du, wie schlimm das ist?"
"Ja, weiß ich." Ich schluckte.
"Okay, du weißt, wie schlimm das ist, aber nur weil du das geschafft hast, heißt das nicht, dass ich das auch schaffe..."
"Ich glaub' aber an dich."
"Das glaubst du dir doch selber nicht."
"Ich bin bereit, alles zu tun, dass du wenigstens noch ein Mal versuchst clean zu werden."
"Ich aber nicht."
"Adam."
"Was?!", schrie er mich an.
Ich hatte ihn noch nie so erlebt, er war immer so ruhig und verständnisvoll gewesen.
Drogen hatten ihn kaputt gemacht.
Es war nicht seine Schuld.
"Bitte, bleib' nur eine Nacht..."
Er schüttelte den Kopf.
Ich schluckte.
"Weißt du überhaupt, wie scheiße das für mich ist, mit der Angst zu leben, dass du verreckst? Du bedeutest mir so viel, und ich sehe keinen anderen Weg, dir zu helfen."
Er schwieg.
"Ich will nicht, dass du stirbst", fügte ich leise hinzu.
Er seufzte.
"Kann ich wenigstens noch einen Schuss haben?"
"Wenn du nicht übertreibst."
"Ich pass' auf."
Ich seufzte und ließ von seiner Hand ab.
"Ich bin dann mal im Bad", murmelte er und ging weg.
Kaum hörte ich das Schließen der Badezimmertür, rannte ich ihm hinterher.
Ich lehnte mein Ohr an die Tür.
Erst hörte ich das poppen der Tablette aus dem Blister.
Fuck, das Geräusch triggerte gerade echt.
Dann erstmal nichts und dann ein Feuerzeug.
Wieder nichts.
Schließlich stöhnte er leise auf.
Ich machte die Tür auf.
Diesmal saß er an die Wand gelehnt da und zog in letzter Sekunde seinen Ärmel zurück.
Es war bei weitem nicht so schlimm für mich wie das erste Mal, aber trotzdem hatte ich echt Angst.
Ich hob ihn hoch und trug ihn auf die Couch.
"Weißt du, Taras..."
"Hm?"
"Ich hatte so Angst, dass du mich hasst, deswegen hab' ich dir nichts von meinen Gefühlen gesagt."
"Warum sollte ich dich hassen?", fragte ich leise.
Er seufzte. "Hab' mich damals, so mit zwölf, schon mal in meinen besten Freund verliebt. Er hat gesagt, ich bin 'ne scheiß Schwuchtel und ich hab' ihn nie wieder gesehen."
"Scheiße, das tut mir leid."
"Passt schon..." Er rieb über seine Augen.
"Nein, das passt nicht. Das geht nicht klar."
"Muss es aber, der Scheiß ist acht Jahre her."
Ich seufzte.
"Und wieso hast du nichts von deiner Sucht gesagt?"
"Ich hatte Angst, dass du überreagierst und mich einweist. Naja, jetzt ist es aber eh schon egal. Ich hoffe, ich sterbe am Entzug..."
"Scheiße, bitte sag' sowas nicht..."
"Tut mir leid."
"Ist okay, sag's einfach nicht nochmal."
Fuck, ich hatte keine Ahnung, wie ich ihn ein bisschen beruhigen konnte.
"Willst du mich eigentlich küssen?", fragte ich ihn leise.
Er nickte. "Hab's mir tausend Mal vorgestellt, aber mir ist klar, dass du das nicht willst", nuschelte er.
Ich schluckte.
"Ich will zwar nichts von dir, aber... naja, wenn du willst, kannst du mich küssen. Ist ja nichts dabei."
"Echt?"
Ich nickte und half ihm, sich aufzusetzen.
Seine Augen schauten in meine Augen, auf meine Lippen und wieder in meine Augen.
"Trau' dich."
Er verband vorsichtig unsere Lippen miteinander, als wäre ich aus Porzellan.
Irgendwie echt süß.
Er löste sich von mir und lächelte sogar ein ganz kleines bisschen.
"Danke, Bro."
Ich schmunzelte.
"Kein Ding."
Ich hörte Sirenen in der Ferne.
"Bist du bereit?"
"Nein, aber wer ist das schon."

zwei dosen spriteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt