03 - Maschinenmarionette

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Will

Ich hatte es schon immer gehasst, nichts zu tun.
Vielleicht lag es daran, dass ich dann so gut nachdenken konnte, dass meine Gedanken die Stille und Bewegungslosigkeit ausnutzten, vielleicht daran, dass ich das Gefühl hatte, weglaufen zu müssen. Es war das Gefühl von Gefangenschaft, warten zu müssen, und auch irgendwie das, einen Fehler begangen zu haben und nun auf den Richter zu warten.
Oder aber, ihm schon gegenüber zu stehen. Denn eine wirklich beruhigende Wirkung hatte Vidia nicht wirklich auf mich, wie sie so mit versteinerter Miene auf der anderen Seite des Tisches saß und an mir vorbei durch die riesenhafte Glaswand hinaus schaute.

Vielleicht hätte ich mich auf die andere Seite setzten sollen, überlegte ich, denn alles, was mein eigenes Blickfeld zu bieten hatte, war Vidia und die weiße Wand dahinter, wie im mich zu erinnern, dass es sich hierbei um die Quaräntane-Station des besten Hospitals von Miksith handelte. Eine Tatsache, die mir auch nicht wirklich gefiel - zum Einen, weil Cane noch immer nicht aufgewacht war, zum anderen, weil ich mir in Krankenhäusern schon immer so eingezwängt vorgekommen war.
Der Raum selbst war völlig weiß und nur mit einem kleinen Tisch, umrandet von vier Stühlen, ausgestattet. Wie auch das Zimmer mit dem Ledersofa war er peinlich sauber gewischt, und auch hier hing eine Fahne von Desinfektionsmitteln in der Luft. Viereckige, flache Lampen an der Decke strahlten mattes, kaltes Licht aus, genug, um den Raum in allen Ecken zu erhellen, aber nicht ausreichend, um einen völligen Spiegel auf die Fensterscheibe hinter mir zu werfen: Die Nacht war bereits angebrochen, und durch das kühle Glas konnte man die vielen kleinen Lichtpunkte sehen, die Miksiths Wachfeuer zwischen die dunkelgrauen klobige Silhouette von nach vorne gebeugten Körper malte.

Ich blickte auf meine Hände zurück. Die Haut war teilweise etwas verschrammt, aber die Finger sauber und sogar die Nägel ordentlich geschnitten und von all der Asche und dem Staub befreit, der sich dort hineingegraben hatte. Als hätte man versuchen wollen, mich zu perfektionieren.
Schade, dass es unmöglich ist, Menschen wie dich besser zu machen, nicht wahr?
Aber noch bevor ich tiefer in meinem Selbstmitleid versinken konnte, holte Vidias Stimme mich wieder in die Realität zurück.
„Meredith Parker ist heute Morgen angereist." So neutral sagte sie das, so, wie sie das dauernd tat seit dem Movie Park. Ich wusste nicht genau, was sie dachte, was in ihren Worten mitschwang, was ich von ihr halten sollte, aber ich vermutete mit einer dumpfen Gewissheit, dass blanker Hass dahinter steckte.
„Ich weiß." Dass Meredith da war, ja. Und ich musste mir eingestehen, dass ich ihr aus dem Weg ging. Schon seit heute Morgen. Natürlich, sie hatte nicht viel freie Zeit und wegen ihrer mechanischen Beine ziemlichen Ärger gehabt, aber ich wusste, dass sie sich meiner Anwesenheit bewusst gewesen war, als ich hinter der riesigen Fensterfront im ersten Stockwerk ihre Ankunft beobachtet hatte. Sie war nicht für mich gekommen, sondern für Cane, aber sie würde mit mir reden wollen.

Ich erinnerte mich an ihre Worte, kurz vor dem Movie Park. Pass auf das Zimtmädchen auf. Sie verlässt sich auf dich.
„Was ist mit Omega?", fragte ich, um mich von den Worten abzulenken, die sich in meinem Kopf immer wieder von Neuem abspielten.
Ich hatte Omega zuletzt gesehen, als wir Cane hierher gebracht hatten, und da hatte ich ihm kaum Beachtung geschenkt.
,,Er will nicht hier bleiben."
,,Warum nicht?" Ich war überrascht. Irgendwie hatte ich gehofft, er würde mit uns weiter reisen, wohin auch immer, denn ich mochte ihn. Manchmal konnte ich ihn einfach nicht richtig einschätzen und er versuchte, mit mir zu reden und mich zu verstehen, ohne dabei wirklich aufdringlich zu sein.
,,Sagen wir es so, er hat nicht das beste Verhältnis zur Winterkönigin ..."
,,Das haben wir ja auch nicht gerade", bemerkte ich trocken.
,,... oder besser, zu ihrer Tochter."

Das überraschte mich. ,,Die Winterkönigin hat eine Tochter?"
,,Mhm, ja. Ob leiblich oder nicht, ist nicht so wirklich klar, aber ... ja, durchaus."
Ich konnte mir die Winterkönigin, die Kälte in Person selbst, beim besten Willen nicht als Mutter vorstellen. Andererseits kannte ich sie auch kaum, und ich wusste ja selbst, was eine gute Maske so alles ausmachen konnte.
,,Sie wird in den nächsten Tagen anreisen und uns zum Schloss begleiten", ergänzte Vidia, aber ihr Blick wanderte wieder gedankenverloren über die Wachfeuer draußen, die sich hell zuckend vom dunkelgrauen Himmel abhoben.
,,Hast du das mit den anderen beiden angesprochen?"
Vidia nickte.

Winterherzen (II)Where stories live. Discover now