Zu zweit durch Köln

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Ihren Namen findet er sehr interessant. Er ist noch nie jemanden begegnet, der diesen Namen trägt. Er ist besonders, aber ist seine Träger das auch? Hat sie sich diesen Namen verdient? Er weiß es noch nicht, aber da ist etwas an ihr, dass ihn neugierig macht. Er nickt sachte in die Richtung, in die sie müssen, um ihr anzuzeigen, dass der Weg dort entlang geht. Gleichzeitig setzen sich die beiden jungen Menschen in Bewegung und gehen nebeneinander durch Köln.

"Raven", wiederholt er den Namen. "Was führt dich nach Köln?", fragt der Mann vorsichtig.

Ihr schaudert, als er ihren Namen ausspricht. Das klingt so gut. "Ich lasse mir morgen ein weiteres Tattoo stechen, allerdings in Aachen, daher konnte ich mir die Straße auch merken."

"Das erklärt aber nicht, wieso du hier bist anstatt in Aachen."

Sie zuckt mit den Achseln, schaut vor sich hin, schlendert weiter neben ihm her, überlegt sich eine Antwort. "Ich habe kein gescheites Hotel gefunden, das noch dazu in der Nähe von diesem Tattoostudio ist. Außerdem bin ich mit der Bahn hierher gefahren und wollte nicht noch später in einer ganz fremden Stadt ankommen, als ich hier ankam."

"Also warst du schon mal hier in Köln?"

"Ja, aber nicht in dieser Region. Oder vielleicht doch? Ach ich hab' keine Ahnung."

Da der junge Mann namens Thaddeus, es noch ein wenig herauszuzögern will, sie zum Hotel zu führen, um noch ein Weilchen mit ihr zu reden, entscheidt er in eine breite Straße abzubiegen, einen Umweg zu gehen. Die Straße ist leer, verlassen, führt zum Rhein, genau die entgegengesetzte Richtung also. Über ihnen leuchten ein paar Laternen, die Raven mit großen Augen anschaut. In dem Licht erkennt er ihre Haarfarbe gleich viel besser. Sie hat lange braune Haare, die weich aussehen und glänzen. Sie sehen nicht langweilig glatt aus, sondern sind ganz leicht gewellt und im Laufe des Tages sind sie auch ein bisschen kraus geworden.

"Hey", sagt sie plötzlich, bleibt stehen, sieht sich um. "Ich kenne diese Gegend!" Der Mann schaut sie überrascht an, innerlich befürchtet er, dass sie bemerkt hat, dass er sie auf einen falschenWeg geführt hat. "Hier in der Nähe habe ich eine Zeit lang gewohnt! Bei meiner Oma in den Ferien als ich 15 war, weil ich nicht mit meinen Eltern wegfahren wollte", erinnert sie sich, teilt dies mit ihrer Umwelt.

"Willst du sie vielleichg besuchen?"

"Sie ist tot", antwortet Raven gelassen auf seine Frage.

"Das tut mir leid", murmelt Thaddeus, will nicht, dass sie wegen ihm jetzt in eine Trauerphase verfällt.

"Wieso tut dir das leid? Du konntest doch nichts dafür, dass sie gestorben ist", meint Raven, legt den Kopf schief und schaut ihren Begleiter nachdenklich an.

"Na ja. Mir tut es leid für dich, dass du sie verloren hast."

"Das muss es nicht. Sie war eine schreckliche Frau, die kleine Kinder nicht ausstehen konnte." Thaddeus ist über ihre Gelassheit erstaunt, fragt sich, ob sie immer fröhlich ist.

"Komm mit", sagt sie breit grinsend und ehe er sich versieht, hält sie bereits sein Hamdgelenk fest und schleift ihn hinter sich her. Ihre Füße gleiten über den Boden und der junge Mann fühlt sich wie der Wind, unglaublich schnell. Er merkt, dass sie ihn langsam loslässt, doch er ergreift ihre Hand, hat Angst dann nicht mehr so schnell zu sein. Ihr macht das nichts aus. Sie genießt den Wind in ihren Haaren, fühlt sich frei, als könnte sie jeden Moment fliegen. Genauso fühlt auch er sich. Gespannt rennt er leicht hinter ihr versetzt her. Eine Hoftür kann die beiden nicht aufhalten, sodass sie nun in die offene Tür eines fremden Hauses reinrennen. Thaddeus weiß nicht so recht, ob sie vielleicht doch lieber wieder gehen sollten, fals sie gesehen werden. Nicht, dass sie letztendlich noch im Gefängnis landen wegen Hausfriedensbruch! Doch er rennt ihr weiterhin hinter her, fühlt sich als würde er die Treppen hoch fliegen, statt zu gehen. Es kommt ihm vor, als würden sie immer schneller werden und gleich durch ein Zeitportal springen, was dann die Tür wäre auf die sie nun zurennen. Raven drückt die Türklinge ohne anzuhalten und beide stürmen nach draußen, wo sie sich loslassen und ein bisschen entfernen, keuchend nach Luft holen. Es fühlt sich gut an. Frische Luft füllt ihre Lungen. Mit großen Augen schaut der junge Mann auf Köln herab, das in Dunkelheit umhüllt daliegt. Nur vereinzelte Lichter durch Fenster oder Laternen sind zu sehen. So hat er die Stadt, in der er lebt, noch nie gesehen.

"Wow", keucht er, schaut zu der jungen Frau, die an den Rand des Daches tritt, ihren Kopf in den Nacken legt, als Wind aufkommt.

"Hier bin ich jeden Tag hin, wenn mir meine Oma zu viel wurde und ich einfach nur alleine sein wollte, frei von allem. Dann habe ich immer zu den Sternen aufgeschaut und mir überlegt, wie weit sie wohl weg von all dem sind", erzählt sie leise.

Thaddeus kommt auf sie zu und schaut zu den unzäligen Sternen am Himmel auf, versteht genau, was sie meint. Der Ort hat etwas magisches, zumindest glaubt er das. Es kommt ihn hier vor, als wären sie außerhalb von Zeit und Raum. Keine Verpflichtungen, keine Sorgen, nichts. Nur sie beide, alleine, ungestört, frei.

"Genau das, bedeutet mein Tattoo", flüstert sie, offenbart sich dem Mann. Sie weiß nicht wieso sie es ihm verraten hat, aber es kam einfach so heraus. Sie fühlt wie er sie mit seinen schönen Augen anschaut. Raven richtet ihren Blick auf ihn. Ihr Herz klopf gleichmäßig, hält sie am Leben. Doch mit einem mal ist diese Zweisamkeit weg, das merken beide. "Wir sollten gehen", haucht sie und beide setzten sich in Gang, das Gebäude zu verlassen und wieder auf den Boden der Realität zurück zu kehren.

Und dann kam er. | TaddlWhere stories live. Discover now