Geh' nicht...

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Der Bahnhof ist voller Menschen, die alle auf ihren Zug warten. Einer von ihnen ist Raven, jedoch freut sie sich keines Wegs zu gehen, wie es manch anderer tut - wenn auch vielleicht unbewusst. Viele sitzen auf den Bänken, essen etwas, dass sie sich gerde erst an einem Imbisstand gekauft haben. Andere stehen angelehnt an einer Säule mit einem Kopfhörer im Ohr, während sie auf ihr Handy starren. Und wiederum andere rennen durch die Gegend auf der Suche nach ihrem Gleis. Gähnend langsam betreten drei junge Menschen den Kölner Bahnhof. Zwei von ihnen schauen unglücklich drein, der dritte eher ganz normal. Er lässt seinen Blick schweifen, überlegt, wo sie jetzt hin müssen. Die Nummer eins und zwei jedoch, wollen gar nicht erst das richtige Gleis finden.

"Welches Gleis ist es gleich noch mal?"

Sie gibt ihm keine Antwort, sondern reicht ihm nur das Ticket, damit er es sich selber anschauen kann. Ihr Blick ist leer, starrt auf einen Punkt in der Ferne, den nur sie sehen kann. Sie fühlt sich ausgesaugt und hohl, all ihre Freude, jegliches Glück, wurden ihr genommen und mit trauer versucht aufzufüllen. Aber da bleibt eine Leere in ihrem Herzen, die nicht gefüllt werden kann. Sie schielt leicht zu dem Mann neben ihr auf, dessen Blick ebenfalls ins Nichts führt, doch als er ihren Blick auf sich ruhen spürt, schaut auch er ihr in die Augen, versucht ein Lächeln aufzusetzten, aber das versagt ihm kläglich.

"Ah. Ich glaube wir müssen hier lang!" Der dritte setzt sich in Bewgung.

Sie nimmt seine Hand, spürt wie er sie festhält, als würde er sie nie wieder loslassen, wünscht sich, dass er das auch nicht tun wird. Es erscheint ihnen als würde alles in Zeitlupe geschehen. Es fühlt sich zäh an, als würden sie sich unendlich schnell im Vergleich zu den ganzen anderen Menschen vorwährts bewegen. Das Ende ist unausweichlich, rückt stetig näher. Mit jeder Sekunde. Mit flehenden Blick schaut sie jede Uhr an, in der Hoffnung die Zeit mit ihrem Blick zum Stillstand zu bewegen, doch diese ist eiskalt, schreitet immer weiter voran, will unbedingt die zwei Seelen voneinaner trennen, damit sie unglücklich werden, bis sie irgendwann daran zu Grunde gehen.

"Da wären wir." Ardian schein stolz zu sein, das richtige Gleis gefunden zu haben, wofür ihn Thaddeus in dem Moment gerne eine geklatsch hätte. Umbringen nicht gleich, schließlich weiß er, dass er jemanden als Stütze braucht, jemanden der ihn wieder aufmuntern wird.

Die Uhr zeigt bereits 15.15 Uhr. In wenigen Minuten wird der Zug eintreffen, Raven mit sich nehmen, sie von dem jungen Mann mit den geflochtenen Dreads trennen. Sie erinnert sich an den Zeitpunkt als sie ihn begegnet ist, erlebt jeden Moment mit ihm noch einmal, sodass es ihr vorkommt, als würde sie ihn schon ewig kennen.

"Glaubst du an das Schicksal, Raven?"

"Wieso?"

"Meinst du, es war Zufall, dass wir uns begegnet sind? Glaubst du an das Schicksal? Glaubst du, wir werden uns wieder sehen?" Erst jetzt schauen sie sich wieder tief in die Augen. Es gibt wieder nur noch sie. Sie beide, allein auf dem Bahnhof, keine weitere Menschenseele ist hier. Alles rückt in weite Ferne und ist doch so nah. Er hat ihr die Frage gestellt, die ihn seit der Nacht, in der er sie zu ihrem Hoten geführt hat, beschäftigt.

Sie überlegt kurz, legt sich ihre Worte gewählt zurecht, bevor sie ihm eine Antwort auf seine Frage gibt. "Ich glaube, jeder geht einen Weg, der nur für ihn bestimmt ist. Auf diesem Weg, kommt man an viele Kreuzungen an, wo man sich entscheiden muss, wo man lang geht. Jedoch weiß man nie, was hinter diesen Abzweigungen liegt, was sich hinter der nächsten Kurve verbirgt. Manchmal treffen zwei Weg aufeinander, sodass man den Weg ein Stück zu zweit entlang geht, aber irgendwann trennen sich auch wieder die Wege und niemand kann sagen, ob sie sie wieder kreuzen werden, oder in zwei völlig unterschiedliche Richtungen gehen werden", sagt sie. In dem Augenblick fährt ihr Zug in den Bahnhof ein. Sie verabschiedet sich von Ardy, ehe sie sich wieder Thaddeus zu wendet. Ardian ist so aufmerksam und geht ein wenig weg, um den beiden noch einen kurzen Augenblick für sich zu geben.

Sie schauen sich lange in die Augen, bis sie es nicht mehr aushält, sie fällt ihm um den Hals mit Tränen in den Augen. "Ich hoffe sehr, dass sich unsere Wege wieder kreuzen", flüstert sie ihm in sein Ohr. Er drückt sie noch fester an sich, will sie nicht gehen lassen. Doch schließlich lösen sie sich von einander. "Ich liebe dich, Thaddeus", haucht sie ihm zu, bevor sie zu ihrer Tasche geht. Er hält sie am handgelenk fest. Eine Träne rollt ihr über die Wange als sie sich umdreht und ehe sie sich versieht, befinden sich  seine Lippen auf ihren. Sie legt ihre Arme um seinen Hals, drückt sich eng an. Es ist ein feuchter Kuss, durch die Tränen, die nun unaufhaltsam aus ihren Augen drängen.

"Geh' nicht, Raven. Bleib bei mir", flüstert Thaddeus eindringlich, als sich ihre Lippen wieder von einander lösen. Sie öffnet ihre Augen wieder, spührt den Nachklang des Kusses auf ihren Lippen, will ihn am liebsten für immer festhalten.

"Ich kann nicht", flüstert sie. Ihr Herz fühlt sich an, als würde es zerbrechen.

Ein Pfeifen ist zu hören, was ankündigt, dass nun jeder noch schnell einsteigen sollte, der es noch nicht getan hat, da der Zug nun bald abfährt.

"Ich liebe dich, Raven", sagt er als sie ein paar Schritte rückwärts macht, er sie nur noch leicht an der Hand hält.

"Ich liebe dich auch." Mit den Worten gleiten ihre Hände auseinander, ihre Wege trennen sich.

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Ende ^~^

Und dann kam er. | TaddlOnde as histórias ganham vida. Descobre agora