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Müde schleppe ich mich die Straße zur Schule entlang, während mein Kopf sich um den Eintrag des Buches dreht. Ich frage mich immer mehr, wer diese Person ist und das bereitet mir noch Kopfschmerzen. Genervt krame ich meine Kopfhörer aus der Tasche meiner Hose und höre schließlich Musik.

Es ist verdammt dunkel und allein diese riesigen Lampen beleuchten nur schwach die Straßen. Nach wenigen Minuten sehe ich bereits meine Freunde vor der geschlossenen Schule stehen und muss grinsen. Ich atme nochmal tief durch, bevor ich zu ihnen gehe. Tonys Freunde wirken angespannt, während Finja an ihrem Handy spielt und Clara an Tony selbst hängt. Lisa hingegen wirkt wie ein Raubtier und scheint angepisst zu sein. Am Abend sprechen wir kaum ein Wort miteinander, da wir niemanden aufwecken wollen und tatsächlich bin ich zu spät.

,,Claire May Johnson!", faucht Lisa und haut mir auf den Oberarm.

,,Woher kennst du meinen Zweitnamen, Lissy?", provoziere ich sie und blicke kurz in den Himmel. Die Sterne scheinen heute und der Mond leuchtet stark. Es ist nicht wirklich kalt, weswegen ich nur den üblichen Pullover trage und kein T-Shirt darunter.

,,Können wir los?", blickt Finja in die Runde und steckt ihr Handy weg. Es sind zehn Minuten nach Mitternacht und es ist Freitag. Das Wochenende wird langweilig, da ich meine Hausaufgaben erledigen muss. Mr. Wood hat uns tatsächlich über das Wochenende Hausaufgaben aufgegeben und ich will ihm den Hals umdrehen.

,,Lasst uns gehen", bestätigt Clara ihre Aussage mit einem Nicken und kramt eine Zigarette heraus und steckt sie sich in den Mund. Finja verzieht ihr Gesicht, während Lisa und ich uns beeilen.

,,Wohin gehen wir?", höre ich Riley hinter mir flüstern, doch ich lächele stumm. Gemeinsam machen wir uns auf den Weg durch einen Wald und dann über eine Brücke. Finja trennt sich schließlich von der Gruppe und setzt sich auf das Geländer der Brücke, wo sie die Augen schließt und Musik hört.

,,Wir sehen uns später", winkt Clara ihr zu, während ich rufe:,,Schreib uns, wenn du kommst."

Gemeinsam laufen wir weiter und mein Kopf versinkt in den Gedanken. Ich singe leise das Lied mit, dass ich höre und hoffe, dass wir bald ankommen. Ich merke, dass meine Freunde langsam neugierig werden. Sie fragen sich, was mit mir los ist und ich weiß es nicht, denn meine Gedanken drehen sich nur um dieses Buch und es nervt.

,,Was ist los, Claire? Du beleidigst nicht mehr die ganze Zeit einfach irgendetwas", flüstert Lisa mir zu und ich nicke grinsend. Obwohl niemand hier ist, sind wir leise und wecken niemanden auf.

,,Ich denke nur nach. Nichts besonderes", winke ich ab und gehe lächelnd weiter. Die Nacht erfüllt mich mit Ruhe und Clara raucht genüsslich ihre zweite Zigarette. Tony und seine fünf Freunde hängen mir am Arsch und als wir schließlich auf ein Dach klettern müssen, sind sie alle still. Lisa breitet auf dem Dach ihre Arme aus und dreht sich kichernd im Kreis. Clara hockt sich an den Rand des Daches und schließt ihre Augen. Sie lässt ihre Beine baumeln und ich schaue einmal kurz in den Wald, bevor ich wieder hinunter klettere und Clara zunicke.

,,Wohin gehst du?", fragt mich einer von Tobys Freunden flüsternd.

,,Shut up", grinse ich süffisant und verschwinde schließlich in der Nacht. Hinter mir höre ich noch, wie Lisa kichert und Tony schnaubt, doch das interessiert mich nicht. Ich mache mich auf den Weg zu einem bestimmten Baum, wo ich mich nach einigem Kraftaufwand auf einen dicken Ast setze und mich strecke. Dieser Baum hat zwei Äste, die fast nebeneinander wachsen und mein Gewicht aushalten, sodass ich mich hinlegen kann und in die Nacht blicke. Genervt wechsele ich das Lied und schaue auf meine Nachrichten in WhatsApp. Der Abend ist noch jung und es ist schon fast ein Uhr. Ich sitze noch lange an meinem Handy, bis ich stumm in den Himmel schaue und die Stille genieße, bevor mir ein verzweifeltes Lachen über die Lippen kommt, dass ich mich selbst für verrückt halte.

Teenager zu sein ist scheiße. Ich hasse es und bei Gott, ich will endlich raus. Ich will meine Freiheit haben. Ich hasse diese poetische Seite an mir und könnte diese Person aus dem Buch dafür verfluchen, doch was meint diese Person? Diese Figur will doch nur etwas beweisen, so verzweifelt es auch ist. Vielleicht ist das ja nur ein dummer Scherz, ein Streich oder ein Buch von einer Autorin, die so einen Versuch gestartet hat. Dass ich dieses Buch in dieser gruseligen Bibliothek gefunden habe, ist ja schon merkwürdig genug, denn da ist niemand. So wirklich niemand. Niemand geht zu diesem Ort und wenn, dann sucht er ein Buch, dass er in der Bücherei nicht findet.

Ich atme tief durch und erhalte eine Nachricht von Finja. Genervt springe ich vom Baum, kletter herunter und laufe schließlich zu unserem Treffpunkt. Lisa liebt dieses Dach eines alten Holzhauses oder eher eines Unterstandes, denn was anderes ist es ja nicht. Clara hasst die Welt eh und Finja hat das Geländer dieser Brücke. Der Fluss ist nicht wirklich riesig und man kann sogar darin baden, aber ertrinken würde Finja eh nicht. Meine Hände tun weh und ich fluche leise, als ich fast stolpere.

Schließlich komme ich dann bei Finja und der Truppe an, bevor wieder Stille herrscht.

,,Wollen wir zurück?", gähnt Finja und reibt sich kurz über ihre Augen.

,,Nein!", lacht Lisa plötzlich und sieht hinter sich. ,,Es ist noch früh. Wir können in eine Bar gehen!"

Ich lächele stumm und erinnere mich an das Buch. Die Figur hat auch nur stumm bei ihren Freunden gestanden, die eigentlich nicht ihre Freunde sind. Sie sind nur Personen, die die Figur nicht alleine fühlen lassen. Innerlich ist dieser Figur doch bewusst, dass sie keine Freunde besitzt und sich abschottet.

,,Es ist mitten in der Nacht. Wenn unsere Eltern checken, dass wir draußen sind, killen die uns!", zischt einer von Tonys Freunden, doch Tony schüttelt grinsend seinen Kopf und blickt zu Clara, die gerade mit Finja diskutiert, ob wir was trinken sollen. Sicher will Tony Clara ficken und auf Betrinken habe ich keine Lust. Genervt setze ich mich auf den kalten Boden und ziehe an Lisas Bein, damit sie aufhört sich zu bewegen und zu lachen. Grinsend setzt Lisa sich dann neben mich und ich lache über ihre elegante Landung.

,,Wollen wir jetzt noch zu einer Bar?", fragt Finja schließlich und gibt mir ihre Hand. Lachend ziehe ich mich hoch und bemerke, dass der Mond scheint und wir nicht wirklich Licht brauchen. Die Sterne scheinen und ich lache einfach aus Lust und Laune. Riley, einer von Tonys dummen Freunden, verdreht seine Augen, während Tony mit Clara flirtet.

,,Lasst uns zurückgehen. Wir treffen uns dann heute Nacht", blickt Finja kurz in den Himmel, bevor sie vorausgeht. Dieses Buch nimmt immer noch meine Gedanken ein.


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