Kapitel 21 - "Vedat"

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Vedats Sicht
Nachdem wir uns mit der Clique in der alten Hütte getroffen hatten, fuhr ich auch gleich nach Hause. Dabei kamen mir die Worte von Emre in den Kopf. 'Was ist los Vedat? Wieso hast du sie nicht mit uns geteilt oder sie hierher gebracht? Gib es doch zu, du magst sie.'  Während ich fuhr und an diese Worte dachte, schüttelte ich nur den Kopf. Ich kannte sie nicht und ich wollte es auch nicht. Wieso auch? Gefühle machten einen verwundbar und das brauchte ich nicht. Immerhin war ich das noch vor 12 Jahre noch. An dem Tag, wo ich 15 geworden war, an dem Tag starb meine Mutter bei einem Autounfall. Das Autounfall war kein Zufall oder ein Unglück, nein, es wurde von den Feinden meines Vaters geplant worden. Sie starb vor meinen Augen.


Mein Vater? Er war ein hoch angesehener , erfolgreicher Anwalt und wollte einfach zu seinen Idealen stehen. Andere dagegen wollten ihn bei sich haben oder wollten wegen anderen Geschichten ihm, das Leben nehmen bzw. zerstören und versuchten dies mit allen Mittel. Schlussendlich wurde auch meine Schwester entführt und dann umgebracht, aber den Tod wollte sie selber. Ich konnte es nicht verhindern. Ich war erst 17 und schwach. Wie sollte ich mich gegen 20 Feinden wehren ohne irgendwas? Mein Vater hielt es nicht mehr aus und nahm sich irgendwann selber das Leben, weil er sich die Schuld dafür gab. Er hinterließ mir einen Brief, worin er sich von mir entschuldigte und sich zugleich verabschiedete. Er hatte es nur getan, damit sie mich nicht auch noch wegnehmen. Diese Handlung kam etwas zu spät, denn ich wurde mit 18 alleine gelassen, ganz alleine. Ich hatte weder meine Schwester, noch meine Mutter gehabt, wieso hatte mein Vater nicht davor so gehandhabt? Dann hätte ich jetzt ein anderer Mensch ohne Aufträge und müsste nicht einsam sein.


Er war zwar Schuld, aber ich hatte ihn dauernd als Vorbild gesehen. Ich landete erst auf der Straße, dann gelang ich in eine Clique, in diese Clique. Mein Vater wollte, dass ich mich räche, für die Misshandlung meiner Schwester, für meine Mutter, für ihn und mich selber. Sie hatten mir alles genommen, was damals wichtig war. Jetzt nahm ich jeden einzelnen der daran Schuld war, das Leben. Einige hatten derzeit auch Kinder und die wurden mit Drogen versorgt oder die Männer wurden umgebracht, sowie letztens, als mich Hayal dabei erwischte. Karma nennt man das. Sie hatten das alles verdient und die beschissen Gerechtigkeit für das mein Vater dauernd gekämpft hatte? Es hatte nichts gebracht. Nicht mal, als ich ihnen die Morddrohungen und alles abgegeben hatte. Eventuell wurden die auch abgekaut. Für Geld taten Menschen nun mal alles. Da kam mir der Gedanke wieder hoch. -Hayal. Sie hatte keine Ahnung, was ich schon alles gesehen hatte – nicht mal meine Freunde wussten das alles. Ich lebte einfach nachdem MottoHeute Freunde – morgen Feinde." Also gab ich ihnen nichts, womit sie mich später verletzten konnten.


Mit dem Wissen und Leben, härtete man sich ab. Gefühle passten nicht mehr in meine Welt. Ich konnte sie auch nur noch schwer zeigen. Hayal erinnerte mich irgendwie an meine Schwester. Sie war damals auch so offen und eine kleine Zicke, die immer alles besser wusste. Ich mochte diese Art und ihre offene, ehrliche und mutige Eigenschaft an ihr. Doch auch bei ihr lief nicht alles rund, das war mir klar. Auch sie versteckte sich hinter eine Fassade, die so langsam zerbrach. Sie versuchte kalt zu sein, aber gelant es ihr? Nein. Sie würde das aber noch lernen, da war ich mir sicher. Ich hatte das auch nicht von heute auf morgen gehabt. Ich musste erstmals mein Leben verarbeiten und auf meine eigenen Beinen stehen, ehe ich so wurde – wie ich war.

Sie war interessant und geheimnisvoll. Ich wollte von ihr erfahren, was passiert war und wieso sie so gegen ihr Leben war. Hatte sie denn nichts was sie am Leben hielt? Ich kam zuhause an und sah sie zusammengekauert auf dem Bett liegen. Sie weinte und alles war Blut verschmiert. Diese Bilder, ich kannte das doch irgendwoher. Wie und wer wagte es? Natürlich hatten sie und ich auch schon das gemacht, aber bei mir... Ja, was unterschied mich denn von dem Täter? Ich hatte sie doch auch quasi gezwungen. Ich hatte zwei Verdächtige. Ferhat und Emre. Beide waren nicht aufgetaucht beim Treffen. So gesehen war ich auch ein Arsch, ja, aber auch nur um meine Gefühle und Gedanken zu unterdrücken, die anderen machten es aus Spaß. Ich machte mir wirklich Sorgen um sie und aus ihr wurde ich leider nicht schlauer. Sie wollte mir keinen Namen, dann musste ich das auf meine Art und Weise herausfinden. Und das tat ich. Emre lag auf ihr und bevor beide mich sahen, schoss ich einmal auf Emre. Er hatte Recht, ich mochte dieses Mädchen und das war gefährlich.Denn immer wenn ich etwas ans Herz schloss, verlor ich es. Es durfte nicht passieren und nicht jetzt. Ich kannte sie doch auch gar nicht. Ich wusste nur wie sie hieß. Sie hatte wieder einmal Angst. Mit Recht und ich...


Ich hatte nach langer Zeit wieder ein Herzrasen und Mitleid. Mein Gewissen meldete sich?! Wieso jetzt? Ich fuhr zum Wald und vergrub tief im Wald die Leiche von Emre. Nachdem ich das erledigt hatte, lief ich ein wenig herum. Ich brauchte gerade Sauerstoff. Das kam alles so ungelegen. Ich wollte keine Gefühle haben. Irgendwann würde sie sowieso auch schon freiwillig gehen.



Ich fuhr mir durch mein Haar und fuhr nach Hause. Ich wollte Hayal nicht alleine lassen, denn sie brauchte zurzeit Schutz und Geborgenheit und zum 1. Mal meinte ich auch alles ernst. Es kam zwar überraschend, aber noch so eine Geschichte wie meine Schwester wollte ich nicht mit erleben und schon gar nicht, mit dem Wissen, dass ich dann Schuld war. Als ich schließlich wieder zuhause war, hörte ich ein lautes Wimmern. Sie weinte. Ich eilte hoch und lief in ihr Zimmer. Sie hatte hier sauber gemacht und lag jetzt wieder im Bett.


„Brauchst du was?" „N-nein.", schluchzte sie. Irgendwie tat es mir weh, sie sozusehen. Emre hatte doch Recht und dafür hasste ich ihn wohl. Vielleicht sollte ich sie doch gehen lassen, bevor es zu spät war? Nein, ich hatte mich sogar an sie gewöhnt. Und sie vertraute mir doch auch irgendwie oder? Sie musste es ja demnächst. Sie sagte nichts mehr, weshalb ich mich einfach dazu entschloss mich neben sie zu legen. „Gehts?"Den Umständen entsprechend.", antwortete sie zittrig. Ich umschloss sie und genoss ihre Nähe ebenfalls. Es tat gut nach gefühlten 100 Jahren wieder mal nur so liegen zu können. Es war wirklich eine Ewigkeit her, dass ich jemandem so nahe stand. Ich schloss die Augen und bemerkte, wie sie sich lockerte und wohler fühlte. Mochte sie mich? Nein. Nachdem ganzen. Sicherlich nicht. Ich ? Ich war mir inzwischen nicht mehr sicher.



„Erzähl mal, was bisher in deinem Leben passiert ist und du nie Angst hattest vor dem Tod. Vor mir." „Von wegen keine Angst.", entgegnete sie mir und ich fing an zu grinsen. Dann konnte sie aber auch gut spielen, wie ich. „Also, mein Vater und auch wegen meiner Mutter...", fing sie an zu erzählen. Ehrlich gesagt, schien sie gar nicht so. Sie wirkte wie ein Mädchen mit einem normalem Leben. Jetzt änderte sich meine Meinung wieder... Und ich hatte Recht. Sie hatte auch eine Geschichte zu erzählen, die sie ausmachte. Wie ich auch. Ich hörte gespannt zu und drückte sie an mich. So schlief ich auch schon ein. Zum ersten mal spürte ich wieder Wärme, die mich so wohl fühlen ließ. Ich musste aber was dagegen tun und das hatte ich auch vor. Egal wie Leid es mir danach auch wieder tat. Ich wollte und brauchte keine wahren Gefühle!


Auch kalte Herzen lieben mal!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt