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"Unterschreiben Sie bitte hier, hier und hier.", erklärte der Notar und zeigte jeweils auf die Stellen. Mrs. Richmond und ich unterschrieben und damit war die Sache geregelt. Ich hasste es Leute zu manipulieren, aber es musste sein, sonst würden die Menschen Verdacht schöpfen. Ich sah dem Mann fest in die Augen. "Ich brauche nicht lang. Sie warten hier und überschreiben das Haus dann wieder Mrs. Richmond.", befahl ich. Er nickte und tat das, was ich ihm sagte. Ich lächelte die alte Dame an und ging ohne Probleme ins Haus. In MEIN Haus. Ich musste lachen. Das war gar nicht so schwer gewesen.

Ich blickte mich um. Wo würde ich ein Vampir-Heilmittel verstecken? Es gab zahlreiche Bücherregale und Vasen. Ich durchstöberte alle möglichen Verstecke, die ich finden konnte. Schließlich ließ ich mich seufzend auf einen Stuhl fallen. Hatte diese Kendra mich etwa angelogen? Wollte sie nur ihre Haut retten? Ich ließ meinen Blick durch die Wohnung schweifen. Überall hatte ich gesucht. Bis auf...Ich stand auf. Vor mir stand ein Aquarium, in dem eine kleine Schatzkiste stand. "Na, klar.", rief ich lachend. Ich ging zielstrebig auf den Glaskasten zu und steckte meine Hand ins Wasser. Doch so schnell ich sie hineingehalten hatte, so schnell zog ich sie wieder heraus. Ich schrie vor Schmerz auf. "Eisenkraut", knurrte ich. Natürlich, was auch sonst. Das einzig wirksame Mittel gegen einen Vampir.

"Mrs. Richmond, würden Sie bitte kurz nach drinnen kommen? Ich könnte Ihre Hilfe gebrauchen.", rief ich. Sie kam mit kleinen Schritten und freundlichem Lächeln auf mich zu. "Was gibt es denn, Sadie?", fragte sie großmütterlich. Manchmal wirkten die Manipulationen so verdammt echt, dass ich sie fast glaubte. "Wären Sie so freundlich und würden mir die kleine Kiste aus dem Aquarium holen?", fragte ich sie. "Nein, tut mir leid. Das ist mir nicht gestattet.", gab sie geistesabwesend zurück. "Schon klar.", brummte ich. Es nutzte nichts. Zähne zusammen beißen. Ich atmete noch einmal tief durch und ließ meine Hand blitzschnell in das Wasser gleiten. Unter Schreien zog ich die Kiste heraus. "Sadie, ist alles in Ordnung?", fragte Mrs. Richmond besorgt. Ich lächelte sie nur beruhigend an. "Setzen Sie sich doch wieder zu Mr. Bradshaw auf die Veranda.", befahl ich ihr. Sie verließ sofort das Zimmer. Die Verbrennungen auf meiner Haut waren schon wieder verheilt. Ich öffnete langsam die Kiste. Ein kleines Fläschchen mit einer roten Flüssigkeit lag darin. "Das muss es sein.", flüsterte ich aufgeregt.

Plötzlich nahm ich eine Gestalt im Türrahmen wahr. Mein Blick zuckte dorthin. "Rebekkah.", zischte ich überrascht. Sie blickte mich mit großen Augen an. "Ist das das Heilmittel?", fragte sie tonlos. Ich schloss meine Faust darum. "Kann schon sein.", gab ich resigniert zurück. Sie kam langsam auf mich zu. "Sadie, ich...Ich wünsche mir schon seit Ewigkeiten ein Mensch zu sein. Ich möchte einen normalen Mann, Kinder, ein normales Leben. Und dann möchte ich sterben.", erklärte sie traurig. "Tut mir leid, Rebekkah. Ich kann es dir nicht geben. Es ist für Elena.", sagte ich bestimmt und versuchte an ihr vorbei zu kommen. Sie versperrte mir den Weg. "Sadie, bitte. Ich möchte dir nicht wehtun.", flehte sie. "Weißt du was? Du suchst die ganze Zeit nach einem Weg, dich bei mir zu entschuldigen. Das ist die Gelegenheit. Lass mich einfach mit dem Heilmittel gehen und ich verzeihe dir.", schlug ich vor. Sie sah mich lange an und nickte schließlich. Ich war gerade dabei die Tür zu durchqueren, als sie sagte: "Es tut mir leid, Sadie." Ich drehte mich um und sah nur noch den großen Holzpfahl, den sie mir in den Bauch rammte. Ich schnappte nach Luft und ging in die Knie. Das Heilmittel rollte mir aus der Hand, auf den Boden. Rebekkah schnappte es sich. "Ich hoffe, du verstehst es irgendwann.", waren ihre letzten Worte, bevor sie verschwand.

Ich versuchte mit aller Kraft den Holzklotz aus meinem Körper zu ziehen. Mit jedem Zug tat es mehr weh, doch irgendwann hatte ich es geschafft. Ich atmete erleichtert auf. Doch jetzt musste ich leider zu unangenehmen Maßnahmen greifen. "Mrs. Richmond, ich brauche Sie kurz.", rief ich sie mit zitternder Stimme. Sie kam und setzte sich neben mich. "Wie kann ich helfen?", fragte sie liebenswürdig. "Es wird jetzt ein bisschen wehtun, aber Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich brauche nur ein wenig. Bleiben Sie ruhig.", befahl ich ihr. Sie sah mich mit glasigem Blick an. Ich zog sie vorsichtig zu mir und biss in ihren Hals. Das warme Blut rann meinen Hals hinab. Ich schloss die Augen und musste mit mir kämpfen. Ich trank und trank. Ich wusste, sie würde sterben, wenn ich nicht aufhörte, doch ich konnte nicht. Tränen liefen mir über die Wangen. Ich wollte aufhören, ich wollte es, doch ich konnte nicht. Ich spürte, wie das letzte bisschen Blut in meinen Mund lief. Ich riss die Augen auf und zog meine Zähne aus ihr. Ich starrte ihren leblosen Körper an. Wie konnte ich nur? Ich hatte sie getötet. Sie lag in meinen Armen und ich konnte nichts mehr tun, als zu weinen. Ich schluchzte und entschuldigte mich bei ihr. Doch es war zu spät. Ich legte sie nach oben in ihr Bett und schloss ihre Augen. Ich schwor mir, dass das nie wieder passieren würde. Nie wieder würde ich einem Menschen Derartiges antun.

Langsam stieg ich die Treppe hinab. Ich wusste, wie Damon und Stefan solche Probleme lösten. Ich schraubte die Gaszufuhr auf und verließ das Haus. Den Notar schickte ich mit einem Gedächtnisverlust weg, zerriss die neue Urkunde und schmiss ein Feuerzeug in das Haus. Ich stieg in meinen Wagen und sah im Rückspiegel, wie das Haus explodierte. Ich schloss für einen Moment die Augen und verdrängte alle Gedanken an die schreckliche Tat. Sie sollte nicht umsonst gestorben sein. Ich musste Rebekkah finden und dann würde sie was erleben. Ich blickte auf die Sporttasche, die auf dem Beifahrersitz lag und grinste. Nicht umsonst hatte ich den Dolch und die Asche mitgenommen. Die Frage ist nur, wo sie ist. Weit konnte sie noch nicht gekommen sein und, wenn sie so naiv war, wie ich sie kannte, hatte sie ihr Handy eingeschaltet. In meiner ersten Woche auf der Suche nach dem Heilmittel hatte ich einen Polizisten kennengelernt, der mir auf meinem Smartphone ein Programm installiert hatte, mit dem man Handys orten konnte. Ich hielt am Straßenrand an und schaltete das Programm ein. Und tatsächlich, sie hatte es eingeschaltet. Sie befand sich nur knapp zehn Kilometer von mir entfernt. Ich fuhr immer dem roten Blinklicht nach und hoffte, dass sie allein war. Wäre Elijah bei ihr, hätte ich keine Chance.

Plötzlich bewegte sich der Punkt nicht mehr weiter. Ich hatte ihn eingeholt und sah auch warum. Sie hatte einen Platten und stand am Straßenrand. In ein paar Metern Entfernung blieb ich ebenfalls stehen. Ich bereitete den Dolch vor und steckte ihn in meine Jackentasche. Ich lief langsam auf Rebekkah zu. Als sie aufblickte und mich sah, fror ihr Gesichtsausdruck ein. "Sadie, ich...", stammelte sie und wich zurück. Ich atmete tief durch und sah sie vergebend an. "Ist schon in Ordnung, Rebekkah. Ich bin dir nicht böse. Ich kann dich verstehen. Ich habe nochmal gründlich über die Sache nachgedacht und ich finde auch, dass du es mehr verdienst als jeder andere. Es gehört dir.", erklärte ich lächelnd. "Wirklich?", fragte sie ungläubig. Ich nickte und ging langsam auf sie zu. "Ich danke dir, Sadie.", sagte sie schluchzend und fiel in meine Arme.

"Nichts zu danken.", flüsterte ich und stach mit dem Dolch durch ihren Rücken in ihr Herz. Sie röchelte und verlor das Gleichgewicht. Ich hielt sie in meinen Armen und ließ sie zu Boden sinken. Sie sah mich mit großen Augen an. "Ich hoffe, du verstehst es irgendwann.", wiederholte ich die Worte, die sie vorher zu mir gesagt hatte. Sie wurde grau und steif, wie ein Stein. Ich blickte mich um und vergewisserte mich, dass uns niemand beobachtet hatte. Langsam hievte ich sie hoch und trug sie zu meinem Kofferraum. Ich legte sie hinein, sorgfältig darauf bedacht, dass der Dolch an Ort und Stelle blieb. Das Heilmittel hatte sie in ihrer Jackentasche. Ich zog es heraus und steckte es ein. Enttäuscht und verletzt blickte ich auf sie herab. "Das hast du dir selbst zuzuschreiben.", knurrte ich leise und knallte die Klappe zu. Ich setzte mich ans Steuer. "Ab nach Hause.", flüsterte ich und musste unwillkürlich lächeln. Wie sehnsüchtig ich zurück nach Mystic Falls wollte, war mir vorher nicht klar gewesen, aber jetzt wo es nur noch eine Autofahrt entfernt war, konnte es mir nicht schnell genug gehen.

Nach sechs Stunden langweiliger Fahrt, sah ich endlich das Schild. Mystic Falls 1 Kilometer. Ich atmete auf. Aber ein Problem hatte ich leider noch zu bewältigen. Wohin mit Rebekkah? Ich hatte unterwegs an einer Brücke gehalten. Ich hätte sie, samt des Autos, in den Fluss schieben können. Der Fluss war sehr tief, niemand hätte sie je gefunden. Aber ich konnte es nicht. "Sie ist eine Freundin, sie hat etwas Besseres verdient.", hatte ich mir gesagt. Also hielt ich auf dem Mystic Falls Friedhof. Es war mittlerweile Nacht und kein Mensch war zu sehen. Ich öffnete das Schloss zum Geräteschuppen und holte mir eine Schaufel. Ich hob ein großes Loch aus und legte sie vorsichtig hinein. "Trotz allem wirst du immer meine Freundin sein. Es tut mir leid, dass es so enden musste, aber ein Urvampir weniger, bedeutet immer ein Problem weniger. Du wirst mir fehlen.", flüsterte ich und strich ihr über die Wange. Ich schaufelte das Loch zu und setzte das Gras, das ich vorher sorgfältig abgehoben hatte, wieder darauf. Es war nichts mehr vom Grab zu sehen. Niemand würde sie hier vermuten. Ich verließ den Friedhof und stieg zurück in mein Auto. Jetzt ging es auf schnellstem Wege zurück nach Mystic Falls.

 


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