{no.8} Uncertainty × [no.1]

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"John...?"

Plötzlich rufen Stimmen durcheinander, Schritte eilen hin und her, es wird hektisch.

"Sie ist aufgewacht!" Jemand weint und schluchzt dabei ziemlich laut.

Wer ist das?

"Claire?"

Ja?

"Claire?"

Was haben denn alle, ich bin doch hier.

"Claire, mach bitte deine Augen auf!", fleht nun leise eine warme Männerstimme.

Mist.

"Herr Doktor, sind sie sicher, dass sie etwas gesagt hat?"

"Sie haben es doch selbst gehört. Sie wacht auf. Dem Himmel sei Dank!"

Ich krieg die Augendeckel nicht hoch. Schlaf ich oder träum ich? Als sich eine klamme zitternde Hand auf meine Stirn legt, habe ich die Gewissheit, dass ich definitiv nicht schlafe. Aber ich habe jegliche Kontrolle über meinen Körper verloren. Nichts bewegt sich, außer meinem ziemlich unregelmäßigem Herzschlag.

Stopp!

Warum höre ich meinen Herzschlag in piepsenden Tönen?

"Schatz, es ist gut. Lass ihr ein wenig Zeit. Sie war lange weg."

Was? Wo soll ich denn gewesen sein?

"Ja gut. Bleibst du bei ihr? Ich mache mich kurz frisch."

"Lass dir ruhig Zeit, ich warte hier."

Jemand gibt jemandem einen Kuss.

Mum?

Sie hat so geschluchzt! Aber wieso?

Ich will sprechen, doch ich kann nicht. Meine Kehle ist wie zugeschnürt und mein Hals ist so trocken wie Wüstensand während der Dürrezeit. Was ist hier los?

Langsam wird es heller, doch die Kontrolle über mich ist noch immer nicht gegeben, also kann ich meine Augen nicht öffnen, egal, ob ich will oder nicht. Es ist schier unmöglich. Wahrscheinlich würde ich einfach verbrennen, sobald ich sie öffne. Irgendwie kleben sie zusammen. Ist ja eklig. Und schmerzhaft. Es wäre langsam wirklich von Vorteil, wenn sich mir eröffnen würde, was hier abgeht. Und dann hätte ich bitte gerne noch eine Erklärung, warum und wo und was und wie ich bin.

Jetzt.

Danke.

"Claire?"

Verdammt, ich bin hier! Hier! Was ist denn?!

"Mmh... mblrm..."

Irgenwie passt das nicht ganz zu dem Kram, den ich denke... warum kann ich nicht reden? Plötzlich sticht mich etwas und in mir zieht sich alles zusammen. Was soll das?

Eine Tür wird geöffnet.

"Wie geht's dir, Schatz?"

"Besser als eben."

"Setz dich zu mir. Nimm ihre Hand. Wir können nicht auch noch unsere zweite Tochter verlieren."

Das hat vermutlich gesessen. Mein Oberkörper schnellt nach oben, in meinem Kopf dreht sich alles wie auf einem Karussell, das völlig außer Kontrolle geraten ist und ich drohe zu fallen. Starke Hände packen mich und hindern meine geschwächte Hülle vermutlich davor, wie ein Kartoffelsack auf den Boden zu knallen. Meine Augen sind noch immer nicht in der Lage, sich zu öffnen, aber meine Stimme meldet sich kratzig und krächzend und sie will nicht mehr aufhören zu schreien.

"ROSE! NEIN! ROOOSE!"

Mein Körper saugt mit einem Mal die gesamte Luft aus diesem Raum in die Lunge und mir wird unsanft eine Tüte vor den Mund geklatscht.

Rose!

Sie ist das einzige, was ich gerade denken kann. Wo ist sie?

Ein Anruf. Meine Mutter, die weint. Ein Junge, der mich tröstet.

Ein Junge! John?

"John?! JOHN!"

"Claire! Bitte Claire, beruhige dich doch! Wer ist John?"

Die Tränen brechen meine Wangen hinunter, wie aus einer Mineralwasserflasche, die man geschüttelt und unvorsichtig geöffnet hat. Es tut weh. Jetzt bleibt mir die Luft komplett weg. Die Schwärze vor meinen noch immer geschlossenen Augen macht mir Angst.

Mein verzweifelter Schrei erschreckt mich so sehr, dass ich wieder das Bewusstsein verliere, ohne auch nur eine einzige Person mit meinen Augen wahrgenommen zu haben.


Sepia TimesWhere stories live. Discover now