Neun

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24.10.2015

Ich hatte mich verlaufen.

Sowohl auf der Strecke zum Diner, als auch auf dem Weg zu mir selbst.

Was hatte ich in den letzten Wochen getan? Ich wusst es nicht. Die Tage zogen vorbei wie Rauchschwaden. Schnell und schmerzend. Sie brachten mich zum Husten, zum Röcheln, zum Weinen und ließen mir dann eine kurze Pause zur Erholung, nur um mich danach weiter zu schwächen.
17 Tage. 408 Stunden. Und mit jeder Sekunde rannte ich näher auf's Feuer zu. Tiefer in den bittergrauen Rauch.

Ich ging in eine Gasse, weg von den Menschen. Ich brauchte Luft, musste entkommen. Ich lehnte mich an die Wand. Eine dunkelrote Backsteinmauer. Sie kam mir bekannt vor. Genauso wie die Hintertür. Oder das verblasste grüne Schild über ihr.  Es war der Ort an dem ich Mika ge...
Halt. Ich hatte Lindsey geküsst,nicht Mika. Blonde Haare, nicht Braune. Glatt, nicht Lockig. Blaue Augen, nicht Grüne. Blasse Lippen, nicht bunte. Mika stand nie hier, vor mir.
Ich bin so abhängig von ihr, sie benebelt sogar meine Wahrnehmung.

Doch Mika würde nicht zurück kommen. Mein Vater auch nicht. Diese Erkenntnis schlug mich zu Boden. Es lag an mir. Ich hatte sie verscheucht. Ich hatte ihnen Unrecht getan. Ich hatte sie verängstigt. Ich alleine war daran Schuld gewesen, dass sie fortgegangen sind. Ich hatte ihnen nur Leid angetan. Ich tat allen nur Leid an. Ich musste hier weg. Verschwinden.

Es war mein achtzehnter Geburtstag und ich wollte wenigstens an diesem Tag in keine traurigen Gesichter schauen. Ich wollte in garkein Gesicht schauen. Ich vergaß Lindsey augenblicklich. Genau so schnell wie sie in mein Leben getreten ist, verschwand sie auch wieder. Ohne Nachgeschmack.

*****

Ich fuhr die Route 26 entlang. Nach 70 Meilen konnte ich das Meer riechen, nach 80 konnte ich es hören und nach 90 spürte ich es. Die Sonne stand nun hoch am Himmel. Hier am Pazifik, da war es stürmisch. Ich parkte auf einem kleinen verlassen Parkplatz, welcher vom Sand überstreut war. Möwen schrien und das lange Gras wiegte sich im Wind. Ich ging den flachen Strand entlang, auf die schäumenden Wellen zu. Königsblau waren sie mit tanzenden Schaumkronen. Monströse Felsen ragten aus der Bucht, sie besaßen ein spitzes Ende.

Ich legte mich in den weichen Sand und ließ mein Gesicht von der sparsamen Herbstsonne erwärmen.

Ich dachte nach, lange. Über meinen Vater. Was machte er wohl gerade? Wo war er? Ging es im gut? Lit er? Tat es ihm Leid? Vermisste er Mum?Vermisste er mich? So sehr wie ich ihn vermisste? Natürlich hasste ich ihn, ich wollte ihn hassen.
Aber man kann einen geliebten Menschen nie wirklich hassen. Es ist schlicht unmöglich. Er wird einem immer etwas bedeuten. Egal, was er einem selbst angetan hat.

...Und egal, was ich ihr angetan haben.

*****

Ich weiß nicht, wie spät es war. Die Sonne war schon längst untergegangen und ich hatte den freien Blick auf einen klaren Nachthimmel. Ich erkannte das Himmels M sofort, mit dem helleuchtenden Cassiopeia.
Ich starte in die Ferne.
Wo hörte dieser Himmel wohl auf?

*****

Es war dunkel, als sie aufwachte. Sie hörte das regelmäßige Piepen einer Maschine, welche ihren Herzschlag aufnahm. Mika war im Krankenhaus, jenes wusste sie sofort. Sie hatte starke Schmerzen, sie hatte sie verdient. Was war passiert? Sie schaute sich an. Schlauch über Schlauch war mit ihrem Arm befestigst. Mika versuchte sich hinzusetzen. Vergeblich. Ihr Bett stand am Fenster. Sie hatte einen freien Blick auf den klaren Nachthimmel. Sie entdeckte Cassiopeia, wie hell er leuchtetet. Sie hatte mit River immer den Himmel beobachtet.

Sie starrte ihn an und hoffte. Hoffte darauf, dass alles wieder gut werden würde.

YES. Ich habe es geschafft, nach 2 Monaten. Respekt an mich. Und ja, dieses Kapitel ist ziemlich kurz.
Ich habe übrigens ein neues Buch eröffnet, also falls es jemanden interessiert, nur zu.

Una Mattina - Ludovico Einaudi

ErasedDär berättelser lever. Upptäck nu