Kapitel 10

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Die Reise nach Cielon verging deutlich schneller, da Hilda sie nun begleitete. Cassandra genoss die Gesellschaft der alten Frau sehr. Sie erzählte ihr pausenlos von den Bewohnern in Cielon, den vielen Schiffen, die im Hafen anlagen und wie die fahrenden Händler sie mit allerlei Arzneien aus der ganzen Welt belieferten. Einer von ihnen, Petrus Olenson, wurde in ein paar Tagen erwartet. Er brachte stets wunderbare und exotische Schätze von den südlichen Inseln mit wie Schmuckstücke, edle Stoffe und natürlich Heilkräuter. Diese tauschte er gegen andere lunedorische Wertstücke ein oder verkaufte sie einfach.

Sie erzählte auch, dass Hraerek diesen Mann sehr schätzte da er ein guter Freund war, aber auch ein Informant. Petrus besaß die besondere Gabe stets diskret und verschwiegen zu sein. Sobald er Neuigkeiten erfuhr, die für Lunedor, gerade für Cielon interessant waren, berichtete er diese sofort Hraerek wenn er ankam. Natürlich gegen eine Bezahlung. Dieses kleine Detail flüsterte Hilda absichtlich in Cassandras Ohr, da es eigentlich ein wohl gehütetes, aber offenes Geheimnis in Cielon war.

Cassandra war äußerst dankbar für jede Art von Information. Wenn sie in der Stadt ankamen musste sie einfach nur die Ohren spitzen. Nach Hilda war Cielon einer der meist angefahrenen Häfen in Lunedor, neben Wynton, die beide an der südlichen Küste lagen. Der Jarl von Wynton, Gunnar Jörikson wurde ebenso in ein paar Tagen erwartet, zusammen mit seinem Gefolge, weswegen in Cielon gerade alles für seine Ankunft vorbereitet wurde.

In dem Trubel würde Cassandra auch weniger auffallen, da viele mit den Vorbereitungen beschäftigt waren. Hilda besaß ebenso ein kleines Haus, das sie Cassandra gerne zu Verfügung stellte, solange sie sich in Cielon aufhielt. Es lag etwas abgelegen in der Stadt, da Hilda dort auch Patienten behandelte und diese vor allem Ruhe brauchten. Während ihrer Abwesenheit war es stets abgeschlossen damit nicht ein jeder hereinkommen konnte und sich an den Heilpflanzen bedienen konnte. Denn ein paar von diesen hatten in höheren Dosen nicht heilende sondern toxische Wirkungen.

"Da vorne ist es!", sagte Hilda erfreut. Cassandra schaute in die Ferne, wo Hilda hinzeigte. Dort lag eine große Stadt, direkt am Meer. Sie war von einer riesigen, steinernen Mauer umgeben und ein großes, verschlossenes Tor schien der einzige Zugang. Hinter der Mauer konnte sie hohe, Stroh bedeckte Dächer erkennen und Wachen, die auf der Mauer auf und ab gingen. Cassandra hatte gar nicht bemerkt, dass sich die Sonne bereits dem Horizont näherte. Sie tauchte die Stadt in ein flammendes Licht, was die hellen Steine der Mauer zum Leuchten brachte.

Sie kamen der Stadt immer näher, als plötzlich eine Stimme ertönte: "Der Jarl ist zurück! Öffnet das Tor!"

Es war eine der Wachleute auf den Zinnen, der so laut rief. Anscheinend erkannten alle ihren Herrn auf den ersten Blick, aber Cassandra glaubte eher das es an den Wölfen lag, die neben ihnen liefen, als an seinem Gesicht, da er es hinter seinem dicken Umhang verbarg. Die Kleider, die Hilda ihr gegeben hatte, waren zwar aus dicker Wollte gewebt, aber bei diesem klirrend, kalten Wetter war ihr der dicke Parker doch lieber. Zum Glück hatte sie noch ihre Jeans und ihre Wanderstiefel an. Ohne sie hätte sie sich wahrscheinlich schon Frostbeulen geholt oder einer ihrer Zehen wäre abgefroren.

Das große hölzerne Tor öffnete sich nach Außen und gewährte ihnen Einlass. Cassandra konnte ihr Staunen nicht verbergen, als sie das Innere sah. Für die Zeit, in der sie gelandet war, schien ihr diese Stadt doch schon reichlich fortschrittlich. Die Häuser waren aus dicken Holzstämmen gebaut und mit Strohdächern bedeckt. Überall war ein geschäftiges Treiben zu sehen; Frauen, die geflochtene Körbe, entweder mit Stoffen oder Lebensmitteln gefüllt herumtrugen, Kinder, die mit Holzschwertern spielten während in der Ferne das Hämmern eines Schmieds zu hören war.

"Jarl Hraerek! Jarl Hraerek!", rief eine gehetzte Stimme. Alle drei richteten ihren Blick auf einen Mann, der ganz außer Atem zu ihnen lief.

"Asslat, was gibt es denn?", fragte Hraerek mit ruhiger Stimme.

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