Kapitel 38

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Hraerek war sehr früh aufgestanden. Es hatte ihn nichts mehr im Bett gehalten. Er wollte sich endlich wieder bewegen, sein Training wieder aufnehmen. Langsam bewegte er sich durch sein Gemach und suchte seine Kleider zusammen. Mit kaltem Wasser wusch er sich und trocknete sich ab. Dabei achtete er sehr darauf seine Verbände nicht nass zu machen, sonst würde Cassandra noch mit ihm schimpfen.

Hraerek musste wieder grinsen. Heute war ein besonderer Tag. Er hatte gestern alles persönlich vorbereitet, nachdem Asslat ihn endlich in Ruhe gelassen hatte. Im Inneren wusste er schon, dass Cassandra sich sehr darüber freuen würde. Von Hilda hatte er dafür wichtige Informationen bekommen. Sie erzählte ihm fast schon absichtlich, dass, wann immer Cassandra von ihren Verehrern Schmuckstücke oder teure Stoffe geschenkt bekommen hatte, sie sehr verhalten darauf reagiert hatte. Im Vertrauen hatte sie Hilda erzählte, dass sie all diese Sachen nicht brauchen würde. Wann würde sie schon solche Kleider und die unzähligen Schmuckstücke tragen können. Ihre Arbeit war anstrengend, schweißtreibend und blutig. Wenn sie wie ein Pfau herausgeputzt war, könnte sie ihre Arbeit nicht ungehindert machen.

Er bewunderte sie immer mehr. Cassandra machte sich nichts aus den Geschenken, bedankte sich aber immerzu höflich. Sie kam auf ungewöhnlichen Wegen in dieses Land, mit nichts als ihren Kleidern am Leib und dem Rucksack auf ihrem Rücken. Dennoch hatte sie eine Stelle in der Stadt gefunden und... war zufrieden damit. Im Gegensatz zu anderen, die nach hoher sozialer Stellung trachteten und nur ihr eigenes Interesse verfolgten, gab sich Cassandra zurückhaltend und widmete sich voll und ganz ihrer Arbeit.

Vor kurzem war er Astrid begegnet. Nach ihrem Unfall, wo sie sich stark verbrannt hatte, war sie in den Genuss von Cassandras Pflege kommen und nun waren ihren Wunden dabei ohn Narben zu verheilen. Sie hatte ihm erzählt, dass Cassandra sich sehr gut um sie gekümmert habe.

Leise pfeifend zog Hraerek sich an. Die schwarze Hose aus Rindleder saß noch gut. Dazu die schweren Fellstiefel. Das dunkle Hemd krempelte er bis zu den Ellenbogen hoch. Danach kam ein ledernes Wams, das er mit den Riemen vorne zumachte. Seine Armschienen verknotete er mit Fingern und Zähnen. Es war noch zu früh und Askel und Deskel würden noch schlafen, da wollte er sie nicht wecken.

"Fenris! Hjalmar!"

Hraerek rief seine Wölfe herbei, während er sich seinen Umhang mit dem kostbaren Pelz überwarf. Das kleine verschnürte Bündel nahm er mit. Die Tiere stellten sich an seine Seite, als er die große Halle verließ. Der kalte Wind schnitt ihm ins Gesicht. Die Verbände saßen stramm und begannen zu jucken. Er würde Cassandra bitten sie bei Gelegenheit zu erneuern.

In der Stadt war es unglaublich ruhig. Nur die Wachen auf der Mauer liefen langsam hin und her. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, nur ein rötlich-oranger Streifen am Himmel kündigte von ihrem baldigen Aufstieg. Hraerek hatte diese Stunden so sehr vermisst. Er hatte viel zu lang im Bett gelegen und sich von Hilda und Cassandra quälen lassen. Wenn er nur noch einen dieser widerlichen Tränke vorgesetzt bekommen würde, müsste er sie hinaus werfen. Eigenhändig.

Die Tore zum Hafen waren schon geöffnet worden. Trotz des tiefen Winters bekam Cielon noch Besuch von Händler jeder Sorte. Petrus war nicht lange geblieben, hatte Hraerek aber erneut mit dem Versprechen verlassen, sich wieder umzuhören. Er ließ sich diese Informationen ja auch gut genug bezahlen.

Einige Fischer beluden ihre kleinen Bote mit Netzen und Körben. Sie waren die Letzten. Die anderen waren bereits auf dem Meer und versuchten einen guten Fang zu machen. Hraerek ließ den Blick schweifen. Alles in Ordnung. Jovssut hatte als sein Vertreter gute Arbeit geleistet.

Hraereks Augen verfingen sich an einer einsamen Person am Ende des langen Landungsstegs. In einen dunklen Umhang gehüllt stand sie dort ganz allein und schaute zum Horizont. Hraerek brauchte aber nur einen Augenblick bis er wusste, wer das war. Seine Wölfe nahmen ihm die Frage ab, als sie erfreut auf sie zuliefen.

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