Kapitel 02: Flashback

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Absolute Dunkelheit. Ich öffnete meine Augen, doch das brachte auch nicht viel.

Entweder war ich blind, oder es gab hier wirklich nichts zu sehen. Anscheinend lag ich am Boden, aber so genau konnte ich das nicht sagen. Mein Kopf schmerzte und mir war schlecht.

Wo zum Teufel war ich hier?

Wie war ich hier her gekommen?

Langsam kehrte die Erinnerung zurück - ein süßer, betäubender Duft und der bittere Nachgeschmack eines billigen Whiskys. Nein, nicht der Duft war betäubend, es war der Fusel. Bob! Das alte Schwein hatte mich an irgendjemanden verraten, aber an wen? Wer wollte was von mir? Egal, dafür würde er auf alle Fälle bezahlen, ich wusste nur noch nicht, wie.

Ich war gerade dabei, ziemlich verwirrte Racheakte im Geiste zu planen - ich war noch nicht ganz bei mir - als ich ein leises Klicken vernahm. Da war nur dieses Geräusch, das von überall her hätte stammen können. Mit einem Mal öffnete sich in der Wand gegenüber von mir - ich hatte mich mittlerweile auf den Boden gesetzt - eine Tür und gleißendes Licht blendete mich. Na ja, immerhin war ich noch nicht ganz blind. Im Moment zumindest.

Zwei Schatten traten zu mir vor und brachten mich auf die Beine, woraufhin sie mich aus der dunklen Kammer geleiteten. Irgendwo bogen wir in einen Seitengang zu meiner Rechten ab - so genau konnte ich das nicht abschätzen, da ich immer noch kaum sehen konnte und zudem noch an den Nachwirkungen der fremdartigen Substanz litt. Schlussendlich führten sie mich - sie waren mittlerweile zu viert - in einen hell beleuchteten, erstaunlich penibel aufgeräumten Büroraum.

Die Wirkung des Serums hatte sich mittlerweile zum Teil verflüchtigt, aber das brauchten meine ‚Aufpasser' ja nicht zu erfahren. Wo auch immer wir waren, einige Gegenstände an diesem Ort kamen mir verdammt bekannt vor. Den massiven, alten Schreibtisch aus Mahagoni, z.B. oder das Gemälde, das an der Wand zu meiner Linken hing, hatte ich schon einmal gesehen. Mehr als einmal sogar. Der Raum wirkte sonderbar deplaziert, nach all den dunklen, engen Gängen, durch die ich geführt worden war. Als hätte man ein Arbeitszimmer aus einem der alten Herrenhäuser im Norden des Landes herausgerissen, und einfach irgendwo platziert. Auch den alten, verkratzten Aktenschrank hatte ich schoneinmal gesehen. War das etwa...?

„Na sieh mal einer an, wer uns hier die Ehre erweist."

Als ich die Stimme meines ‚Gastgebers' hörte, wusste ich auch, woher ich all das kannte.

Ich starb Tausend Tode, als ich in ein alt bekanntes Gesicht blickte.

„Vince! Was zum Teufel willst du von mir?"

Er setzte ein haifischartiges Lächeln auf.

„Ich freue mich auch, dich zu sehen, Ray. Für einen Toten hast du dich recht gut gehalten."

Er trank einen kleinen Schluck bernsteinfarbener Flüssigkeit aus einem edlen Tumbler.

"Wie lange weißt du es schon?"

"Erst seit kurzem. Wie du dir denken kannst, war ich recht erstaunt, dich putzmunter und offenbar quicklebendig durch die Gegend laufen zu sehen."

Er drehte das Glas auf der Tischplatte aus Mahagoni. Helle Muster tanzten über das dunkle Holz; Vince betrachtete sie eine Weile, bevor er den Blick seiner kalten, blauen Augen wieder zu mir hob.

„Was willst du von mir? Doch sicher nicht über alte Zeiten quatschen."

„Ganz der alte Hektiker, hmm? Na schön, Ray, dann reden wir nicht um den heißen Brei herum: Ich möchte, dass du für mich arbeitest. Nur ein einziges Mal."

Jimmy is Dead - ein Noire-KrimiWhere stories live. Discover now