Epilog (etwa sechs Monate später)

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Ich stand im Büro meiner neuen Detektei und blickte mich ein letztes Mal um. Draußen war es schon dunkel; das Licht der zahlreichen Straßenlaternen warf hier drin seltsame Schatten. Ein halbes Jahr war es jetzt her, dass ich mein Appartement verkauft hatte, um mir für einen Teil der Einnahmen dieses Büro hier zu kaufen. Eigentlich hatte Nikky ja nur ein paar Erinnerungsstücke an ihre Schwester gewollt. Als sie dann aber von meinen Überlegungen, alles loszuwerden, erfahren hatte, hatte sie mir ein Angebot gemacht, das ich nicht ausschlagen hatte können. Und ich hatte immernoch eine Magnetkarte, die mir theoretisch Zutritt verschaffte. Ich hatte sie bis heute nicht benützt und hatte auch nicht vor, das zu ändern. Aber die Geste war nett gewesen.

Ich zog meinen Mantel an, schloss hinter mir ab und verließ das Gebäude. Der Winter war zwar vorbei, und ein Hauch von Frühling lag bereits in der Luft. Die Nächte waren aber doch noch viel zu kalt für meinen Geschmack.

Ich trat auf die Straße hinaus und blickte mich um. Nowhere City. Die Stadt, die ich so sehr zu hassen gelernt hatte. Und doch kam ich immer wieder zu ihr zurück. Ich war genauso ein Teil von ihr, wie sie von mir, Teil der verlorenen Kinder von Nowhere City, alle fest verwoben im chaotischen Gefüge der Zeit.

Zwei Schatten traten aus einer Seitengasse auf mich zu; sie waren mir bereits aufgefallen, als ich die Haustüre geschlossen hatte. Aber seit dem Tod von Vince musste ich nichtmehr um mein Leben fürchten. Ich wusste, dass irgendwo in der Nähe zwei oder drei Männer von Nikky postiert waren, die mir im Notfall sofort helfen würden. Ich hatte mich anfangs dagegen gesträubt, sie darum gebeten, ja fast sogar darum gebettelt, die Leute abzuziehen. Aber mittlerweile hatte ich gelernt, meine Lage zu akzeptieren. Sie hätte eh nicht auf mich gehört.

Als die Schatten direkt vor mir standen, erkannte ich in ihnen einen jungen Mann und eine junge Frau. Anfang zwanzig, höchstens. Aus dem technikbegeisterten Norden der Stadt, darauf hätte ich meinen Hintern verwettet. Ihre beiden Gesichter kamen mir vage bekannt vor. Wo hatte ich sie schon einmal gesehen? Auf einem Fahndungsfoto? Hatten die beiden nicht irgendetwas mit Identitätsdiebstahl zu tun?

„Sie sind Ray O'Neill." Eine Feststellung, keine Frage.

„Ganz richtig. Mit wem habe ich das Vergnügen?"

„Sie müssen uns helfen." Ich hörte das leichte Zittern in seiner Stimme. Er hatte Angst.

Sie wirkte etwas abgebrühter, als er, war aber auch sichtlich nervös.

„Na dann folgt mir mal nach drinnen. Hier draußen redet es sich ziemlich schlecht. Außerdem sehen zu viele Leute zu."

„Wenn Sie wüssten."

Ich drehte mich um, öffnete die Haustür erneut, ließ die beiden eintreten, und dann machten wir uns auf den Weg zu meinem Büro.

Jimmy is Dead - ein Noire-KrimiWhere stories live. Discover now