10|| Vertraust du?

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Seine Hände halten mich an der Hüfte fest und vorsichtig legt er seinen Kopf auf meinen ab. Der Eislaufplatz ist bis auf uns zwei leergefegt. Niemand hier, nur wir zwei. Musik ertönt aus den Lautsprechern und langsam schiebt er mich von hinten an.
Ich kneife meine Augen zusammen, als er sein Tempo steigert und muss mir es verkneifen los zu schreien. Ich habe Angst. Carlo merkt meine Unsicherheit und kommt zum Stillstand. "Was ist?", haucht er mir in den Nacken und eine Gänsehaut überzieht meinen ganzen Körper. Ich werde schwach. Schon wieder. "Wie hast du das geschaft? Der Platz hätte doch eigentlich zu. Ich meine es ist Sommer", probiere ich von meiner Angst abzulenken. Vorsichtig schiebt er wieder einen Fuß vor den anderen und fängt an zu fahren. "Es ist fast Herbst", beteuert er, während er mein Gesicht von der Seite betrachtet. Scheiße. Er sollte lieber nach vorne blicken. Ich halte meine Hände vor meine Augen. Ich will hier raus. "Hast du Angst?" Seine raue Stimme lässt mich dahin schmelzen. Ich glaube ich gebe auf. "Nein", beteuere ich während meine Hände immer noch vor meinem Gesicht ruhen. Mit der Zeit werden wir immer langsamer und kommen dann zum Stillstand. Die Stelle an der gerade noch seine Warme Hände lagen wird ruckartig kalt und das Geräusch seiner Schuhe, bestätigt mir, dass er sich gerade von mir weg bewegt. Sollte ich ihm jetzt nachgehen, oder wenigstens meine Augen öffnen? Doch ich entscheide mich dagegen und bleibe still stehen. Meine Hände immer noch in meinem Gesicht. "Vertraust du mir?", höre ich plötzlich seine Stimme sagen. Gute Frage, tu ich das? "Wieso?", frage ich nur und will meine Hände weg nehmen, als er mich davon abhält. Erneut stellt er seine Frage. "Vertraust du mir?" und diesesmal nicke ich nur. "Dann musst du auch keine Angst haben. Ich bin hier." Seine Hände halten mich wieder an der Hüfte fest und langsam komme ich voran. Sein Tempo steigert sich immer mehr. Doch ich wehre mich nicht mehr dagegen. Egal wie viel Angst ich verspüre. Aber langsam verschwiendet sie.
Ein fröhliches Lachen ertönt hinter mir und ich muss mit lachen. Ich fühle mich gut und frei. Meine Augen lasse ich zu, während ich meine Hände ausstrecke. "Schummelst du?", flüstert er mir fragend ins Ohr. Ich schüttle meinen Kopf. "Nein. Ganz und gar nicht", schreie ich in die Luft. Der Wind lässt mich wach werden und ich fühle mich lebendiger als jemals zuvor in meinem ganzen Leben. Nur wegen Carlo.

Irgendwann kommen wir tatsächlich zum Stillstand und ich öffne langsam meine Augen. Vor mir steht Carlo und blickt mir verträumt in die Augen, ebenso verträumt sehe ich zurück. Er hat mich schon wieder ausgetrickst. Aber das ist Nebensache. Denn wenn ich ihn so in die Augen sehe fühlt es sich an als würde ich fallen, oder besser gesagt fliegen. Ich fülhle mich so als würde ich mit ihm nach oben fliegen. Seine Hände legt er an meiner Taille ab und ich schlinge meine Arme um seinen Nacken, während ich meinen Kopf in seiner Halsgrube vergrabe und seinem Duft einatme. Er richt toll. Nein. Ich meine...naja er richt halt nun einmal gut.
So stehen wir einfach da und um ehrlich zu sein so gut habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. "Es kommt mir so vor, als würde ich dich schon Jahre kennen", sagt er flüsternd in mein Ohr "Diese Augenblicke mit dir sind einfach so...." Er bleibt stumm, findet keine passenden Worte, doch ich weiß was er sagen will. Ich glaube ich fühle das gleiche. Unwahrscheinlich aber naja, könnte doch sein. "Sie sind so vertraut und doch so neu." Er nickt. Ich löse mich aus seinem Griff und schaue nach oben. "Das mit meinem Bruder" Er legt seinen Finger auf meinen Mund. "Sag nichts mehr. Es ist okay." Ich nicke und lege meine Hand auf seine Wange. Sie ist so weich. Oh man er ist so perfekt. "Darf ich?", flüstere ich leise lächelnd und er nickt. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und drücke ihn einen Kuss auf den Mund. Er hat mich aus meinem Loch geholt in dem ich jahrelang war.
Die Frage nur, wollte ich jemals aus diesem Loch heraus? Eigentlich war es doch schön. Eine weitere Frage was hat dieser Kuss zu bedeuten? Er kommt von mir. Was mach ich hier überhaupt? Als mir das klar wird löse ich mich ruckartig von ihm und stoße ihn von mir weg. Ich beiße mir auf die Unterlippe und gehe langsam zurück. Verwirrt sieht er mich an, doch ich habe keine Zeit für ihn. Ich fange an Schlittschuh zu fahren und fahre auf den Ausgang zu. Ich will weg. Jetzt, sofort.
Ich höre wie er sich mir nähert und will mein Tempo verschnellern. Doch zuvor hat er mich eingeholt. "Wovor hast du Angst?", fragt er mich, dabei wirkt er überhaupt nicht böse, obwohl ich ihn stehen gelassen habe. Eher neugierig.  Was ist mit ihm los? Kann er nicht etwas machen, damit ich ohne Schuldgefühle gehen kann? "Es ist...ich weiß nicht...aber ich meine es wäre doch verrückt, wir wären verrückt. Ich wäre verrückt" Unschlüssig zieht er eine Augenbraue hoch. Red doch normal. Sonst versteht er dich doch nie! "Was meinst du?" Nervös kratze ich mit meinem Fuß immer wieder hin und her. "Ich kann mich doch nicht in dich verliebt haben. Dass ist doch unmöglich. Das darf nicht wahr sein. Das ist verrückt. Ich kann mich doch nicht verliebt haben. Du verstehst mich wahrscheinlich nicht, aber ich hasse die Liebe. Ich hasse sie und ich möchte nichts mit ihr zu tun haben...aber ich möchte was mit dir zu tun haben." Angespannt atme ich aus. "Nici", meint er schmunzelt und kommt einen Schritt näher auf mich zu. Sein Atem streift meine Haut. "Lass dir Zeit. Ich kann warten."
"Kannst du?" Er nickt und schließt mich in eine Umarmung. Ich schließe meine Augen. Es ist also offiziell ich habe mich verliebt in Carlo Waibel und ich habe es ihm gesagt. Ich brauche eine Zigarette oder nein ich brauche mehr als eine Zigarette. Ich brauche Alkohol. Besser ich brauche beides und zwar oft.
"Wollen wir gehen? Der Fahrer wartet jetzt schon eine ganze Weile."
Ich bejahe immer noch ein wenig verwirrt und nehme seine Hand in meine. Keine Ahnung wieso, aber ich mag wenn er sie hält. Ich will jetzt sowieso nur noch nach Hause und schlafen.

Weil Liebe nicht reicht [CroFf]Where stories live. Discover now