21|| Ich kann nicht

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Mein Atem ist flach, als ich vor seine Türe trete. Kurz schließe ich meine Augen, dann berührt meine Hand die Klingel. Ein schriller Ton, der sogar noch vor der Haustüre zu hören ist, ertönt. Erstrocken darüber zucke ich zusammen und platziere meine Finger später auf meinen Schläfen. Der Kater ist einfach zu stark und das waren definitiv zu schnelle Bewegungen.
Ich hätte nicht so viel Trinken sollen. Dann hätte ich mich wahrscheinlich auch nicht auf den Schuhen von Lucca übergeben und hätte mir Geld erspart. Aber dann wäre ich wahrscheinlich auch nicht hier her gekommen. Denn dann hätte ich nie bei Lucca übernachtet und er hätte mir nie den Mut zusprechen können, um jetzt hier zu stehen. Es ist also nicht nur schlecht, dass ich gestern zu tief ins Glas geschaut habe.
Schritte, welche immer lauter werden sind zu hören. Mein Herz fängt an zu rasen und als ich dann in seine braunen Augen sehe könnte ich davon schmelzen.
Carlo aber verzieht sein Gesicht ärgerlich, als er mich sieht und will die Türe schon wieder schließen, als ich ihn davon abhalte. "Lass uns reden." Seine Bewegungen stoppen ruckartig, als er meine Stimme hört und ohne, dass ich die Türe jemals berührt habe geht sie wieder auf. Falten bilden sich auf seiner Stirn und gespannt sieht er mich an. Will hören wieso ich jetzt hier bin."Carlo, ich weiß ich habe Fehler gemacht. Aber lass es mich dir erklären." Wütend schnauft er auf. "Und was dann? Willst du das ich dir dann einfach so verzeihe?" Ich schüttle meinen Kopf. Das wäre wohl zu viel verlangt. "Ich möchte es dir doch nur erklären." Eine Weile überlegt er, mustert mich, um später mit einem einfachen "Okay", zu antworten und so trete ich schließlich wieder in sein alt bekanntes Haus. Vieles hat sich in den letzten Wochen hier verändert. Er hat einiges Umgestellt und so wirkt sein Haus auf mich so, als wäre ich unwillkommen. Ich fühle mich wie ein Eindringling.

"Fang an", befiehlt mir Carlo und setzt sich auf seine Couch. Langsam lasse ich mich vor ihm auf einem
Sessel nieder. "Du musst wissen ich habe mich wirklich in dich verliebt", beteuere ich und sehe in sein Gefühlsloses Gesicht. In mir bricht gerade irgendwas zusammen. So wollte ich ihn nie sehen. Er scheint wie ausgewechselt. Nichts mehr da von dem alten Carlo, den ich liebte, immer noch liebe. "Damit kam ich nicht klar und dann ging ich zu Johannes um Hilfe zu suchen", erkläre ich weiter, während er sich gespannt zurück lehnt. "Er hat mir gesagt, dass ich nicht damit aufhören sollte anderen Geld aus der Tasche zu ziehen. Er hat mir gesagt, dass ich dich bestehlen soll und ich habe auf ihn gehört. Es war ein Fehler, aber Johannes hat mich dazu verführt." Aufeinmal füllt Carlos Lachen den Raum und dann steht er plötzlich vor mir. "Tolle Story, echt. aber das Endschuldigt nichts. Du hast mich missbraucht, mich bestohlen und belogen und auch wenn Johannes dir das gesagt hat, es waren deine Entscheidungen." Wieder hat er recht. Es waren meine Entscheidungen. Ich habe falsch gehandelt. Ich muss schlucken. Jetzt ist es wohl entgültig vorbei jetzt kann ich nichts mehr tun. Alles ist gesagt.
"Es tut mir echt leid", murmle ich nocheinmal, während ich aufstehe und in sein Gesicht sehe. Immer noch gleich kalt. Es ist nur noch Zentimeter vor mir. Sein Atem streicht meine Haut. Nur noch einmal. Vorsichtig lege ich meine Hand auf seine Wange und drücke ihm einen Kuss auf den Mund. Erst erwiedert er, dann aber stößt er mich von sich weg und sieht mich verwirrt an. "Geh jetzt", meint er und zeigt Richtung Türe. Fast wäre er schwach geworden. Aber eben nur fast. Ich senke meinem Blick und nicke leicht. "Das Geld bekommst du noch", beteuere ich während ich vor seine Türe trete. Zustimmend nickt er. "Machs gut" Ich nicke. "Du auch, Pandaboy." Ein Schmunzeln macht sich bei diesem Namen auf seinem Gesicht breit. Dieses jedoch wird sogleich wieder zu einem ernsten Ausdruck. Er will mich nicht mehr. Versteh ich ja. Aber warum muss er so abweisend sein, wenn ich doch sehe wie schwer ihm das fällt.
"Ich muss dir noch was sagen." Neugierig zieht er eine Augenbraue hoch und lehnt sich in den Rahmen der Türe. "So etwas wie dein Name?" Ich schüttle meinen Kopf. Nein. Nicht jetzt.
Meine Hand wandert zu der einen Seite meiner Perücke und vorsichtig ziehe ich sie mir herunter. Später folgt das Haarnetz und schon sind meine roten Haare für ihn zu sehen. Seine Augen werden größer und dann schluckt er. "Fuck", murmelt er leise vor sich her und steht plötzlich wieder ganz gerade. Seine Augen wandern zwischen meinen echten und falschen Haaren immer wieder hin und her, sein Mund ist offen und fassungslos sieht er mich an. So als wäre ich eine Berühmtheit. So als wolle er nicht glauben mich hier zu treffen. Als hätte er lange auf diesen Moment gewartet.
"Ich sollte dann wohl auch lieber gehen", meine ich, während ich mich umdrehe. Es schmerzt doch nur hier vor ihm zu stehen und zu wissen, dass er mich nicht mehr will.
Doch dann plötzlich hält mich seine Hand fest. Ich blicke zurück, sehe auf in seine Augen und kann wieder das funkeln in ihnen sehe. Ein Lächeln spiegelt sich auf seinen Lippen wieder. Es ist unsicher, doch es ist da. Es ist schön.
"Ich schrieb jedes Lied für dich", meint er leise und erschrocken darüber entreiße ich ihm meine Hand. "W..as?", stottere ich. "Du bist die Frau aus meinen Träumen. Ich habe mich nicht geirrt. Du warst sie schon immer. Deine Haare haben mich nur verwirrt. Aber du bist gar nicht blond." Er kommt mir näher und hält meinen Kopf in seinen Händen. Kurz scheint er glücklicher, als jemals zuvor zu sein. Sein Aussdruck ändert sich jedoch wieder und plötzlich wirkt er traurig. "Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass du mich belogen hast." "Ich weiß", hauche ich ihm entgegen. "Aber ich hatte Angst." "Und jetzt nicht mehr?" "Nein...", gestehe ich. "Ich habe keine Angst, weil ich dich schon verloren habe."
Er streichelt meiner Wange entlang, während er die andere Hand senkt. Innerlich ringt er gerade mit sich selbst. Ich sehe es ihm an. "Die Frau all meiner Träume steht vor mir und am liebsten würde ich ihr verzeihen", meint er und nimmt auch die zweite Hand von meinem Gesicht weg. "Aber es tut mir leid. Ich kann nicht." Dann entfernt er sich von mir und geht seinen Weg.

Weil Liebe nicht reicht [CroFf]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt