Was geschehen ist, ist geschehen

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Annas POV

Wir setzten uns nebeneinander auf Mikes Bett und er starrte gedankenverloren in die Ferne. Er schien sich innerlich zu sammeln müssen, ehe er schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit kurz aufblickte und mit einem Seufzen zu sprechen begann.

„Also gut. Du musst wissen, mein Dad war Polizist, und zwar ein ziemlich guter." Er stoppte kurz und grinste für einen Moment. „Das würden wohl alle Söhne über ihren Vater sagen, wenn er Polizist wäre." Dann wurde er wieder ernst und blickte zu Boden.

„Und vor zwei Monaten gab es dann diesen", ich merkte wie seine Stimme langsam brüchig wurde, „Unfall. Er war zu einem Großeinsatz gerufen worden. Irgendein Wahnsinniger hatte ein Massaker im Büro seiner Ex-Frau angerichtet und die Polizei hatte das Gebäude umstellt, um ihn so schnell wie möglich festzunehmen und weiteren Schaden zu verhindern. Aber dann", Mike hielt sich eine Hand vor den Mund und es rannen Tränen über seine Wangen. Sanft nahm ich ihn in meine Arme.

„Du musst dich nicht dazu zwingen, es mir zu erzählen."


„Ich muss", nuschelte er. Mike setzte sich wieder auf und blickte mich mit rotgeweinten Augen an.

„Ich muss, Anna. Ich muss es irgendwann begreifen."

Wir schwiegen wieder und Mike kämpfte immer noch mit den Tränen. Schließlich hatte er sich einigermaßen gefangen und erzählte mit tränenerstickter Stimme weiter.

„Es kam, wie es kommen musste. Der Amokläufer stürmte aus dem Gebäude und verwickelte die Polizisten in eine Schießerei. Dad stand etwas abseits, aber er wurde von einem Querschläger getroffen." Erneut brach Mike in Tränen aus, dieses Mal zwang er sich jedoch dazu weiterzureden.

„Sie brachten ihn noch ins Krankenhaus, aber als Mum und ich eintrafen", er sah auf und blickte mich an. „Es war furchtbar. Dad war immer so stark gewesen und da lag er plötzlich vor uns. Tot. Gestorben weil irgendjemand mit seiner Trennung nicht zurecht kam."

Mike schien sich sammeln zu müssen ehe er weitersprach.


„Offiziell war es ein Arbeitsunfall, aber das hilft mir nicht. Ich werde nie erfahren, wer meinen Vater getötet hat." Eine weitere Träne kullerte über seine Wange.

„Aber ich darf niemanden hassen. Das hat mir Dad beigebracht. Er meinte, man könne nur dann gegen den Hass der Welt kämpfen, wenn man selbst frei von Hass ist. Daher", er atmete tief durch, „habe ich ihnen vergeben. Das bin ich Dad schuldig. Egal wie sehr ich jemanden hassen würde, Dad wird nie mehr zurückkommen. Vielleicht war es einfach nicht sein Schicksal, lange hier bei uns zu sein."

Nun war ich mit weinen an der Reihe. Mike hatte die Person verloren, die er schon sein ganzes Leben lang kannte und innig liebte. Ich war fassungslos, wie grausam das Schicksal sein konnte.

„Hey, alles in Ordnung?" Mikes Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Ich musste ihn sehr bemitleidenswert angeblickt haben, denn er zog mich in seine Arme und strich mir sanft über den Rücken.


Mikes POV

Ich weiß, das ist keine schöne Geschichte. Und ich weiß, dass mir niemand glaubt, dass ich allen Beteiligten vergeben habe. Aber das habe ich. Dad hat mich ein Leben lang gelehrt, ein guter Mensch zu sein und nur weil er tot ist, will ich nicht alles vergessen. Ich habe alle meine Gefühle in den Liedern verpackt. Einige sind deshalb traurig, andere wütend. Aber ich selbst fühle nichts mehr.

With You |Linkin Park|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt